Themen / Innere Sicherheit

Neues Anti-Ter­ror-­Ge­setz schafft unkon­trol­lier­bare Befugnisse für Geheim­dienste

09. Juli 2006

Humanistische Union kritisiert Entwurf für neues Anti-Terror-Gesetz

Die große Koalition will die außer Kontrolle geratenen Geheimdienste mit weiteren operativen Befugnissen ausstatten. Darin sieht die Humanistische Union (HU) eine „Ohrfeige für die Bemühungen der Opposition um Aufklärung schwerer Grundrechtseingriffe durch Geheimdienste“. Das erklärte der Bundesvorstand der Bürgerrechtsorganisation am Sonntag (9.7.) in Berlin.

Nach dem vorliegenden Referentenentwurf sollen die im sogenannten „Schily-Katalog“ nach dem 11. September 2001 verabschiedeten Geheimdienstbefugnisse nicht nur um weitere fünf Jahre verlängert, sondern noch ausgeweitet werden. Das Kabinett will den Entwurf am Mittwoch (11.7.) beschließen.

Dazu erklärt Rechtsanwalt Dr. Fredrik Roggan, stellvertretender Bundesvorsitzender der HU: „Mit Terrorismusbekämpfung, und das in einem rechtsstaatlichen Sinne, haben die Befugnisse nichts mehr zu tun. Die geplanten Auskunftsmöglichkeiten der Geheimdienste zur Aufklärung verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Inland eröffnen einer unkontrollierbaren Schnüffelpraxis Tür und Tor. ‚Anti-Terror‘ wird nun zum Vorgehen gegen vermeintliche Verfassungsfeinde jeglicher Couleur ohne klar umrissenen Tatbestand herangezogen. Dem Gesetz fehlen hier die notwendige Normenklarheit und Normbestimmtheit. Das ist klar verfassungswidrig.“

Als geradezu unseriös bezeichnet Roggan die Tatsache, dass die bestehenden Befugnisse bislang nicht evaluiert wurden. Die als „Bericht zu den Auswirkungen des Terrorismusbekämpfungsgesetzes“ bekannt gewordene Zusammenfassung der Bundesregierung zur bisherigen Anwendungspraxis erfülle nicht einmal ansatzweise die Erfordernisse einer Evaluation, die diesen Namen auch verdient. Überdies sei der Bericht noch nicht vom Bundestag beraten worden.

Bevor die Geheimdienste auch Auskunft über Kontostammdaten einholen dürfen, will die Koalition die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde gegen die Kontostammdaten-Auskunft abwarten. „Dann sollte der Gesetzgeber auch die anhängige Beschwerde der HU gegen den Einsatz des IMSI-Catchers im Strafverfahren abwarten, bevor er den Einsatz erweitert“, fordert Fredrik Roggan. Denn auch diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werde Präzedenz-Wirkung für jeglichen Einsatz dieses Instruments entfalten.

„Es ist schon ein starkes Stück, wenn bei der derzeitigen Diskussion um die Skandale der Dienste nun ein ganzes Paket von Befugnis-Erweiterungen für solche Behörden beschlossen werden soll, von denen aktenkundig ist, dass sie sich nicht an gesetzliche Vorgaben halten“, kritisiert Roggan.

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