Themen / Innere Sicherheit

Lange Liste handwerk­li­cher Fehler im Antiter­ror­da­tei­ge­setz - aber den System­fehler leider übersehen

24. April 2013

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: Humanistische Union sieht wesentliche Fragen des Informationsaustauschs zwischen Polizei und Geheimdiensten weiterhin als ungelöst

Die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum sog. Antiterrordateigesetz (1 BvR 1215/07) attestiert dem Bundesgesetzgeber einmal mehr verfassungswidriges Handeln im Kampf gegen vermeintliche Terroristen. Das Gericht hat mit seiner Entscheidung den Kreis der erfassten Personen, den Austausch besonders sensibler Informationen (aus Telekommunikations-Überwachung und Lauschangriffen) sowie die zugriffsberechtigten Behörden stark begrenzt. Zudem wurden die freie Suche in den Datenbeständen („Inverssuche“) beschränkt, die Sicherheitsbehörden zur Veröffentlichung weiterer Merkmalskataloge der gespeicherten Daten verpflichtet und die Kontrollbefugnisse der Datenschutzbeauftragten gestärkt.

Die Humanistische Union ist trotz der umfangreichen Kritik an den verfassungswidrigen Regelungen von der Karlsruher Entscheidung enttäuscht. Die Bürgerrechtsorganisation war in der mündlichen Verhandlung als Sachverständige geladen. Nach Einschätzung ihres amtierenden Vorsitzenden, Werner Koep-Kerstin, ist das Gericht der zentralen Frage des Verfahrens ausgewichen: „Die Richterinnen und Richter haben in ihrer Entscheidung noch einmal betont, dass Polizei und Geheimdienste unterschiedliche operative Aufgaben verfolgen, ihre Informationsverarbeitung einer gegensätzlichen Logik gehorchen. Wie dies in einer gemeinsamen Zentraldatei verbunden werden kann, ohne dass es zu rechtsstaatlich fragwürdigen Datenübermittlungen und Befugniserweiterungen kommt – eine Antwort auf diese Frage blieb das Gericht leider schuldig.“ Während der Verhandlung zur heute entschiedenen Verfassungsbeschwerde war bekannt geworden, dass die meisten Abfragen an die Antiterrordatei von Polizeibehörden gestellt werden. Diese erhalten so Zugriff auf geheimdienstlich erlangte Informationen, die sich im Gegensatz zu den sonstigen von der Polizei erhobenen Daten einer gerichtlichen Überprüfung und Bewertung weitgehend entziehen, weil sie oft vage sind und aus unbelegten Quellen stammen. Solche „Informationen“ dürfen bisher aus gutem Grund nicht für weitere eingriffsintensive Maßnahmen der Polizeibehörden herangezogen werden.

Für Werner Koep-Kerstin steht daher fest: „Im Zeitalter digitaler Ermittlungen reicht es längst nicht mehr aus, allein die Aufgaben und Befugnisse von Polizei und Geheimdiensten sauber zu trennen. Ermittlungsarbeit stützt sich heutzutage immer mehr auf die Gewinnung, Verarbeitung und den Austausch von Informationen zwischen den verschiedenen Sicherheitsbehörden. Deshalb wäre es an der Zeit, das Trennungsgebot auf der informationellen Ebene umzusetzen. Das haben die Karlsruher Richter mit Ihrer heutigen Entscheidung leider versäumt.“ Die Dringlichkeit einer grundsätzlichen Klärung dieser Fragen ergibt sich nach Ansicht der Humanistischen Union bereits daraus, dass seit letztem Jahr mit der Rechtsextremismus-Datei eine nahezu identische Kopie der Antiterrordatei in Betrieb genommen worden sei, die nun ebenfalls überarbeitet werden müsse.

Für Rückfragen steht Ihnen der Geschäftsführer der Humanistischen Union, Sven Lüders, unter Tel. 030 / 204 502 56 zur Verfügung.

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Entscheidung des BVerfG vom 24.4.2013

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