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Das Strafrecht als scharfes Schwert bei der Sanktio­nie­rung von Doping?

in: vorgänge Nr. 223 (3/2018), S. 61-73

Verstöße gegen das Doping-Verbot im kommerziellen Leistungssport wurden bisher in erster Linie durch die Sportverbände geahndet und verfolgt: Den gedopten Sportlern drohen Geldstrafen, zeitweise oder gar lebenslange Sperren. Welche Funktion kann es haben, die Beteiligung Dritter bzw. dopende Sportler selbst auch noch mit strafrechtlichen Mitteln zu belangen? Martin Heger unterzieht die Schutzzwecke, die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale sowie die Verhältnismäßigkeit der gegenwärtigen Vorschriften des Anti-Doping-Gesetzes einer kritischen Würdigung.

I. Krimi­nal­strafen als schärfstes Schwert im staatlichen Sankti­ons­ar­senal

Gemeinhin gilt das (Kriminal-)Strafrecht als schärfstes Schwert im Arsenal denkbarer staatlicher Sanktionsinstrumente. Und das gilt nicht nur für das deutsche Recht; auch die Europäische Union geht bei der gelegentlich zwingenden Vorgabe von Kriminalstrafen davon aus, dass diese als besonders scharfe Sanktion anzusehen sind. Grund hierfür ist die (Kriminal-)Strafe als das auf eine Straftat folgende Sanktionsmittel. Dass eine (Kriminal-)Strafe innerhalb des Kreises möglicher Sanktionen eine in ihrer Wirkung herausgehobene Stellung einnimmt, zeigt sich vor allem in der Möglichkeit, nicht nur eine Geldsanktion, sondern stets auch eine Freiheitsstrafe zu verhängen. Das macht einen wesentlichen Unterschied zum in seiner Struktur ansonsten durchaus verwandten Ordnungswidrigkeitenrecht aus, welches eben „nur“ Bußgelder vorsieht. Zwar kennt die Rechtsordnung durchaus andere Fälle staatlich verordneter Eingriffe in die Fortbewegungsfreiheit – zu nennen sind etwa die Unterbringung in der Psychiatrie, Abschiebehaft, Untersuchungshaft (§§ 112 ff. StPO) und Sicherungsverwahrung (§§ 66 ff. StGB) -, doch ist – unabhängig davon, ob solche Maßnahmen (wie die beiden letztgenannten) ihrerseits einen unmittelbaren Bezug zum Strafrecht haben – festzuhalten, dass es hier stets um die Abwehr von Gefahren – sei es für die Allgemeinheit (wie gegenüber gefährlichen Personen), sei es für ein Verfahren (wie etwa bei Untersuchungshaft) – geht, nicht um die repressive Sanktionierung von bereits abgeschlossenem und als solchem rechtsförmig festgestellten Fehlverhalten.

Die (Kriminal-)Strafe erschöpft sich nach verbreiteter Ansicht aber nicht nur in der Zufügung eines Übels in Form des Entzugs von Vermögen oder Freiheit als Folge eines vorausgegangenen rechtsförmig festgestellten Fehlverhaltens; dazu kommt vielmehr noch eine sozialethische Missbilligung dieses Verhaltens nach öffentlicher Verhandlung „im Namen des Volkes“[1] als einer strafwürdigen Tat. Da nach § 46 StGB jede Kriminalstrafe tat- und schuldangemessen sein muss, bringt nicht bloß der Schuldspruch zum Ausdruck, dass der Verurteilte eine Straftat begangen hat;[2] die dafür verhängte Strafe zeigt an, wie schwer die Tat und die Schuld des Angeklagten wiegen. Damit stellt jede Kriminalstrafe als solche – und nicht bloß der Schuldspruch – ein sozialethisches Unwerturteil über das angeklagte Verhalten des Täters dar.[3] Vor diesem Hintergrund gilt eine (Kriminal-)Strafe auch dann als eine besonders scharfe Sanktion, wenn das mit ihr zugefügte Übel wie bei einer Geldstrafe oder einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe für den Betroffenen nicht übermäßig fühlbar ist.[4]

Eine Orientierung am homo oeconomicus, der auch die Strafe samt aller Verfahrenskosten schlicht in eine Gesamtsaldierung der Vor- und Nachteile der Begehung des strafbaren Verhaltens einstellt,[5] hat sich in Deutschland nicht durchsetzen können, weil aufgrund des besonderen Missbilligungscharakters, aber auch der höchstpersönlichen Wirkung einer Freiheitsstrafe der wirtschaftliche (Un-)Wert einer Strafe nicht bloß als rechnerisches Minus möglichen Gewinnen aus der Straftatbegehung entgegengehalten werden kann.

II. Krimi­nal­strafen als „scharfes Schwert“ gegenüber gedopten Sportler_innen?

Dieser Vorspann ist für das Anti-Doping-Strafrecht in mehrerlei Hinsicht von Belang. Einerseits konkurriert die Strafbarkeit von Selbstdoping mit dem seit den 1960er Jahren im Verbandsstrafrecht der Sportverbände weltweiten System der Verbandssanktionen bzw. Verbandsstrafen. Neben auch hier möglichen Geldstrafen sind in der Praxis vor allem Sperren vorgesehen. Dagegen ist die Disqualifikation eines Sportlers/einer Sportlerin, der/die – bewusst oder unwissentlich – mit unerlaubten leistungsfördernden Substanzen an einem sportlichen Wettkampf teilnimmt, keine repressive Sanktion für mögliches Fehlverhalten und damit keine echte (Verbands-)Strafe, sondern vielmehr schlicht ein Mittel zur Korrektur eines irregulären Wettkampfergebnisses, denn der sportliche Wettkampf beruht darauf, dass die Wettkämpfer_innen sich nur regelkonform beteiligen können. Können oder wollen sie die Regeln in ihrer Person nicht einhalten, können sie am Wettkampf nicht teilnehmen; haben sie gleichwohl teilgenommen, muss dieser Regelverstoß – losgelöst von einem Verschulden des/der Betroffenen – nach den Regularien des veranstaltenden Verbandes korrigiert werden, was eben im Normalfall durch eine Herausnahme des/der nicht regelkonform antretenden Sportlers/Sportlerin geschieht. Eine Erstsperre des/der des Dopings überführten Sportlers/Sportlerin von  zwei Jahren und eine lebenslange Sperre im Wiederholungsfall ist demgegenüber eine echte (Verbands-)Strafe, weil sie auch dann gelten soll, wenn der/die Sportler_in durch früheres Doping im aktuellen Wettkampfbetrieb keinen Vorteil mehr erlangt haben kann, es also nicht um die Verhinderung regelwidriger Aktionen innerhalb eines Wettkampfs geht.

