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Keine Einsicht in Schei­n­e­he­fra­ge­bogen in Bremen

Mitteilungen23411/2017Seite 4

aus: HU-Mitteilungen Nr. 234 (4/2017), S. 4/5

Die Bremer HU ist vorerst mit ihrem Wunsch gescheitert, die von der Ausländerbehörde verwendeten Fragen zur Ermittlung sogenannter Scheinehen einzusehen. Am 24. Oktober wies das Oberverwaltungsgericht (OVG) die auf das Bremer Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gestützte Klage der HU ab (AZ. 1 LB 17/17).

Fragenkataloge zur Ermittlung sogenannter Scheinehen werden bundesweit sowohl von den Ausländer- und Aufenthaltsbehörden als auch von den Visaabteilungen der deutschen Botschaften im Ausland verwendet.

Von Scheinehen sprechen die Behörden, wenn sie vermuten, dass zwei Personen eine Ehe schließen, um einer von ihnen ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu verschaffen, auf das diese ohne die Ehe keinen Anspruch hätte. Die Behörden nehmen in diesen Fällen an, dass die Ehe ausschließlich zu dem Zweck geschlossen wird, dem/der begünstigten Ehepartner*in die Einreise in das bzw. den Aufenthalt im Bundesgebiet zu ermöglichen. Ausländer*innen können in Deutschland ein Aufenthaltsrecht erhalten, wenn sie mindestens drei Jahre lang eine „eheliche und häusliche Lebensgemeinschaft“ mit einem/einer Deutschen führen. Bei einer Scheinehe vermuten die Behörden, dass eine solche Lebensgemeinschaft nicht besteht und die Eheschließung nur zum Zwecke der Aufenthaltsbeschaffung erfolgte (was eine Straftat nach § 95 Abs. 2 Ziff. 2 Aufenthaltsgesetz darstellt).

Um festzustellen, ob eine Ehe zum Zweck geschlossen wurde, einem/einer Ehepartner*in einen Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen, befragen die Behörden zum Teil die Partner*innen unabhängig von einander über das gemeinsame Eheleben, zum Beispiel welche Zahnpasta die Ehepartnerin benutzt oder auf welcher Seite im Bett der Ehepartner in der Regel schläft. Wenn die Ehepartner*innen diese Frage nicht gleich beantworten können, wird das als Indiz dafür gewertet, dass sie tatsächlich keine häusliche Lebensgemeinschaft führen.

Für die Befragung existiert beim Bremer Innensenator ein Pool von circa 100 Fragen, aus dem die Mitarbeitenden des Bürger- und Ordnungsamtes Bremerhaven und des Migrationsamtes Bremen Fragen auswählen können. Ein Teil dieser Fragen wird wohl auch vom Auswärtigen Amt und anderen Ausländerbehörden verwendet. Diesen Fragenpool wollte die Humanistische Union einsehen.

Die HU beantragte dazu bereits 2012 beim Senator für Inneres die Einsicht in den Fragenkatalog und dessen Veröffentlichung im Informationsfreiheitsregister. Der Senator lehnte die Veröffentlichung aber ab, weil dadurch die Fragen unbrauchbar würden. Der Rückgriff auf den Fragenkatalog diene der Ablehnung oder Rücknahme einer Aufenthaltserlaubnis. Wenn die befragten Personen die Fragen vorher kennen würden, sei nicht auszuschließen, dass sie sich vorher absprechen. Eine Scheinehe könne allerdings kaum anders als durch Befragung der betroffenen Personen ermittelt werden. 

Das Verwaltungsgericht Bremen (VG) schloss sich im Juli 2014 der Ansicht des Innensenators überwiegend an und wies die Klage der HU gegen die Nicht-Veröffentlichung des Fragenkataloges weitgehend ab. Lediglich die Fragen, die die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit zuvor beanstandet hatte und das Migrationsamt Bremen deshalb seit 2014 nicht mehr verwenden durfte, wurden der HU mitgeteilt.

Nun entschied das OVG, dass die „öffentliche Sicherheit gefährdet“ sei, sollten alle Fragen offengelegt werden. Die Ermittlungen der Behörden würden in einem solchen Fall erheblich erschwert. Nach § 3 Nr. 2 BremIFG besteht kein Anspruch auf Informationszugang „wenn und solange das Bekanntwerden der Information die äußere oder die öffentliche Sicherheit gefährden kann“. Das OVG verwies zur Begründung unter anderem darauf, dass auch die Deutschen Botschaften ähnliche Fragen verwenden.

Die schriftliche Begründung der Entscheidung des OVG liegt noch nicht vor. Danach wird die HU Bremen klären, ob sie gegen die Entscheidung weitere Rechtsmittel einlegen kann und ob dies sinnvoll erscheint.

Weitere Informationen:
Sven Lüders, Bremen: Klage auf Einsicht in behördlichen Fragebogen zu Scheinehen, in: vorgänge Nr. 208 (4/2014), S. 202-203

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