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Muster­klagen gegen die Steuer-ID: Erste Entschei­dungen des Finanz­ge­richts Köln

Mitteilungen21010/2010Seite 30

Mitteilungen Nr. 210 (3/2010), S. 30

Das Finanzgericht Köln hat im September 2010 sieben von ihm ausgewählte Musterklagen gegen die Zuteilung und Speicherung der Steueridentifikationsnummern (Steuer-ID) als unbegründet abgewiesen. Das Gericht, welches nach der Finanzgerichtsordnung bundesweit für alle Klagen gegen das Bundeszentralamt für Steuern zuständig ist, beschied die vorliegenden Leistungsklagen als zulässig, aber unbegründet. Die Revision wurde aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der angegriffenen Regelungen zugelassen.

Die Kölner Finanzrichter versagten den Antrag der Kläger-Innen, ihre Steuernummern zu löschen oder sie wahlweise von der Erfassung mittels einer Steuer-ID zu befreien. „Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Löschung der Steueridentifikationsnummer und der hierunter beim Beklagten gespeicherten Daten.“ (Rn. 65 in 2 K 39865/08) Die Zuteilung von lebenslänglich gültigen Steuernummern wurde als zulässiges Verwaltungshandeln (aber kein Verwaltungsakt) gewertet, ein Anspruch auf Folgenbeseitigung bestehe nicht.

Trotz ihrer Klageabweisung ließen die Richter erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung zur Steuer-ID (§§ 139a/b AO) erkennen (Rdnr. 71, a.a.O.). Die Zuteilung und Speicherung der Steuernummern und weiterer persönlicher Daten stelle einen klaren Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung dar, da „hierdurch eine erste Voraussetzung für die Möglichkeit der Erstellung von Persönlichkeitsprofilen geschaffen“ (Rn. 89, a.a.O.) werde. Zudem habe der Gesetzgeber bereits von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit einer Erweiterung des Datenpools Gebrauch gemacht; die Steuernummer habe inzwischen auch Eingang in andere, nicht-steuerrelevante Datenpools (bei Trägern der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung) gefunden. Die von den Kritikern der Steuer-ID beschworene Gefahr eines Primärschlüssels für Datenabgleiche war für die Richter nachvollziehbar, die damit verbundenen Zweifel an der Zulässigkeit der Steuer-ID jedoch nicht so umfassend, dass das Gericht von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes vollends überzeugt gewesen wäre und die Streitfrage dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt hätte.

Die Humanistische Union unterstützt selbst einige Musterklagen gegen die Steuer-ID. Diese Klagen wurden bisher nicht entschieden. Sobald eine (sicherlich gleichlautende) Entscheidung in diesen Verfahren vorliegt, wird sich die HU für eine Revision einsetzen, um höheren Gerichten die Frage der verfassungsrechtlichen Beurteilung der neuen Steuernummern vorzulegen.

FG Köln: Entscheidungen 2 K 3265/08, 2 K 3986/08 und 2 K 3093/08 vom 9.9.2010 sowie 2 K 3838/08, 2 K 3837/08, 2 K 3834/08 und 2 K 2999/08 vom 15.09.2010 – siehe http://www.fg-koeln.nrw.de.

Zur Kritik an der Steuer-ID s. Appel, Schleichend erfasst – von der Wiege bis zur Bahre, Mitteilungen Nr. 198, S. 1-3; Lüders, Die SteuerID im Briefkasten? So können Sie sich wehren, Mitteilungen Nr. 200 , S. 14/15.

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