In den 20 Jahren seit Einführung erster Strafnormen gegen Fremddoping in §§ 6a, 95 des Arzneimittelgesetzes (AMG)[6] wird in der deutschen Rechtswissenschaft immer wieder diskutiert, ob man nicht auch – vielleicht sogar erst recht – den/die Sportler_in selbst für sein/ihr Fehlverhalten (das Dopen) unter Strafe stellen soll. Dagegen wurde vor allem der Einwand erhoben, die Sperren als Verbandsstrafen würden eine_n Spitzensportler_in, der/die ohnehin nur eine relativ kurze Karriere vor sich hat und auf eine ununterbrochene sportliche Betätigung angewiesen ist, weit mehr treffen als Geld- oder Bewährungsstrafen; längere Freiheitsstrafen seien nicht zu erwarten. Ein/eine „rationale_r Sportler_in“ würde also alles tun, um eine Sperre zu vermeiden, weil dies sein/ihr sportiver „Tod“ sei, während er/sie eine milde (Kriminal-)Strafe als geringeres Übel „leichten Herzens“ akzeptieren könnte. Wäre dem so, wäre die 2015 mit §§ 3, 4 AntiDopG eingeführte Strafbarkeit von Selbstdoping letztlich im sportlichen Milieu gegenüber dem/der Täter_in kein besonders scharfes Schwert; allenfalls wäre eine Flankierung von Sperren als den eigentlich schweren Sanktionen denkbar. Für diese Ausnahme von der Regel, dass Kriminalstrafen regelmäßig eine besondere Bemakelung des Verhaltens und damit für den Verurteilten eine besondere Schwere zukommt, könnte man noch anführen, dass verbandsrechtliche Sanktionen angesichts der öffentlichen Wahrnehmung sportlicher Wettkämpfe den/die verbandsintern sanktionierten Sportler_in nicht weniger an einen öffentlichen Pranger stellen als die Verhängung einer Strafe in einem Strafprozess. Gleichwohl bleibt ein Einwand: Auch Sportler_innen sind Menschen! Sie mögen innerhalb des Sportbetriebs zu Regelwidrigkeiten bis hin zu Doping greifen, sind aber deshalb keinesfalls immun gegen die Stigmatisierung als Kriminelle, gegen das in der Verhängung einer Kriminalstrafe als (auch) sozialethischer Missbilligung für ihr sportrechtswidriges Verhalten, denn neben dem professionellen Umfeld im Sportbetrieb gibt es parallel und vor allem danach ein soziales Leben in der Gesellschaft, in der man im Normalfall nicht als „Vorbestrafter“ agieren will. Und das gilt auch dann, wenn an den Ausgang des Strafverfahrens keine weiteren verbands-, disziplinar- oder schadensersatzrechtlichen Konsequenzen geknüpft werden können.

Gleichwohl bleibt der Einwand beachtlich, dass zumindest gegenüber einem/einer noch aktiven Profisportler_in – Amateure sind, wie noch zu zeigen sein wird, regelmäßig nicht taugliche Täter des neuen Selbstdoping-Tatbestandes – eine Verbandsstrafe einen scharfen Eingriff in die Ausübung seines Berufs darstellt, der ihn/sie zumindest innerhalb seiner/ihrer Peer Group – dem Sportbetrieb – nicht weniger stigmatisieren dürfte als eine Kriminalstrafe innerhalb der Gesellschaft. Es fällt daher schwer, in der Strafbewehrung von Selbstdoping tatsächlich eine für den/die Sportler_in als potenzielle_n Täter_in kategorial schärfere Sanktion zu erblicken.[7] Das unterscheidet die Situation im Sport von der Wirtschaftskriminalität: Ist ein Verhalten nur als Ordnungswidrigkeit eingestuft, wiegt sowohl innerhalb der beteiligten Wirtschaftskreise als auch in der Gesellschaft der zugrundeliegende Vorwurf regelmäßig weniger schwer als derjenige einer Straftat. Natürlich könnte man einwenden, dass es in der Doping-Konstellation zu einer Addition zweier nicht aufeinander anrechenbarer Sanktionen kommen dürfte, denn die Geld- oder (ausnahmsweise) Freiheitsstrafe tritt neben die Sperre. Solange allerdings die denkbaren Kriminalstrafen eher am unteren Rand der Skala liegen und bei der Bemessung der staatlicherseits verhängten Geldstrafe die durch die vorherige sportrechtliche Aufarbeitung des Dopingfalles im Regelfall verminderte Einnahmesituation des/der Sportlers/ Sportlerin zu berücksichtigen ist (so dass nach Wegfall von Einnahmen aus dem Sportbetrieb die Tagessatzhöhe relativ niedrig ausfallen dürfte), ist die Kriminalstrafe zwar ein weiteres Übel, führt aber für den/die betroffene_n Sportler_in eben nicht zu einer völlig anderen Schwere der Sanktion.

