Themen / Rechtspolitik

„Wir fordern Zugang zu Deutsch­kursen für alle Geflüch­teten unabhängig von der Natio­na­lität!“

12. Dezember 2015

Offener Brief zum Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz

Durch das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz wurde Geflüchteten ein Anspruch auf Deutschkurse vor Abschluss ihres Anerkennungsverfahrens eingeräumt. Diese Regelung begrüßen wir ausdrücklich, denn die Bearbeitungsdauer eines Antrages dauert im Schnitt 14 Monate – wertvolle Zeit, in der schon längst die Grundkenntnisse in der deutschen Sprache erlernt werden können.

Leider sind viele Menschen von dieser Regelung ausgeschlossen, da es nur für Geflüchtete gilt, die aus Syrien, Irak, Eritrea und Iran kommen. Allen anderen ist diese Möglichkeit verwehrt.

Die Regelung beruht auf der Annahme, dass Geflüchtete aus anderen Ländern, wie z.B. Afghanistan deutlich schlechtere Aussichten haben, ein Bleiberecht in Deutschland zu bekommen. Afghanistan gilt teilweise als sicher. Diese Annahme und ihre damit direkt verbundenen Auswirkungen der Verweigerung von Zugang zu Deutschkursen und der Durchführung von Abschiebungen ist für uns Geflüchtete blanker Hohn. Wir fliehen aus Ländern, in denen Bürgerkrieg, Gewalt und Armut herrschen. In Afghanistan werden die meisten Teile des Landes von den Taliban kontrolliert. In Mezarsharif ist die Bundeswehr stationiert. Die Soldaten gehen nur mit einer gewaltigen Sicherheitsausrüstung hinaus. Dennoch gilt diese Region, laut Bundesregierung, als sicher. Sie beruft sich auf die Aussage der afghanischen Regierung, doch auf Facebook und You Tube finden sich unzählige Beispiele für Vergewaltigungen und Steinigungen in diesem Land. So wurde zum Beispiel am 08.12.2015 ein Selbstmordattentat auf den Flughafen in Ghandehar verübt. Nach Aussagen des afghanischen Ministers für Flüchtlingsangelegenheiten, solle Deutschland mehr afghanische Flüchtlinge aufnehmen, da sich die Sicherheitslage in Afghanistan verschlechtert habe. Laut einer aktuellen Reisewarnung des auswärtigen Amtes vom 08.12.2015 besteht in ganz Afghanistan ein hohes Risiko Opfer einer Entführung oder eines Gewaltverbrechens zu werden. Zuletzt kam es am 28.09.15 zu vorübergehenden Einnahme der Stadt Kundows durch die Taliban. Und sogar in den deutschen Medien wird berichtet, dass die Bemühungen der NATO gescheitert seien und die Taliban unterschätzt wurden. „Wieso ist Deutschland so blind? Wir fliehen zu Fuß, sind tagelang auf Reisen, neben uns sterben Menschen und wir erlebten, wie Verwandte vor unseren Augen erschossen wurden.“

„Wir fliehen und wenn wir es endlich nach Deutschland geschafft haben, kommt hier eine Welle der Diskriminierung auf uns zu. Wir dürfen nicht arbeiten und wir dürfen kein Deutsch lernen. Wir haben die diskriminierende Erfahrung gemacht, zu einem Deutschkurs zu kommen und wieder weggeschickt zu werden. Diese Regelung schmerzt uns, denen der Zugang zu Bildung somit verwehrt bleibt, sehr und ist für uns absolut unverständlich. Wie kann ein Land, in dessen Verfassung Gleichheit für alle Menschen garantiert wird, pauschal große Gruppen von Menschen aufgrund ihrer Nationalität diskriminieren? Bei diesem Vorgehen drängt sich uns der Gedanke auf, dass es Deutschland nicht um den Schutz von Geflüchteten geht, sondern einzig und allein um deren wirtschaftliche Verwertbarkeit. Geflüchtete aus Ländern wie Afghanistan oder Somalia haben im Schnitt weniger Bildung erfahren dürfen als Geflüchtete aus Syrien. Und in Deutschland wird uns erneut der Zugang zu Bildung verweigert. Ohne Deutsch können wir nicht an der Gesellschaft teilhaben, wir können unsere Meinung nicht ausdrücken und unsere Rechte nicht wahrnehmen. Deutschland verwehrt uns somit mehrere seiner Grundrechte, die doch für alle Menschen gelten.“

Durch die Entscheidung, nur Geflüchtete aus ausgewählten Nationen zu Deutschkursen zuzulassen, werden unnötig Rivalitäten geschürt. Es führt zu künstlich herbei geführten Streitigkeiten und erfüllt uns mit Empörung.

Es widerspricht zudem dem in Deutschland verankerten individuellen Asylrecht.

Wir fordern daher somit einen sofortigen Zugang zu Deutschkursen für alle Geflüchteten, völlig unabhängig von der Nationalität oder dem Aufenthaltsstatus!

Flüchtlingsforum Lübeck; Forum für Migrantinnen und Migranten in der Hansestadt Lübeck; Jahan Mortezai, AWO-Interkulturell, IntegrationsCenter Lübeck; Golamreza Anwari; Wahidullah Adaa;, Esa Rezai; Ali Mirza;, Mohammadreza Ahmadi; Madi Adel;, Naveedhan; Khursheed khurasane; Zafar Noah; Saeed Khorasani; Khursed Zakhil; Majid Merzai; Zakia Yousefi; Fahimeh Mohammadi; Leila Mirzai; Shima Mirzai; Zobaia Mohammadi; Sadegh Bahram;, Amir Ghezelbash; Maria Beinkmann; Andreas Wilke; Elisabeth Hartmann-Runge, Flüchtlingsbeauftragte des Kirchenkreises Lübeck-Lauenburg; Frauke Kässbohrer; Ulrich Rutter; Helga Lenz; Abdulla Mehmud; Hilde Baumann; Reza Parnan; Nora Czekalla; Katja Mentz, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Mitglied der Lübecker Bürgerschaft und Jugendhilfeausschuss; Hande Yildiz; Humanistische Union, Ortsverband Lübeck; Stefan Schmidt, Beauftrage für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen des Landes Schleswig-Holstein; Ilhan Isözen, IKB-Haus der Kulturen Lübeck; Volker Schauer, Sprecher d. IKB-Haus der Kulturen Lübeck

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