Themen / Rechtspolitik

Bürger­rechtler warnen vor Rechts­schutz­ver­kür­zung

08. August 2000

Humanistische Union zur ZPO-Novelle

Als unnötige Rechtsverkürzung kritisiert die HUMANISTISCHE UNION (HU) Pläne des Justizministeriums zur Änderung der Zivilprozessordnung (ZPO). Nachdem ein erster Entwurf zurückgezogen und nachgebessert werden musste, stößt auch der nun vom Ministerium vorgelegte zweite Entwurf auf breite Kritik.

Deutschlands älteste Bürgerrechtsorganisation lehnt auch diesen zweiten Entwurf als rechtsstaatlich bedenklich ab. Auch dieser Entwurf drohe als formalistischer Etikettenschwindel mehr zu schaden als zu nützen. Eine klare inhaltliche Linie sei darin ohnehin nicht mehr erkennbar. Besonders kritisieren die Bürgerrechtler die Absicht der rot-grünen Bundesregierung, die – auch unter dem Gesichtspunkt von Kosten-einsparungen völlig ineffektive – Reform als „bürgerfreundlich“ verkaufen zu wollen. Die vorgesehenen Rationalisierungsmaßnahmen führten vielmehr zu unkontrollierbaren Rechtsschutzverkürzungen für die Bürger.

Die nach wie vor drohende Abschaffung einer Überprüfung von Tatsachen durch eine Berufungsinstanz erlaube keine Korrektur von fehlerhafter Sachverhaltsermittlungen in der ersten Instanz.
Die geplante Konzentration aller Berufungsverfahren bei den Oberlandesgerichten bedeute für viele Bürger in Flächenstaaten schlicht nur längere Anfahrtswege.

Ein Verfahren in fremder Umgebung aber erhöhe nur Kosten und die ohnehin schon bestehenden Ängste und Ohnmachtsgefühle der Bürger vor einer oft intransparenten Justizbürokratie.
Wenn jetzt am Landgericht nur noch ein einziger – fehlbarer – Richter urteilen soll, wo früher drei Richter beteiligt waren, drohe die Chance auf ein richtiges Urteil weiter zu schwinden. Erst recht aber gelte das für den geplanten regelmäßigen Einsatz von Einzelrichtern in der zweiten Instanz (Berufungsinstanz). Wenn nicht einmal mehr dort ein Gremium mehrerer Richter über einen Fall berät, sei der Unterschied zur ersten Instanz für die Bürger nicht mehr erkennbar und die Akzeptanz der Entscheidungen durch die Betroffenen gefährdet.

Die Absicht der rot-grünen Koalition, den Rechtsschutz der Bürger zu verbessern, gehe auch beim Zugang zum höchsten deutschen Zivilgericht (BGH) „nach hinten los“. Zwar sei für den Zugang zum BGH nicht mehr die Höhe der Streitsumme maßgeblich; im Ergebnis liegt darin nach Auffassung der HU jedoch keine Verbesserung für die Bürger, weil dort gleichzeitig nur noch „Sachen von grundsätzlicher Bedeutung“ behandelt werden sollen. Ein schlicht rechtlich falsches Urteil soll nicht mehr vom BGH aufgehoben werden können.

Damit werde die Einzelfallgerechtigkeit formaljuristischen und abstrakten Zugangs-voraussetzungen geopfert und die dritte Instanz dient nicht mehr dem prozessierenden und um Gerechtigkeit kämpfenden Bürger, sondern dieser wird lediglich zum Instrument einer abstrakten Rechtsfortbildung.

Die Bürgerrechtsvereinigung sieht das Ziel größerer Bürgernähe und der Transparenz von Gerichtsverfahren in diesem Gesetzentwurf nicht verwirklicht. Die HU fordert deshalb, lieber keine Änderung durchzuführen als diese, da sie den Namen „Reform“ nicht verdiene.

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