Vor dem Hintergrund der Verbandsautonomie aus Art. 9 GG und der daraus folgenden grundrechtlich garantierten Berechtigung der (hier: Sport-)Verbände, ihre internen Regeln (z.B. für Wettkämpfe) selbst zu setzen und durch ihre Organe durchzusetzen bzw. zu sanktionieren, erscheint daher die Kriminalstrafe für Selbstdoping nicht primär als besonders scharfes Schwert. Vielmehr öffnet die Strafbewehrung einen parallelen Sanktionsweg, der dem Verbandsrecht „auf die Sprünge helfen soll“. Fakt ist nämlich, dass trotz des seit Jahrzehnten auch mit öffentlicher Hilfe weltweit ausgebauten sportrechtlichen Verfolgungsinstrumentariums gegen Doping – die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), der in allen Staaten nationale Anti-Doping-Agenturen zur Seite gestellt sind (NADA), und deren Entscheidungen durch das internationale Sportschiedsgericht (TAS/CAS) in Lausanne überprüft werden – die Zahl der bekannt gewordenen Doping-Fälle im Spitzensport auf niedrigem Niveau verharrt, während empirische Untersuchungen zu einer viel höheren Dunkelziffer gelangen.[8] Die in letzter Zeit vorgenommenen Nachtests früherer Olympiaden zeigen ebenfalls, dass die Zahl der unmittelbar im Anschluss an einen Wettkampf bekannt gewordenen Doping-Fälle allenfalls die „Spitze des Eisbergs“ markiert. Es hat den Anschein, als würden die von den Verbänden untersuchten Dopingproben weitgehend an den tatsächlichen Dopingfällen vorbeigehen;[9] es werden gerade so viele (bzw. wenige) positive Sportler_innen gefunden, dass man nicht auf den Gedanken kommen müsste, das Anti-Doping-Verfahren als von vorneherein wirkungslos einzustufen, das als „Feigenblatt“ tatsächlich ein fehlendes Interesse der Sportverbände an der Aufdeckung zu vieler Dopingfälle und an einer Entlarvung prominenter Bannerträger_innen kaschieren soll.

Ein wesentliches Ziel der Pönalisierung von Selbst-Doping ist deshalb die Eröffnung staatlicher Untersuchungsinstrumente auch für Doping im Sport. Das erhellt ein kurzer Rückblick in die ursprüngliche Anti-Doping-Norm des AMG, die ja nur das Fremddoping und damit das Umfeld des/der letztlich gedopten Sportlers/Sportlerin erfassen sollte. Damit verband sich die Hoffnung, dass in Ansehung eines positiven Dopingbefundes bei einem/einer Sportler_in dessen/deren Umfeld – Betreuer_innen, Ärzt_ innen, Trainer_innen etc. – ins Visier der Strafverfolger kommen sollte und der/die Sportler_in, der/die sich ja nicht selbst belasten konnte, verpflichtet gewesen wäre aufzuklären, wer ihm/ihr was gegeben hat.[10]

Diese Hoffnung erwies ich freilich bald als trügerisch, denn innerhalb des Sportbetriebs fand sich bis heute so gut wie kein_e Whistleblower_in, weil die nachteiligen Folgen – der faktische Ausschluss aus der Sportgruppe nach Belastung von Täter_innen – offenbar so schwer wiegen, dass ein Auspacken nicht tunlich erscheint. Ein_e erwischte_r Doping-Sünder_in beteuert daher zumeist, nicht zu wissen, wie er/sie an die Substanz geraten ist.

Der status quo ante war also kein effektives Mittel zur Dopingbekämpfung im Spitzensport. Deshalb und weil die zwischenzeitlich diskutierte Möglichkeit einer Betrugs-Strafbarkeit von gedopten Profisportler_innen[11] bereits im ersten Strafverfahren in den dogmatischen Fallstricken des § 263 StGB ihre_n Meister_in finden sollte,[12] hat sich der Gesetzgeber zur Strafbewehrung des Selbstdopings entschlossen. Zwar könnte ein bekanntgewordener Dopingfall damit nicht mehr genutzt werden, um den/die Sportler_in zu einer Aussage gegen sein/ihr Umfeld zu motivieren, weil dem/der Sportler_in angesichts drohender eigener Strafverfolgung ein Auskunftsverweigerungsrecht gem. § 55 StPO zusteht, doch hat sich diese Idee ja zuvor als nicht realistisch erwiesen. Dagegen kann ein verbandsrechtlicher Dopingfall nunmehr als Grundlage eines Strafverfahrens gegen den/die Sportler_in genommen werden. Freilich sind die subjektiven Anforderungen und Beweismaßstäbe hierfür im Verbandsstrafverfahren[13] niedriger als im Kriminalstrafverfahren; für eine Verbandsstrafe genügt jedes Verschulden und der Nachweis kann im Wege eines Anscheinsbeweises geführt während,[14] während eine Kriminalstrafe wegen Selbst-Dopings Vorsatz des/der Sportlers/Sportlerin und einen Vollbeweis desselben erfordert. Daher genügt ein verbandsrechtlicher Dopingnachweis nur als Grundlage für den Verdacht, der freilich wiederum die staatlichen Ermittlungsorgane zur Einleitung eines Strafverfahrens befugt.

