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Staats­leis­tungen an die Kirchen - Humanis­ti­sche Union: Das muss jetzt endlich aufhören!

02. November 2020

Seit vielen Jahren erhebt die Bürgerrechtsvereinigung Humanistische Union (HU) die Forderung, die Staatsleistungen der Länder (außer Bremen und Hamburg) an die Kirchen zu beenden. Aus Anlass der ersten Lesung eines Gesetzentwurfs der Oppositionsfraktionen FDP, Grüne und Linke zur Ablösung der Staatsleistungen im Bundestag am kommenden Donnerstag (5. November) hat die HU erneut darauf hingewiesen, dass die deutsche Verfassung die Ablösung seit mehr als 100 Jahren verlangt und dass Bund und Länder den Verfassungsauftrag ebenso lange ohne sachlichen Grund missachten.

Daher begrüßt die HU im Prinzip den Vorstoß der Oppositionsfraktionen. Allerdings ist nach Auffassung der HU der Vorschlag der Sache nach völlig inakzeptabel. Er sieht vor, dass die Kirchen von den Ländern das 18,6-fache der heutigen Staatsleistungen (rd. 570 Millionen Euro), also 10,6 Milliarden Euro als Entschädigung erhalten. Zusätzlich sollen die Länder bis zur vollständigen Ablösung der Staatsleistungen, für die sie 20 Jahre Zeit haben, die bisherigen Staatsleistungen weiter zahlen. In dieser Zeit könnten die Kirchen daher noch einmal 20 mal 570 Millionen Euro, also weitere 11,6 Milliarden Euro erhalten. Dabei sind die in diesem Zeitraum zu erwartenden Steigerungen nach Maßgabe der Entwicklung der Beamtenbesoldung noch nicht einmal berücksichtigt. Der Gesetzentwurf verheißt den Kirchen damit mindestens 22 Milliarden Euro als Entschädigung. Dieses Geld soll von allen steuerzahlenden Bürger*innen ungeachtet ihrer Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft aufgebracht werden.

Rechtsgrund der Staatsleistungen sind alte Rechtstitel aus der Zeit vor 1919, die – von den Kirchen dem Grunde und der Höhe nach nie nachgewiesen – angeblich aus der Zeit der Reformation und dem Beginn des 19.Jahrhunderts stammen und dem Ausgleich für Enteignungen kirchlichen Vermögens durch den Staat dienen sollen. Selbst wenn diese staatliche Religionsfürsorge bis zur Revolution von 1919, dem Ende der Monarchie und der Trennung von Staat und Kirche ihre Berechtigung gehabt haben sollte, besteht ein solcher Sachgrund nach Auffassung der Humanistischen Union heute nicht mehr. Die Kirchen sind erkennbar finanziell abgesichert durch die seit 1919 verfassungsmäßig garantierte Besteuerung ihrer Mitglieder. Das Aufkommen aus der Kirchensteuer betrug im vergangenen Jahr 12,7 Milliarden Euro. Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche sind reich begütert durch Immobilien- und Finanzvermögen. Vor allem hat die öffentliche Hand durch die über 100 Jahre währende Zahlung von Staatsleistungen den Kirchen inzwischen weit mehr gewährt als jeder anderen Menschengruppe, die materielle Verluste durch Krieg, Vertreibung, Verfolgung, Revolution, Zerstörung, Inflation erlitten hat. „Das Grundsätzegesetz über die Ablösung der Staatsleistungen sollte daher unserer Auffassung nach im Kern die Aussage enthalten, dass die Ablösung als erfolgt gilt durch staatliche Zahlung seit Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung“, so Prof. Dr. Kirsten Wiese vom Vorstand der Humanistischen Union.

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