Themen / Bioethik

Vorläufiges Ende einer 10jährigen Irrfahrt

07. Mai 2021

Der 124. Ärztetag hat am 5.Mai das Verbot der ärztlichen Suizidassistenz aus der Musterberufsordnung (MBO) für Ärzte gestrichen

Rosemarie Will

Seitdem Ärzten die Suizidassistenz berufsrechtlich verboten wurde, hat die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union vielfach dagegen protestiert. Wir halten eine ärztliche Begleitung und Beratung beim Suizid nicht nur für wünschenswert, sondern für unerlässlich. Nur mit Hilfe von Ärzten kann dem Lebensschutz einerseits und der Absicherung des freiverantwortlichen, selbstbestimmten Entschlusses des Suizidenten anderseits wirklich Genüge getan werden. Die Mitwirkung von Ärzten am freiverantwortlichen Suizid ist zudem vom Grundgesetz als Teil ihrer verfassungsrechtlichen Freiheit verbürgt und kann deshalb nicht berufsrechtlich verboten werden.
Im Jahre 2011 wurde in § 16 Satz 3 MBO geregelt, dass Ärzte keine Hilfe zur Selbsttötung leisen dürfen. 10 der 17 Landesärztekammern haben dieses Verbot verbindlich in ihre Satzungen übernommen. Wir haben auf die Verfassungswidrigkeit eines solchen berufsrechtlichen Verbots nachdrücklich hingewiesen.
Bereits 2007 haben wir im grundsätzlichen Streit um berufsrechtliche Sanktionen gegen Ärzten, die Sterbehilfe leisten, Partei für Uwe Christian Arnold ergriffen, den bekanntesten ärztlichen Sterbehelfer in Deutschland. Damals hatte die Berliner Ärztekammer Arnold untersagt, einer Patientin tödliche Medikamente für deren beabsichtigten Suizid zu überlassen.
Als im April 2012 Uwe Christian Arnold seinen Rechtsstreit vor dem Berliner Verwaltungsgericht dann gewann, war auch gerichtlich festgestellt, dass die Ärztekammern kein uneingeschränktes Verbot des ärztlich assistierten Suizids aussprechen dürfen. Gleichwohl hat die Bundesärztekammer am Verbot der Suizidassistenz für Ärzte festgehalten. Erst unter dem Druck der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Aufhebung von §217 StGB vom 22. Februar letzten Jahres hat jetzt die Bundesärztekammer das Verbot aus der MBO gestrichen. Das Bundesverfassungsgericht hatte festgestellt, dass zum Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch die Freiheit jedes und jeder Einzelnen gehört, Suizidhilfe bei fachkundigen kompetenten Dritten zu suchen, um den Suizid schmerzfrei und sicher umzusetzen. Mit Blick auf das berufsrechtliche Verbot hatte das BVerfG davon gesprochen, dass es nicht angeht, dass das ärztliche Berufsrecht die ärztliche Suizidhilfe geografischen Zufälligkeiten unterstelle und dass Ärzte, für die ein berufsrechtliches Verbot gelte, gezwungen seien, sich eigenmächtig unter Berufung auf ihre eigene verfassungsrechtliche Freiheit darüber hinwegzusetzen.
Jetzt, nachdem der Ärztetag die Streichung aus der Musterberufsordnung beschlossen hat, geht es nicht nur darum, dass die Landesärztekammern die geltenden Verbote aufheben, sondern es geht darum, dass die Ärzte ein Konzept diskutieren, mit dem sie die ihnen adäquate Rolle beim assistierten Suizid finden. Prof. Dr. Rosemarie Will, Mitglied des Bundesvorstandes der Humanistischen Union, sagte zu den Ergebnissen des Ärztetages: „Erforderlich ist mehr als nur die Aufhebung des berufsrechtlichen Verbots. In der bevorstehenden Neuregelung zum assistierten Suizid geht es um Regelungen zur Mitwirkung von Ärzten, die die Einbeziehung ihrer Fachkompetenz sicherstellen. Alle Feststellungen auf dem Ärztetag, die klar benennen, dass der Wunsch zu sterben aus einer Vielzahl von einzeln zu gewichtenden Gründen erwachsen kann, von denen Krankheit nur einer ist, die aber gleichwohl davon ausgehen, dass das vertrauensvolle und wertschätzende Gespräch über diesen Wunsch zum Kern ärztlicher Tätigkeit gehört, haben unsere volle bürgerrechtliche Unterstützung.“

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