III. Das Anti-­Do­ping-­Ge­setz – Ein erstes Sport­s­traf­ge­setz

1. Sportrecht und Strafrecht

Weil der Sport kein rechtsfreier Raum ist, sind die Strafgesetze ebenfalls anwendbar. Praktisch spielte bislang das Strafrecht aber nur eine untergeordnete Rolle, weil den Sportverbänden bei der Verfolgung sportbezogener Regelverstöße faktisch ein „Prä“ eingeräumt wurde. Das galt auch für die Bekämpfung von Doping durch Sportler. Deren Umfeld wurde bereits seit 1998 durch Straftatbestände im AMG erfasst. Strafbar war das Inverkehrbringen, Anwenden und seit 2007 bzw. 2013 auch Besitz und Erwerb nicht geringer Mengen von Arzneimitteln mit Dopingwirkstoffen. Mit dem folgenden Anti-Doping-Gesetz wurde 2015 in § 4 i.V.m. § 3 AntiDopG erstmals ein strafbewehrtes Verbot von Selbstdoping eingeführt.[15]

2. Rechtsgüter der AntiDop­G-Straf­tat­be­stände

Nach § 1 AntiDopG sollen die Doping-Verbote und deren Strafbewehrung der Gesundheit des Sportlers und der Integrität des Sports und dabei insbesondere der Fairness und der Chancengleichheit dienen. In der Rechtswissenschaft entzündet sich Kritik an der Unklarheit dieser Rechtsgutsbestimmung.[16] Dem wird § 1 AntiDopG allerdings nur begrenzt gerecht, geht es doch um den „Zweck des Gesetzes“. Dieser muss nicht identisch sein mit der Rechtsgutsbestimmung für die Straftatbestände. Der Gesundheitsschutz der Sportler ist ein anerkanntes Rechtsgut,[17] doch sind damit Strafnormen gegen Selbstdoping nicht zu rechtfertigen. Die anderen Zwecke sind bis zum AntiDopG noch nicht als Rechtsgüter anerkannt worden.[18] Kritik entzündet sich insbesondere an der strafrechtlichen Schutzwürdigkeit der „Integrität des Sports“ als zu unbestimmt.

Es bleiben die Einzelaspekte der Integrität des Sports, der Schutz der Chancengleichheit und die Fairness. So beruht das Wettbewerbsstrafrecht der §§ 298 ff. StGB auf der Idee eines unbeeinflussten wirtschaftlichen Wettbewerbs[19] und damit der Chancengleichheit; die Idee der Fairness findet sich im Prinzip des fair trial als Prozessmaxime,[20] wobei der Kern dieses prozessualen Fairnessprinzips[21] in der Waffengleichheit der Parteien liegt. Da es beim Rechtsgutsprinzip nur um Zwecke der materiellen Strafnormen gehen kann, bleibt die Chancengleichheit im Sport.[22] Weil diese die Einhaltung vorbestimmter Regeln durch beide Wettkämpfer meint, steckt in dieser Rechtsgutsbestimmung zugleich eine Beschränkung der Selbstdopingstrafbarkeit auf den organisierten Wettkampfsport.

Dass Verletzungen der Chancengleichheit im professionellen Wettkampfsport zugleich zu einer Bereicherung des/der gedopten Sportlers/Sportlerin führen können und damit Vermögensrechte der sauberen Sportler_innen tangieren, führt nicht per se dazu, dass der Vermögensschutz als weiteres Rechtsgut gelten kann. Allerdings hat der Gesetzgeber in der Begründung darauf verwiesen, dass die Chancengleichheit im unmittelbaren Zusammenhang mit wirtschaftlichen Interessen steht.[23] Dass zumindest der Spitzensport erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat, wird man nicht bestreiten können, so dass diese Einbeziehung wirtschaftlicher Schäden (für die „sauberen“ Sportler_innen, aber auch Sponsor_innen etc.) in den Zweckkanon des § 1 AntiDopG nicht zu kritisieren ist. Das gilt insbesondere mit Blick auf Selbstdoping, denn hier wird ein Teil der Täter_innen gerade über sein/ihr wirtschaftliches Interesse an der Wettkampfteilnahme, welche ihm/ihr die Einnahmen gebracht hat, definiert. Dann ist es konsequent, für dieses Sonderdelikt als von der sportlichen Chancengleichheit mitgeschütztes Rechtsgut auch Vermögensinteressen anzusehen. Dieser (Mit-)Vermögensschutz bei der Strafbarkeit von Selbstdoping hängt auch damit zusammen, dass Doping im Sport zwar ein betrügerisches Element zukommt, eine „echte“ Betrugsstrafbarkeit[24] aber zumeist an anderen Faktoren scheitert.[25]

IV. Die Straf­tat­be­stände gegen Selbst­do­ping

1. Die objektive Tatseite von § 4 Abs. 1 Nr. 4 und 5 sowie Abs. 2 AntiDopG

§ 4 Abs. 1 Nr. 4 und 5 sowie Abs. 2 enthalten drei Tatbestandsvarianten für Verstöße gegen die in § 3 AntiDopG gesetzlich geregelten Verbote des Selbstdopings: Bei sich Anwenden und Anwendenlassen, gedopt am Wettkampf Teilnehmen sowie Erwerb und Besitz auch geringer Mengen von Dopingmitteln zum Eigengebrauch.

2. Die subjektive Tatseite

Gemeinsam ist allen Selbstdopingtatbeständen, dass die Tathandlungen mindestens bedingten Vorsatz erfordern (§ 15 StGB); die Fahrlässigkeitsklausel des § 4 Abs. 6 AntiDopG gilt hier nicht. Darüber hinaus muss die Tathandlung verbunden sein mit der Absicht, sich bei einem Wettbewerb des organisierten Sports einen Vorteil zu verschaffen. Absicht ist hier im Sinne von dolus directus I zu verstehen. „Wettbewerb des organisierten Sports“ ist in § 3 Abs. 3 AntiDopG legal definiert als „jede Sportveranstaltung, die

  1. von einer nationalen oder internationalen Sportorganisation oder in deren Auftrag oder mit deren Anerkennung organisiert wird und
  2. bei der Regeln einzuhalten sind, die von einer nationalen oder internationalen Sportorganisation mit verpflichtender Wirkung für ihre Mitgliedsorganisationen verabschiedet wurden.“

