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Ressort­pla­nung des Bundes­vor­stands

Mitteilungen21707/2012Seite 22

Mitteilungen Nr. 217 (Heft 2/2012), S. 22

(Red.) In den letzten HU-Mitteilungen (Nr. 215/216) stellte der Bundesvorstand sein Arbeitsprogramm vor. Dazu erreichten uns mehrere Zuschriften: Einige gaben fachliche Hinweise, etwa zur bereits begonnenen Umsetzung der neuen ärztlichen Richtlinien zur Sterbebegleitung – dafür vielen Dank! Andere zogen einfach den Hut, so wie Till Müller-Heidelberg: “Nach Studium der neuesten Mitteilungen mit unter anderem der Ressortplanung der einzelnen Vorstandsmitglieder muss ich sagen: Hut ab und ein lautes Bravo euch allen.”

Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bereich „Soziale Grundrechte“ durch den Ortsverband Frankfurt geben wir hier wieder.

Mangel­haftes Arbeits­pro­gramm „Soziale Grundrechte“

In der letzten Ausgabe der Mitteilungen (Nr. 215/216) stellte der Bundesvorstand sein Arbeitsprogramm vor. Dem Ressort „soziale Grundrechte“ sind zwar viele Zeilen gewidmet – die inhaltlich aber recht dünn geraten sind. Um ein Arbeitsprogramm sollte es gehen – doch wichtige aktuelle und konkrete Debatten fehlen völlig. Der Arbeitskreis ESBR, der seit einiger Zeit aktiv an manchen Punkten arbeitet, wird nicht erwähnt.

Fehlen zentraler Debatten – 1. bedin­gungs­loses Grund­ein­kommen

Über das bedingungslose Grundeinkommen kann man streiten – die einen halten es eine radikale Umwälzung des bisherigen Sozialsystems, andere zweifeln an seiner Durchführbarkeit. Egal, wie man persönlich dazu steht: es ist Diskussionsthema. Es zu übersehen, zeugt nicht gerade von tiefer Durchdringung des Ressortbereichs.

In der Schweiz läuft dazu derzeit eine Volksinitiative. Die Piratenpartei hat’s explizit in ihr Programm aufgenommen – jene Partei, die uns auf unserem 50-jährigem Jubiläum als Ideenlieferant für ihre eigenen Ziele lobte. In weiteren Parteien wird das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert.
Auf dem Frankfurter Kongreß „60 Jahre Grundgesetz – mehr Demokratie wagen!“ wurde der Vortrag von Dr. Sascha Liebermann von der „Initative Freiheit statt Vollbeschäftigung“ über das bedingungslose Grundeinkommen am meisten beachtet. Die Frankfurter Rundschau brachte einen vierspaltigen Artikel zum Kongreß.

Der OV Frankfurt setzte die Debatte über dieses innovative Konzept fort: zu unserer kontroversen Podiumsdiskussion war der Club Voltaire überfüllt. Auf dem Podium: Axel Gerntke, Ressortleiter Allgemeine Sozial- & Arbeitsmarktpolitik beim Vorstand der IG Metall und dezidierter Gegner eines bGE – in intensiver Debatte mit Dr. Sascha Liebermann. Die spannende Diskussion verfolgte übrigens Ulrich Wilken, MdL und Landesvorsitzender der Linken, meldete sich aus dem Publikum zu Wort. Unser Bundesvorstandsmitglied Jutta Roitsch-Wittkowsky fehlte leider nicht nur hier.

Wie gesagt: die Diskussion zum bedingungslosen Grundeinkommen kann und soll kontrovers geführt werden – aber ein so zentrales Thema angesichts der Diskussion in der HU und in ihr nahestehenden Organisationen einfach zu ignorieren, ist dem Ressort unangemessen.

Fehlen zentraler Debatten – 2. GerDiA

Allein bei Caritas und Diakonie arbeiten 950.000 Menschen (Carsten Frerk: Caritas und Diakonie in Deutschland). Ganz zentrale Arbeitnehmer/innenrechte werden ihnen vorenthalten. Auf der Berliner DK hatte Till Müller-Heidelberg auf manche Mißstände hingewiesen. Die GerDiA-Kampagne ist angelaufen: Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz. Und im Programm der Ressortverantwortlichen für „soziale Grundrechte“? Kein Wort, nicht mal ein Querverweis auf die Notiz in Hannes Haupts Ressort „Staat – Religion – Weltanschauung“. Ist ressortübergreifende Kooperation ein Fremdwort?

Das „Arbeits“programm

Stattdessen umständliche Ausführungen, dass „eine Humanistische Union … ihren Platz suchen müsse“ (Mitteilungen 215 / 216, S. 30). Die Formulierungen sind wolkig – aber ein Arbeitsprogramm? „ist bisher nicht ausgelotet“ (S. 31). Der Hinweis auf Geschlechterdifferenzen wird weitschweifig vorgetragen: „das Material für diese Bilanz liegt in einer kaum noch überschaubaren Fülle vor“, S. 31 – mit vielen Verweisen. Doch folgt daraus ein Aktionsprogramm? Neue Forderungen oder Aktualisierungen von alten, uneingelösten Forderungen? Ein bißchen mehr als „diese Forschungs- und Berichtsergebnisse … zu sichten und zu bewerten“?

Wer konkrete Kritik an konkreten Verhältnissen formulieren will, konkrete Verbesserungen im Sinne der Menschen- und Bürgerrechte (z.B. dem UN-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von Dezember 1966) anstrebt: der formuliert ein Arbeitsprogramm anders.

Peter Menne
Vorsitzender des OV Frankfurt

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