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Was ein evange­li­scher Bischof über die Humanis­ti­sche Union weiß

19. Juni 2015

aus: HU-Mitteilungen Nr. 226 (2/2015), S. 4/5

Anlässlich der 60. Wiederkehr des Inkrafttretens des Loccumer Vertrages zwischen dem Land Niedersachsen und den fünf niedersächsischen Landeskirchen haben Politik und Kirche diesen Vertrag erwartungsgemäß gelobt. Ministerpräsident Stephan Weil: „Was ich in der Retrospektive besonders schön finde: Er war so erfolgreich, dass er inzwischen nur noch geliebt wird.“ Ganz lieblos löckte aber wider den Stachel die Humanistische Union am 17. März 2015 mit einer Pressemitteilung unter der Überschrift „60 Jahre Loccumer Vertrag – Humanistische Union fordert Beendigung von Kirchenprivilegien“.

Das Presseecho darauf war zwar gering, aber immerhin berichtet die TAZ, Ausgabe Nord, am 2.4.2015 relativ ausführlich unter dem Titel „Freidenker gegen Privilegien“. Zuvor hatte die Redakteurin telefonisch bei der HU wie bei der Evangelisch-lutherischen Kirche Hannovers recherchiert. Dabei standen im Mittelpunkt naturgemäß neben dem von der HU seit langem kritisierten staatlichen Einzug der Kirchensteuer die Staatsleistungen der Länder an die Kirchen. Auf diese „vertragliche Verpflichtung“ des Staates will der hannoversche Landesbischof Ralf Meister laut TAZ nicht „verzichten“. Zur HU-Forderung nach Beendigung der Zahlungen äußerte er sich wie folgt: „Überhaupt versteht Meister nicht, warum die Humanistische Union gerade auf diesen Aspekt  des Loccumer Vertrages so unnachgiebig pocht. Die Bürgerrechtsvereinigung erhalte selbst Geld vom Lande – 240.000 Euro jährlich wegen ihrer Verfolgung im Nationalsozialismus.

Dass sich jemand so krachend verfehlt über die HU äußert, ist denn doch bemerkenswert. Weder konnte die 1961 gegründete Humanistische Union  in nationalsozialistischer Zeit verfolgt werden noch hat die HU jemals eine Pfennig oder einen Cent Staatsknete erhalten oder auch nur beantragt. Aber die Diffamierung der Humanistischen Union ist glänzend gelungen, nach dem Motto: „Die größten Kritiker der Elche sind bekanntlich selber welche“.

Die TAZ stellte den Sachverhalt alsbald durch Abdruck eines Leserbriefes richtig. Der umgehend von uns angemailte Bischof ließ nach einigen Tagen durch den Pressesprecher mitteilen: „Landesbischof Ralf Meister … lässt Sie herzlich grüßen und bedauert den Fehler außerordentlich! Sie haben selbstverständlich Recht – es ist eine Verwechslung von Humanistischer Union und Humanistischem Verband.“

War‘s das? Ja. War’s der Bischof, waren es seine Leute? Beides gleich schlimm. Bereits im Jahr 2012 hatte der juristische Vizepräsident des Landeskirchenamts sich diffamierend über die HU geäußert, indem er ihr in Sachen Staatsleistungen folgende frei erfundene Aussage unterstellte: „Die Kirchen plündern Staat und Gesellschaft  für ihre Zwecke aus und können den Hals nicht voll kriegen.“ Der Aufforderung, die entsprechende Äußerung zurückzunehmen kam die hannoversche Landeskirche ebenso wenig nach, wie sie das seinerzeitige Angebot annahm, eine Diskussion in der Sache zu führen. Jetzt ist dem Landesbischof angeboten worden: die HU nimmt an dem Festakt mit der niedersächsischen Landesregierung anlässlich des 60. Bestehens des Loccumer Vertrags teil und spricht dort mit den Beteiligten (Landeskirche, Landesregierung) über Staatskirchenverträge, insbesondere über die Staatsleistungen und die Notwendigkeit, sie abzulösen. Darauf, dass auch dieses Angebot nicht angenommen wird, kann man wetten. (Wenn es anders kommt,  werde ich mich zerknirscht bei der Hannoverschen Landeskirche entschuldigen).

Was lehrt dieser Vorgang? Erstens: Die (evangelische) Kirche hat keine Ahnung. Zweitens: Die (evangelische) Kirche drückt sich kontinuierlich vor einer für sie heiklen Diskussion. Drittens: die Namensähnlichkeit von Humanistischer Union (weltanschauungsneutral, nimmt keine Staatsknete) und Humanistischem Verband Deutschlands (Weltanschauungsvereinigung, nimmt gerne Staatsknete) hängt wie ein Mühlstein um unseren Hals.

Johann-Albrecht Haupt

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