Nach dem Wortlaut ist ein solcher nur anzunehmen, wenn kumulativ die Sportveranstaltung von einer Sportorganisation organisiert oder anerkannt ist (Nr. 1) und die dafür vorgesehenen verbindlichen Regeln einzuhalten sind (Nr. 2). Der Gesetzgeber hat dies in der Begründung an Beispielen verdeutlicht: Wird von einer Firma ein Marathon ohne Anerkennung des Sportverbandes durchgeführt, liegt kein Wettbewerb vor; laufen alle Teilnehmer_innen des Firmenlaufs danach beim Berlin-Marathon, liegt ein Wettbewerb vor. Schon dadurch werden alle Sportler_innen, die nicht an organisierten Veranstaltungen teilnehmen, von einer Strafdrohung ausgenommen. Dass damit private Massenläufe nicht strafrechtlich erfasst sind, stellt keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) dar, denn deren Teilnehmer_innen wären – selbst wenn man darin einen organisierten Wettbewerb sehen wollte – angesichts von § 4 Abs. 7 AntiDopG keine tauglichen Täter_innen, so dass in Hinsicht auf eine Strafbarkeit eine Ungleichbehandlung der nicht unter § 4 Abs. 7 AntiDopG fallenden Teilnehmer_innen beider Läufe nicht erkennbar ist.

3. Der Täterkreis

Denn auch bei der Teilnahme an einem organisierten Lauf etc. sollen nur die Spitzenathlet_innen erfasst werden. Daher wird durch § 4 Abs. 7 AntiDopG der Täterkreis für alle Varianten des Selbstdopings beschränkt – alternativ – einerseits auf Kaderathlet_innen (Nr. 1) und andererseits auf Sportler_innen, die aus der sportlichen Betätigung unmittelbar oder mittelbar Einnahmen von erheblichem Umfang erzielen (Nr. 2). Strukturell handelt es sich damit bei den Strafnormen gegen Selbstdoping um Sonderdelikte, deren Tatbestand nur durch einen bestimmten Kreis von Sportler_innen verwirklicht werden kann.

Während die Fokussierung auf Kaderathlet_innen unter Bestimmtheitsgesichtspunkten (Art. 103 Abs. 1 GG) keine Probleme aufweist, denn entweder ein_e Sportler_in ist Mitglied eines Testpools oder nicht, ist dies mit Blick auf die Einnahmen-Klausel nicht so einfach. Der dahinterstehende Gedanke ist aber überzeugend: Es geht darum, dass bei allen organisierten Sportwettkämpfen Doping zwar verboten ist (§ 3 AntiDopG), aber nur für Kaderathlet_innen und Profis eine Strafbarkeit droht. Hier zeigt sich auch die Verbindung der Chancengleichheit mit Vermögensinteressen, denn Profis leben nicht nur für den Sport, sondern vom Sport, so dass die unrechtmäßige Erzielung von Einnahmen regelmäßig bei anderen (Profi-)Sportler_innen zu entsprechenden Einnahmeverlusten führen muss. Insoweit erweckt die Begründung des Gesetzentwurfs freilich den Eindruck, es seien eher wenige Wettbewerbe, die nicht bereits mit Testpool-Athlet_innen bestritten werden. Dabei ist bekannt, dass bis zur vierten Fußballliga in einer großen Zahl echte Profis tätig sind, die von Entgelten seitens von Vereinen, Veranstalter_innen oder Sponsor_innen nicht nur ihren Sport finanzieren, sondern ihren Lebensunterhalt bestreiten. Diese sind vom Gesetzeswortlaut des § 4 Abs. 7 Nr. 2 AntiDopG eindeutig erfasst. Letztlich kommt es nicht darauf an, ob die fragliche Liga aus Profisportler_innen besteht; maßgeblich ist der/die einzelne Sportler_in, der/die entweder einem Testpool zugehört oder mit der Ausübung seines/ihres Sports in Wettbewerben gem. § 3 Abs. 3 AntiDopG (also nicht bei Firmenläufen) nach Abzug seiner Aufwendungen Einnahmen von erheblichem Umfange erzielt. Angesichts des Wortlauts und der Begründung erscheinen zwei Aspekte bemerkenswert: Einerseits kommt es nicht auf das Verhältnis der Einnahmen aus dem Sportbetrieb zu den sonstigen Einnahmen oder Vermögensverhältnissen des/der Sportlers/Sportlerin an, so dass Sportler_innen aus reichen Familien nicht privilegiert sind; andererseits muss nur der Überschuss erheblich sein, nicht auch in Relation zu den getätigten Aufwendungen, so dass man in Zukunft in der Rechtsprechung fixe Mindestüberschüsse definieren kann. Als Untergrenze liegt eine Orientierung an den zivilprozessualen Pfändungsfreigrenzen (derzeit 13.000 EURO) nahe.[26]

Die Einnahmen müssen zur Tatzeit „aus der sportlichen Betätigung“ erzielt werden. Anders als bei „gewerbsmäßigem“ Handeln genügt es nicht, wenn der/die Täter_ in durch Doping Einnahmen zu erzielen hofft. Die sportliche Betätigung muss bereits zur Zeit des Dopens finanziell Früchte getragen haben. Das beschränkt das Risiko der Strafverfolgung und macht es für Sportler_innen transparent. Nachwuchssportler_innen, die am Anfang ihrer Profikarriere stehen, sind nur erfasst, wenn sie bereits nennenswerte Einnahmen erzielt haben. Dopt sich jemand außerhalb eines Testpools, um erst danach Einnahmen zu erzielen, ist er/sie nicht taugliche_r Täter_in. Hat ein_e früher erfolgreiche_r Sportler_in keine Einnahmen aus dem Sportbetrieb mehr, ist er/sie ebenfalls kein_e taugliche_r Täter_in, auch wenn er/sie durch das Doping ein „Comeback“ versucht und damit Einnahmen zu erzielen sucht.

