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Nein zu Anti-Ter­ror­e­in­sätzen der Bundeswehr im Inneren

09. März 2017

Falsche Sicherheit wird suggeriert: Polizei und Bundeswehr üben gemeinsam gegen fiktive Terrorszenarien. Ernstfall-Simulation sieht erstmals Bundeswehreinsatz im Inland mit Waffengewalt vor.

Die Innere Sicherheit, eine klassische Polizeiaufgabe, soll durch Militär flankiert werden. „Mit den Übungen zur Kooperation von Polizei und Bundeswehr werden in diesen Tagen Terrorszenarien politisch instrumentalisiert“, erklärte der Vorsitzende der Humanistischen Union, Werner Koep-Kerstin. „Die bisher in der Bundesrepublik wohlbegründete Trennung von Polizei und Militär soll unter dem Signum ‚Starker Staat und Handlungsfähigkeit‘ durchlöchert werden.“

Nach dem Grundgesetz ist der Einsatz der Bundeswehr im Inneren nur in wenigen Ausnahmesituationen zulässig: nämlich als Amtshilfe bei Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen gemäß Art. 35 Abs. 2 und 3 GG, oder nach Art. 87a Abs. 3 und 4 GG im Verteidigungs- und im Spannungsfall oder bei bürgerkriegsähnlichen Zuständen. Keine dieser Ausnahmesituationen lag beispielsweise bei den Terroranschlägen in Berlin, Würzburg, München oder Ansbach vor – von einer Überforderung der Polizei konnte dabei keine Rede sein. Tatsächlich ist es die Bundeswehr, die als chronisch überlastet gilt. Im Übrigen existieren bereits Alarmierungsketten und Notfallszenarien; seit Jahren üben Territorialeinheiten zum Heimatschutz gemeinsam mit den Ländern den Ernstfall.

Die verstärkt vorgetragenen Forderungen nach Einsatz der Bundeswehr im Inland bei „terroristischen Großlagen“, wie sie im Weißbuch der Bundesregierung 2016 formuliert wurden, verkennen die bereits heute vorhandenen Möglichkeiten der polizeilichen Terrorbekämpfung. Die Länder verfügen über Spezialeinsatzkommandos (SEKs), ihre Kriminalpolizeien ebenso wie das Bundeskriminalamt haben Mobile Einsatzkommandos (MEKs), und die GSG9 steht ebenfalls zur Gewaltbekämpfung zur Verfügung. Und: Erst jüngst wurde bei der Bundespolizei die sog. BFE+ (Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit plus) gegründet, die bei besonderen Gefährdungslagen oder Fahndungen, also auch besonderen Terrorlagen im gesamten Bundesgebiet, zum Einsatz kommen soll.

Zum Unterscheidungsmerkmal von Militär und Polizei gehört – auch vor dem Hintergrund schlechtester historischer Erfahrungen – insbesondere die polizeiliche Bindung an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei der Anwendung von Zwangs- und Kampfmitteln. Auf deren rechtliche und taktische Beherrschung bei Einsätzen wird in der Polizeiausbildung sehr viel Wert gelegt. Es ist daher bezeichnend, dass Bürgerrechts- und Friedensgruppen ebenso wie der Bundeswehrverband oder Polizeigewerkschaften gegen einen Anti-Terroreinsatz der Bundeswehr im Inland sind.

Bei den gemeinsamen Übungen mit der Bundeswehr wird verharmlosend auf deren spezifische Fähigkeiten wie Aufspüren von Sprengstoffen oder Bereitstellung von Sanitätsdiensten hingewiesen, die unter polizeilichem Kommando zum Einsatz kommen sollen. Tatsächlich sehen die Übungsszenarien in diesen Tagen aber auch erstmals den Einsatz von Waffengewalt durch die Bundeswehr vor. „Es steht zu befürchten, dass diese gemeinsamen Übungen perspektivisch den Einstieg in einen Inlandseinsatz der Bundeswehr bedeuten, der im Ernstfall auch zur Anwendung militärischer Waffen führt. Sogenannte Kollateralschäden bei Zivilisten, wie wir sie von Kriegseinsätzen im Ausland kennen, sind schlimm genug – wer aber könnte dafür im Inland Verantwortung übernehmen?“, fragt Prof. Martin Kutscha, Verfassungsrechtler und Bundesvorstandsmitglied der Humanistischen Union. Terrorbekämpfung in Deutschland könne nicht Kriegführung bedeuten, sondern Bekämpfung von Schwerkriminalität mit polizeilichen Mitteln entsprechend der gesetzlichen Zuständigkeit. Die klare Trennung in den Zuständigkeiten für innere und äußere Sicherheit dürfe nicht verwässert werden, so Kutscha.

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