Themen / Bioethik / Selbstbestimmtes Sterben

Einst­wei­lige Verfügung gegen Sterbe­hil­fe-­Verbot abgelehnt

18. April 2016

Sven Lüders

in: vorgänge Nr. 213 (Heft 1/2016), S. 162-163

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit Beschluss vom 21. Dezember 2015 den Antrag einer einstweiligen Anordnung, das derzeit geltende Verbot der Suizidbeihilfe außer Kraft zu setzen, abgelehnt. Gegen das Gesetz haben mehrere Mitglieder des Vereins Sterbehilfe Deutschland e.V. Verfassungsbeschwerde erhoben, die sich durch das am 10.12.2015 in Kraft getretene Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung in ihrem Recht auf ein selbstbestimmtes Lebensende und ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit unzulässig eingeschränkt sehen. Ihren Angaben zufolge haben sich die Beschwerdeführer  bereits seit längerem mit der Möglichkeit eines selbstbestimmten Suizids befasst und bei dem o.g. Verein die entsprechenden Beratungsprozeduren durchlaufen. Seit Juni 2014 hätten sie die Zusage, dass der Verein ihnen bei einem Suizid helfen wolle. Diese Zusage ist nach dem Inkrafttreten des gesetzlichen Verbotes nicht mehr möglich. Der neu eingeführte § 217 Strafgesetzbuch stellt diejenigen unter Strafe, die mit der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewähren, verschaffen oder vermitteln. Das Gesetz richtete sich vordergründig gegen Sterbehilfe Deutschland, die als einziger Verein dieser Art in Deutschland entsprechende Hilfen anbietet.

Die Richter/innen des 2. Senats des BVerfG begründeten ihre Entscheidung mit der möglichen suizidfördernden Wirkung, die Angebote zur Suizidbeihilfe entfalten: „Im Fall des Erlasses der einstweiligen Anordnung wäre … zu besorgen, dass sich Personen, die in weit geringerem Maße als die Beschwerdeführer zu einer selbstbestimmten und reflektierten Entscheidung über das eigene Sterben in der Lage sind, zu einem Suizid verleiten lassen könnten. Insgesamt wögen die Nachteile bei Außervollzugsetzung der Vorschrift daher schwerer als die nachteiligen Folgen, die den Beschwerdeführern durch deren Weitergeltung entstehen.“ (BVerfG, PM v. 8.1.2016)

Zugleich betonte das Gericht, dass mit der Entscheidung des Eilantrags das Ergebnis der Hauptverhandlung nicht vorweg genommen werde. So dürfe das Gericht von seinem Recht, gesetzliche Regelungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes außer Kraft zu setzen, „nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen“ (Rn. 10). Bei der Abwägung der Rechtsfolgen, die bei einem vorläufigen Bestand des Beihilfeverbotes zu erwarten sind, machte das Gericht geltend, dass mit der gesetzlichen Regelung die Beschwerdeführer nicht grundsätzlich am Suizid gehindert würden,  „sondern lediglich hinsichtlich des als Unterstützer in Betracht kommenden Personenkreises beschränkt [werden]. Selbst die Inanspruchnahme professioneller ärztlicher Unterstützung wäre für die Beschwerdeführer nicht gänzlich ausgeschlossen, sofern der betreffende Helfer nicht das Tatbestandsmerkmal der Geschäftsmäßigkeit erfüllt.“ (Rn. 16)

BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 21. Dezember 2015 – 2 BvR 2347/15 – Rn. (1-22), http://www.bverfg.de/e/rk20151221_2bvr234715.html.

S. Pressemitteilung des Gerichts Nr. 1/2016 vom 8. Januar 2016.

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