V. Einzelne Problem­felder

1. Gesetz­ge­bungs­kom­pe­tenz

Soweit es sich bei den Regelungen des AntiDopG um solche auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts, des Strafrechts und des Verfahrensrechts handelt, begründet Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz. Dagegen gibt es für die Angelegenheiten des Sports im GG keinen Kompetenztitel. Dieser Grundsatz greift hier im Ergebnis aber nicht durch, weil es sich bei den Regelungen der §§ 1 – 3 primär um vorweggenommene Präzisierungen der nachfolgend begründeten Strafbarkeit handelt, so dass insgesamt das AntiDopG den Charakter eines Strafgesetzes trägt.[27]

Die Koexistenz explizierter Primär- und Strafnormen ist wesenstypisch für das Nebenstrafrecht. Bei den allermeisten derartigen Normkomplexen handelt es sich in der Gesamtschau jedoch nicht um ein Strafgesetz. Dagegen gilt etwa das Embryonenschutzgesetz, weil alle Grenzen durch deren Übertretung jeweils bei Strafe verbietende Tatbestände markiert werden, der Sache nach als Strafgesetz. Gleiches gilt für das AntiDopG. So enthält § 1 die geschützten Rechtsgüter als Legitimationsgrundlage der Straftatbestände.[28] § 4 benennt dieselben; § 5 enthält eine Regelung zur Einziehung. § 8 enthält mit den Vorgaben zum Informationsaustausch von den Strafverfolgungsbehörden zur Verbandsgerichtsbarkeit der Sache nach Regelungen, die dem Strafverfahrensrecht zuzuordnen sind. Schließlich enthält § 12 eine Konzentrationsermächtigung für die Strafgerichte. Zwar enthalten §§ 2 und 3 als Primärnormen umfassende Verbote bestimmter Doping-Praktiken, doch gewinnen diese ihre Relevanz und Durchsetzbarkeit über die Strafbewehrung. Daher handelt es sich beim AntiDopG um ein spezielles Sportstrafgesetz.

Fremdkörper in einem Strafgesetz sind die Datenverarbeitungsermächtigung an die NADA in § 10 und die Erleichterung der Einführung eines Sportschiedsgerichtsbarkeit in § 11, welche strukturell zu §§ §§ 1025 ff. ZPO gepasst hätte.[29] Bei beiden ist aber der Sachzusammenhang zu den Doping-Verboten, welche im AntiDopG unter Strafe gestellt sind, evident, so dass diese Ausnahmen nichts an der Zuordnung des AntiDopG zum Strafrecht ändern. Der Gesetzgeber sieht daher mit Recht alle Normen des AntiDopG mit Ausnahme von § 7, der durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG (Recht der Arzneien) erfasst wird, als von Art. 74 Abs. 1 GG gedeckt an.[30]

2. Verfas­sungs­wid­rig­keit der Besitz­straf­bar­keit?

Besonders umstritten im Gesetzgebungsverfahren war die mit § 4 Abs. 2 AntiDopG eingeführte Strafbarkeit des Erwerbs und Besitzes bereits geringer Mengen von Dopingmitteln zum Eigengebrauch. Da es beim Selbstdoping um den Schutz der Chancengleichheit im Wettkampf des/der betroffenen Sportlers/Sportlerin geht, handelt es sich bei der Besitzstrafbarkeit um eine Vorverlagerung in das Gefährdungsstadium; die Erwerbsstrafbarkeit stellt eine weitere Vorverlagerung dar, dient doch der Erwerb zumeist dem Besitz.

Der Besitz als strafbare Handlung ist nicht nur im Kontext des AntiDopG umstritten, weil dahinter keine Aktivität des/der Täters/Täterin steht. Allenfalls hält dieser einen bemakelten Zustand aufrecht. Gleichwohl hat der Strafgesetzgeber die Besitzstrafbarkeit ausgebaut.[31] Prototyp war der in § 29 Abs. 1 Nr. 3 BtMG pönalisierte Besitz von Drogen auch in geringen Mengen (arg. e contrario § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG); dazu hat das BVerfG in seiner Cannabis-Entscheidung[32] den Weg frei gemacht für eine Einstellung gem. §§ 153, 153a StPO. Vorliegend hat der Gesetzgeber bewusst das Besitzverbot zum Eigengebrauch von Dopingmitteln ohne Mengenbeschränkung strafbewehrt. Eine pauschale Einstellungslösung verbietet sich angesichts der divergenten Rechtsgüter; während die vom BtMG geschützte Volksgesundheit durch geringe Mengen selbst zu nutzender Drogen kaum berührt wird, genügt für einen Verstoß gegen die Chancengleichheit jede einzelne Einnahme einer Dopingsubstanz mit Wettkampfbezug. Die Besitzstrafbarkeit löst vor allem Nachweisprobleme, wenn man bei einem/ einer Sportler_in Dopingmittel findet, die er/sie noch nicht angewendet hat. Ich möchte nicht verhehlen, dass ich selbst gegen die mit Besitz- und Erwerbsstrafbarkeit verbundene Vorverlagerung der Strafbarkeit Vorbehalte gehegt habe.[33] Da der Gesetzgeber sich dazu aber entschieden hat, sind diese Strafnormen auch anzuwenden.
Angekündigte Verfassungsbeschwerden dürften daran nichts ändern, zumal die Risiken für Sportler_innen, die aufgrund eines Dopingfundes in ihrer Tasche um ihre berufliche Zukunft fürchten, schon deshalb nicht durch die Kriminalisierung ausgelöst werden, weil der Besitz geringer Mengen von Dopingmitteln bereits nach Verbandsrecht zu einer Dopingsperre führt.[34]

