Pressemeldungen / Corona

Die Politik schafft sich ihre Gegner selbst

Wie verteidigen wir das Grundgesetz gegen seine Verteidiger?

Mit Entsetzen musste die Humanistische Union feststellen, für was das Grundgesetz am kommenden Wochenende in Berlin herhalten muss. Zu der Demonstration „Wir für das Grundgesetz“ rufen nicht nur Corona-Leugner und Verschwörungstheoretiker jeglicher Couleur, sondern auch Rechtsradikale auf. Ihre Aufrufe gelten nur vordergründig dem Schutz des Grundgesetzes, vor allem zielen sie darauf ab, Stimmung gegen die Bundesregierung und eine pluralistische Gesellschaft zu machen.

Die Politik hat sich das Erstarken dieser Gegner der Pandemie-Gesetze und -Verordnungen zu weiten Teilen selbst zuzuschreiben. Wenn die Exekutive Übergewicht erhält, Bewegungs- und Versammlungsfreiheit aus Pandemie-Gründen eingeschränkt werden, wenn nicht mehr politisch argumentiert, sondern von Alternativlosigkeit gesprochen wird (wie es schon seit Jahren der Fall ist), dann schadet das dem politischen Diskurs und der Demokratie. Wenn Diskussionen erstickt werden und die Orte des demokratischen Diskurses geschlossen sind, dann gärt es in der Meinungsblase.

Als Deutschlands älteste Bürgerrechtsorganisation setzt sich die Humanistische Union e.V. seit nunmehr fast sechzig Jahren ein für den  Schutz der Grundrechte und für das Grundgesetz. Mit Erstaunen erleben wir in diesen Tagen eine neue, ungeahnte Popularität des Grundgesetzes. Diese Entwicklung sehen wir nicht nur mit Freude, sondern auch mit Sorge. Das Grundgesetz kann und darf nicht einseitig vereinnahmt werden.

Wir brauchen mehr Engagement, mehr Zivil­ge­sell­schaft, mehr Diskussion.

In diesen Zeiten sind Vereine und Initiativen wichtiger denn je. Die Diskussion um die Corona-App und damit verbundene Datenschutzprobleme z.B. hat gezeigt, wie wertvoll die Beteiligung der Zivilgesellschaft ist und welche legitimatorische Kraft daraus erwachsen kann.

„Vereine und Stiftungen – und also die Zivilgesellschaft an sich – sind systemrelevant“, betont Werner Koep-Kerstin, Bundesvorsitzender der Humanistischen Union. Demokratie und Zivilgesellschaft sind auch notwendig für das Aushandeln der Verhältnismäßigkeit bei den Corona-Maßnahmen. Durch stärkeres Einbinden der Zivilgesellschaft kann Vertrauen gestärkt und die Anfälligkeit für Verschwörungstheorien verringert werden. Wir müssen Orte und Strukturen schützen, in denen diskutiert werden kann. Wir brauchen gerade jetzt keine Einschränkung und Verunsicherung durch die Aberkennung der Gemeinnützigkeit vieler Vereine. Auch die finanziellen Folgen der Pandemie für die Zivilgesellschaft  müssen abfangen werden: „Wir brauchen einen Schutzschirm für NGOs“, so Koep-Kerstin.

Es gibt ein Leben nach der Pandemie – und dann müssen die Grundrechte immer noch verteidigt werden.

Vielen ist jetzt erst die zentrale Bedeutung der Grundrechte für unsere Republik, aber auch für das jeweils eigene Leben deutlich geworden. Dieses neue Bewusstsein muss genutzt werden, um die Grundrechte auch in Zukunft zu verteidigen. Die Grundrechte müssen aber nicht nur den Regierenden gegenüber verteidigt werden, sondern auch gegen die, die sie lediglich als Alibi oder Waffe verwenden. „Auch dafür brauchen wir eine starke Zivilgesellschaft“, stellt Koep-Kerstin fest und erläutert die Forderungen der Humanistischen Union:

  • Wir brauchen mehr demokratisches Engagement, mehr Zivilgesellschaft, mehr Diskussion. Vereine und Stiftungen, die Zivilgesellschaft an sich, sind systemrelevant.
  • Es gab und gibt erhebliche Defizite bei der parlamentarischen Mitwirkung bei staatlichen Pandemie-Maßnahmen, die Dominanz der Exekutive ist offensichtlich. Politische Entscheidungen müssen aber transparent vorbereitet und getroffen werden; wissenschaftliche Erkenntnisse sind dafür die Grundlage, dürfen aber die Entscheidungen nicht determinieren. Es gibt keine alternativlosen Entscheidungen. Nur so können die notwendige Akzeptanz einschneidender Maßnahmen bei Bürgerinnen und Bürgern gewährleistet und demokratiefeindliche Radikalisierungen eingehegt werden.

Die Positionen der Humanistischen Union zu den Corona-Maßnahmen sind hier nachzulesen.

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