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Die Perso­nen­kenn­ziffer – der Traum von der Daten­zu­sam­men­füh­rung

17. April 2008

Worin bestehen die besonderen Gefahren der Steuer-ID aus bürgerrechtlicher Sicht?

Bereits in den 70er Jahren planten deutsche Sicherheitspolitiker, durch die Einführung einer Personenkennziffer die gesamte Bevölkerung in den zunehmenden elektronischen Datenmengen besser identifizieren zu können. Diesen Bestrebungen schob das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zur Volkszählung 1983 (BVerfGE 65, 1) einen Riegel vor. In dem Urteil fand sich nicht nur die Begründung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, wonach der Einzelne „grundsätzlich selbst zu entscheiden [hat], wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden“. (Rdnr. 152) Darüber hinaus erlegten die Verfassungsrichter dem Staat das Verbot auf, über seine Bürgerinnen und Bürger Persönlichkeitsprofile zu erstellen. Die Gefahr einer solchen Profilbildung sahen sie insbesondere in den informationstechnischen Möglichkeiten der Datenverarbeitung: Sie mache es leicht, verschiedene Datenbestände unterschiedlicher staatlicher Stellen miteinander zu verknüpfen. Insbesondere diese Verknüpfungsmöglichkeiten könnten dazu führen, dass „ein für sich gesehen belangloses Datum einen neuen Stellenwert [bekommt]“. (Rdnr. 158) Die freie Entfaltung der Persönlichkeit werde durch derartige Verknüpfungen beeinträchtigt, weil der Einzelne kaum noch überschauen kann, welche Konsequenzen sich daraus für das staatliche Handeln ergeben.

Die Möglichkeiten einer Verknüpfung personenbezogener Daten sind heute ungleich größer als zu den Zeiten der Volkszählung: Von der Steuererklärung über die Autoanmeldung oder die biometrische Personenbeschreibung im Pass werden inzwischen nahezu sämtliche Informationen über die Bürger elektronisch erhoben und gespeichert. Eine lebenslang gültige, eineindeutige Kennung, die es erlaubt, zumindest alle Deutschen in beliebigen Datensammlungen zu identifizieren, gehört deshalb immer noch zum Traum vieler Sicherheitspolitiker. Bei den deutschen Sicherheitsbehörden werden derzeit geschätzte 1000 Datenbanken geführt, in denen sich Angaben über mehrere Millionen Menschen finden. Allein in die seit letztem Jahr aufgebaute Anti-Terror-Datei werden nach Angaben der Bundesregierung Informationen aus 845 verschiedenen Datenbanken eingespeist. [1] Immer wieder stellt sich dabei die Frage, ob Herr Meier aus Datenbank A mit Herrn Meier aus Datenbank B identisch ist, oder ob es sich dabei nur um eine Namensgleichheit handelt. Geburtsdaten, Anschriften und ähnliche Merkmale mögen dies zwar vereinfachen – bei den in Sicherheitskreisen verbreiteten Datenmengen sind aber auch dann zufällige Verwechslungen nicht zu vermeiden. (Man denke nur an den Hartz IV-Empfänger aus Berlin-Neukölln, dessen Namensgleichheit mit einem Terrorverdächtigen ihm zum Verhängnis wurde und der daraufhin vorübergehend keine Sozialleistungen mehr erhielt.) Die Versuchungen, dem Datenwust mit einem beliebigen Ordnungsmerkmal beizukommen, sind also groß.

[1] Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke und weiterer Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE vom 6.10.2006, BT-Drucksache 16/2607. Online: http://dip.bundestag.de/ btd/16/028/1602875.pdf Eine Auflistung zahlreicher Datenbanken findet sich im Anhang dieser Drucksache. (s. auch: http://www.heise.de/ ct/hintergrund/meldung/85995.html#Antiterrordatenbanken)

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