3. Beweis­ver­wer­tungs­ver­bot?

Im AntiDopG findet sich keine Regelung für ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der von Sportler_innen bei Sportwettkämpfen abgegebenen Doping-Proben im Strafprozess. Ob man ein ungeschriebenes Beweisverwertungsverbot annehmen muss, erscheint mir freilich nicht so nahe liegend, wie anderen.[35] Immer wieder wird eine Parallele zum Gemeinschuldner-Beschluss des BVerfG[36] bemüht, der allerdings eine gesetzliche Offenbarungspflicht betrifft; ob man das wirklich allein wegen der Monopolstellung der Sportverbände und der in manchem durch öffentlich-rechtliche Funktionen aufgeladenen, aber privatrechtlich organisierten NADA annehmen möchte, erscheint zweifelhaft. Ein grundlegender Unterschied wird dabei unterschlagen: Natürlich muss sich der/die Sportler_in, will er/sie an einem Wettkampf teilnehmen auch – wie die Konkurrent_innen – den vorgegebenen Regeln einschließlich von Doping-Verbot und -Kontrolle unterwerfen; anders als in der Situation des Gemeinschuldners hat er/sie es aber in der Hand, sich jederzeit durch den Verzicht auf die Teilnahme an den Wettkämpfen dieser Verpflichtung zu entziehen, müsste dann aber auf die – auch durch die Position der Sportverbände – erzielbaren (im)materiellen Vorteile verzichten, die eine Teilnahme im organisierten Sport und damit nach dessen für alle geltenden Regeln mit sich bringt. Verweigert ein_e Sportler_in seine/ihre Mitwirkung bei einem Dopingtest, ist diese weder erzwingbar noch strafbar; er/sie muss lediglich akzeptieren, dass der Verband aufgrund der darin liegenden Verletzung der Verbandsstatuten, die nach Verbandsrecht Grundlage einer Wettkampfteilnahme sind, ihm/ihr eine Teilnahme an weiteren Wettkämpfen verweigert.[37]

VI. Fazit

Inhaltlich füllt das AntiDopG einerseits Lücken, die die Anti-Doping-Strafnormen im AMG offen gelassen haben. Das gilt etwa für Dopingmittel, die nicht Arzneimittel sind, so dass dopingverseuchte Nahrungsergänzungsmittel nicht länger ausgeklammert bleiben. Mit den Straftatbeständen gegen Selbstdoping betritt es andererseits Neuland; diese dienen dem Schutz der Chancengleichheit im sportlichen Wettbewerb. Die Erwerbs- und Besitzstrafbarkeit führt zu einer Vorverlagerung. Alle Formen des Selbstdopings erfordern Vorsatz; das unterscheidet die Strafbarkeit von den an das gleiche Verhalten anknüpfenden Verbandssanktionen. Die Besitzstrafbarkeit ist nicht verfassungswidrig; allerdings sollte die Vorverlagerung der Strafbarkeit in das Gefährdungsstadium des Rechtsgutes bei der Strafzumessung berücksichtigt werden. Schließlich ist die Annahme eines Beweisverwertungsverbots hinsichtlich von Angaben des/der Sportlers/Sportlerin im Verbandsverfahren für ein Strafverfahren nicht angezeigt.

Ob die Selbstdoping-Strafbarkeit tatsächlich zu einem effektiven Instrument im Kampf gegen Doping im Spitzensport erstarken wird, muss sich zeigen. Jedenfalls steht den nicht stets effektiven Verbandssanktionen mit den Kriminalstrafen ein zweites Schwert zur Seite. Studien belegen empirisch, dass der jahrzehntelange Kampf der Sportverbände gegen Doping im Spitzensport entgegen zahlreicher positiver Bewertungen innerhalb der Strafrechtswissenschaft allenfalls die Spitze des Eisbergs erfasst und damit die Mehrzahl der Dopingfälle unbeachtet gelassen hat. Dass staatliche Ermittlungen umfassendes Doping teils effektiver aufzuklären vermögen als die Sportverbände, zeigt der Fall von Lance Armstrong. Es bleibt abzuwarten, ob auch die deutsche Justiz das geschmiedete Schwert zum Einsatz bringen kann.

MARTIN HEGER   Jahrgang 1968, Studium der Rechtswissenschaften, Promotion (zum Nießbrauch) sowie Habilitation (»Die Europäisierung des deutschen Umweltstrafrechts«) an der Universität Tübingen; nach einer Lehrstuhlvertretung in Regensburg seit dem Wintersemester 2005/06 an der Humboldt Universität zu Berlin Professor für Strafrecht, Strafprozessrecht, Europäisches Strafrecht und Neuere Rechtsgeschichte. Zahlreiche Publikationen auf dem Gebiet des Sportstrafrechts, zuletzt etwa zur Strafbarkeit von Doping nach dem Anti-Doping-Gesetz in medstra – Zeitschrift für Medizinstrafrecht 2017, S. 205-216.

Anmerkungen:

1. Dazu nur Kulhanek, ZRP 2015, 155 ff.

2. Vgl. Hamel, Strafen als Sprechakt, 2009.

3. Dazu Kühl, in: FS Eser, 2015, S. 149 ff.

4. Im Zuge der Debatte um die Einführung von Unternehmensstrafen verwies Nakamichi auf eine von ihm in Japan durchgeführte Umfrage unter Geschäftsführer_innen, die für ihr Unternehmen vor die Wahl zwischen einer echten Kriminalstrafe in relativ geringer Höhe oder einer fünfmal höheren Geldbuße gestellt worden sind; trotz des weit höheren Geldbetrags hat sich fast die Hälfte für das Bußgeld und damit gegen die Kriminalstrafe entschieden.

