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Stellung­nahme zum Thema Antise­mi­tismus des Arbeits­kreises ehemaliger LehrerInnen der Rober­t-­Bosch-­Ge­samt­s­chule Hildesheim

Mitteilungen23712/2018Seite 14

Mitteilungen Nr. 237 (3/2018), S. 14

(1) Als Lehrkraft eines Staates, der Freiheit und Toleranz auf seine Fahnen schreibt, achten wir unserer Verfassung gemäß die Würde eines jeden jungen Menschen, indem wir ihm ermöglichen, sich die Wahrheiten in unserer Geschichte selbstständig zu erschließen.

(2) Wir können nur dann glaubwürdig erziehen und unterrichten, wenn wir die menschenverachtende deutsche Vergangenheit mit ihren rassistisch motivierten Gewaltverbrechen an Juden möglichst wahrheitsgetreu vermitteln, um den jungen Menschen für Fragen der Menschenrechte und für seine eigene Zukunft sensibel zu machen.

(3) Daran haben wir viele Jahre lang gearbeitet, nicht mittels Zahlen und Theorien allein, sondern durch Schüleraustausch- und Begegnungsprogramme, weiterführende Projekte der Friedensarbeit und vor allem durch die Erschließung von Einzelschicksalen Hildesheimer Bürger.

(4) Wir können nur dann glaubwürdig erziehen und unterrichten, wenn wir jede Form des latenten wie des manifesten Antisemitismus in unserer Stadt und in der Gesellschaft benennen und entschieden dagegen angehen. Dies bedingt genaues Hinhören und genaues Hinsehen.

(5) So haben wir wahrgenommen, dass eine Dozentin an der HAWK Hildesheim-Holzminden-Göttingen wegen vermeintlich antisemitischen Lehrens im Seminar „Zur sozialen Lage Jugendlicher in Palästina“ entlassen wurde, obwohl sie nur themenzentriert unterrichtete.

(6) Vor allem haben wir wahrgenommen, dass in letzter Zeit in diesem Sinne verstärkt von einem sogenannten israelbezogenen Antisemitismus die Rede ist, dessen Vorwurf von Menschen erhoben wird, die damit legitime Kritik an der Regierungspolitik Israels vernebeln oder verhindern wollen.

(7) Junge Menschen für Verletzungen der Menschenwürde sensibel zu machen, hat zur Basis, dass die UNO-Menschenrechtsbestimmungen für alle zu gelten haben und dass dies auch für Israel gelten muss. Jeder Sonderstatus für Israel würde israelbezogenen Antisemitismus befördern.

(8) Wenn also die Bundesregierung aufgrund unserer Staatsräson, das Existenzrecht Israels zu garantieren, ihm zu seinem 70. Geburtstag gratuliert, aber nicht auch auf seine Menschenrechtsverletzungen anspricht, übergeht sie das ebenso lange Schicksal der Palästinenser, die nach einem halben Jahrhundert seit dem Sechstagekrieg immer noch ohne Friedensvertrag in einem besetzten Land leben, ohne Recht auf nationale Selbstbestimmung, gleichsam mittelbar Opfer der Shoah, für die sie nichts können.

(9) Wir können Wege und Umwege der Friedenserziehung nur dann glaubwürdig beschreiten, wenn alle Wahrheiten – und Widersprüche wie in letzter Zeit – auf den Tisch kommen, eine nicht gesteuerte Presse dies benennt und alle Friedensaktivitäten, die es auf beiden Seiten zahlreich gibt, von uns unterstützt werden.

(Mai 2018)

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