Themen / Demokratisierung

Keine Schleich­wege für Parla­ments­gelder!

24. Juli 2000

HU kritisiert Äußerungen zu Verfassungsgerichtsurteil

Als „skandalösen Ausdruck eines arroganten Verfassungsverständnisses“ kritisiert die HUMANISTISCHE UNION (HU) Äußerungen mehrerer Parlamentarier zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Freitag (21. Juli). Unter Leitung der Gerichtspräsidentin Jutta Limbach hatte der 2. Senat besondere Zulagen an stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Fraktionsgeschäftsführer und Ausschussvorsitzende für verfassungswidrig erklärt. Dennoch wollen verschiedene Parlamentarier an diesem „Leistungslohn“ festhalten.

Eine Zahlung von Zulagen aus Fraktionsgeldern – so ihre Rechtfertigung – sei vom Gericht nicht verboten worden. Deshalb werde sich für Funktionsträger von Parlamentsfraktionen in Bund und Ländern finanziell nichts ändern.

Gegen diese „Umwegfinanzierung“ erhebt die HUMANISTISCHE UNION schwerwiegende Bedenken. Das Gericht hatte in seinem Urteil ausdrücklich festgestellt, dass es keine Abgeordneten-Hierarchien geben darf. Das Grundgesetz legt fest, dass die Parlamentarier frei und gleich sind; demnach dürfe es auch keine unterschiedliche Entlohnung für unterschiedliche Leistungen geben. Die HU teilt die Befürchtungen des Gerichts, solche Zulagen könnten eine sachfremde Motivation für Aktivitäten von Abgeordneten darstellen.

Die vom HU-Bundesvorsitzenden Dr. Till Müller-Heidelberg vor dem höchsten deutschen Gericht anwaltlich vertretene Organklage der ehemaligen Thüringer Landtagsabgeordneten Matthias Büchner und Siegfried Geißler hatte zu Recht kritisiert, dass bundesdeutsche Parlamentarier mit leistungsbezogenen Zulagen permanent gegen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung verstoßen. „Wenn nun der Schleichweg einer Finanzierung über die Fraktionskassen eingeschlagen wird, dann ignorieren Abgeordnete“ nach Auffassung des HU-Pressesprechers Franz-Josef Hanke „die wohlbegründete Entscheidung eines Verfassungsorgans, um sich ihre Taschen auf Kosten der Steuerzahler vollzustopfen.“

Die HU gönnt Abgeordneten durchaus eine angemessene Bezahlung ihrer schweren Arbeit zum Wohle des Gemeinwesens. Diese Bezahlung dürfe aber keine Klassenunterschiede im Parlament aufbauen. Gerade das wolle das Verfassungsgerichtsurteil verhindern. Dabei sei es völlig unerheblich, über welche Wege die Gelder den Abgeordneten zuflössen.

Ausnahmen hatte das Bundesverfassungsgericht lediglich für die Fraktionsvorsitzenden und Mitglieder der Parlamentspräsidien zugelassen. Wenn andere Funktionsträger auch weiterhin erhöhte Aufwandsentschädigungen beziehen, dann ist das nach Auffassung der HU ein glatter Verfassungsbruch.

„Die Wählerinnen und Wähler sollten ihre Abgeordneten nach deren Einkünften fragen“, schlägt der HU-Pressesprecher vor. Am besten wäre angesichts der erschreckenden Erfahrungen mit dem Umgang von Parteien und Politikern mit ihrer Finanzierung nach Hankes Ansicht ohnehin, dass alle Parteien und Parlamentsmitglieder ihre Einkünfte offenlegen.

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