5. Dazu Wittig, Der rationale Verbrecher, 1993.

6. Dazu Heger, SpuRt 2001, 92 ff.

7. Vgl. Chrobok, Zur Strafbarkeit nach dem Anti-Doping-Gesetz, 2017, S. 158 f.

8. Vgl. Ulrich et al., Doping in Two Elite Athletics Competitions Assessed by Randomized-Response Surveys (https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs40279-017-0765-4; zuletzt abgerufen am 14.5.2018).

9. Anders aber Chrobok (En. 7), S. 159: „Festzuhalten ist, dass die Verbände den sportlichen Wettbewerb schneller, umfassender (…) und damit effektiver von Doping freihalten können.“

10. So auch Heger, SpuRt 2001, 92, 95.

11. Dazu Cherkeh, Betrug (§ 263 StGB), verübt durch Doping im Sport, 1999; ders./Momsen, NJW 2001, 1745 ff.; Heger, JA 2003, 76, 80 ff.

und in: Jahn u.a. (Hrsg.), Medizinrecht, 2015, S. 121, 133 ff.; Grotz, SpuRt 2005, 93 ff.; Figura, Doping: zwischen Freiheitsrecht und notwendigem Verbot, 2009, S. 152 ff.; Glöckner, Die strafrechtliche Bedeutung von Doping: de lege lata und de lege ferenda, 2009, S. 140 ff.

12. Zum Fall Schumacher vgl. Heger, in: Jahrbuch der BWG 2013/14, 2016, S. 17 ff.

13. Dazu Petri, Die Dopingsanktion, 2004.

14. Dazu Merget, Beweisführung im Sportgerichtsverfahren anhand des direkten und indirekten Dopingnachweises, 2015.

15. Zur Geschichte Bindels, in: Pfister (Hrsg.), Das Anti-Doping-Gesetz, 2016, S. 9 ff.

16. Dazu aus (sport-)philosophischer Sicht Franke, DOPING 1/2016, S. 16 ff. – Zum Verhältnis von Ethik und Recht aus juristischer Sicht Momsen-Pflanz, Die sportethische und strafrechtliche Bedeutung des Dopings, 2005; Heger, Doping – Von der moralischen Frage zum juristischen Problem, in: Franke (Hrsg.), Ethik im Sport, 2011, S. 135 ff.

17. Zum Gesundheitsschutz durch Kriminalstrafen gegen Dopingeinsatz vgl. Schulz, Doping als strafbare Gesundheitsgefährdung, 2016.

18. Seit 2017 sollen §§ 265c, 265d StGB allerdings auch dem Schutz der Integrität des Sports dienen (vgl. auch zu den Unterschieden zum ADG Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. 2018, § 265c Rn. 1).

19. Vgl. Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, Vor § 298 Rn. 1. – Daher zielte Fritzweiler, SpuRt 1998, 234 ff., auf die Einfügung eines neuen § 299a gegen Doping im Sport.

20. Vgl. Heger, Strafprozessrecht, 2013, Rn. 216.

21. Dazu Gaede, Fairness als Teilhabe, 2007; Jahn, ZStW 127 (2015), 549 ff.

22. Dazu Heger, SpuRt 2007, 153 ff. – Verfassungsrechtliche Bedenken bei Jahn, in: FS Rössner, 2015, S. 599, 608 ff. und ders., SpuRt 2015, 149, 150 ff.

23. Zur Orientierung auf den Gesichtspunkt der Vermögensgefährdung Ott, Strafwürdigkeit und Strafbedürftigkeit des Selbstdopings im Leistungssport, 2013, S. 115 ff.

24. Dazu Cherkeh, Betrug (§ 263 StGB), verübt durch Doping im Sport, 1999; ders./Momsen, NJW 2001, 1745 ff.; Heger, JA 2003, 76, 80 ff. und in: Jahn u.a. (Hrsg.), Medizinrecht, 2015, 121, 133 ff.; Grotz, SpuRt 2005, 93 ff.; Figura, Doping: zwischen Freiheitsrecht und notwendigem Verbot, 2009, S. 152 ff.; Glöckner, Die strafrechtliche Bedeutung von Doping: de lege lata und de lege ferenda, 2009, S. 140 ff.

25. Zum Betrugsstrafverfahren gegen Jan Ullrich s. Merten, SpuRt 2006, 177 ff.

26. So auch Chrobok (En. 7), S. 175 ff.

27. Für eine Bundeskompetenz auch Chrobok (En. 7), S. 40 f.

28. Zur Rechtsgüterordnung als Grundlage der Straftatbestände vgl. Kühl, in: ders./Reichhold/Ronellenfitsch, Einführung in die Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 2015, § 12 Rn. 11 ff. – Ausf. Hefendehl/v. Hirsch/Wohlers (Hrsg.), Die Rechtsgutstheorie, 2003; Swoboda, ZStW 122 (2010), 24 ff.

29. Zur Schiedsgerichtsbarkeit im Sportrecht Adolphsen, in: ders./Nolte/Lehner/Gerlinger (Hrsg.), Sportrecht in der Praxis, 2011, S. 247 ff.; speziell zum Doping-Verfahren Lehner, ebda., S. 319 ff.

30. BT-Drs. 18/4849, S. 20.

31. Vgl. Eckstein, Besitz als Straftat, 2001, und in: ZStW 117 (2005), 109 ff., sowie F-C. Schroeder, ZIS 2007, 444 ff.

32. BVerfGE 90, 145.

33. Heger, ZRP 2015, 218 f.

34. Zu Verbandssanktionen Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003; Petri, Die Dopingsanktion, 2004.

35. So plädiert Jahn für ein Beweisverwendungsverbot, welches den Strafverfolgungsbehörden verwehren soll, aufgrund verbandsrechtlicher Erkenntnisse ein Ermittlungsverfahren zu beginnen und innerhalb dessen eigene Beweise zu erheben (z.B. Blutprobe).

36. BVerfGE 56, 37.

37. Dazu krit. Chrobok (En. 7), S. 179 ff.

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