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Schein­hei­lige und selbst­ge­rechte Scharf­ma­cherei

13. Juli 2000

HU weist konservative Kritik an „Schwulen-Ehe“ zurück

Unterstellungen gegen das geplante Gesetz zu den eingetragenen Partnerschaften weist die älteste bundesdeutsche Bürgerrechtsorganisation zurück. Das Gesetz geht der HUMANISTISCHEN UNION (HU) zwar an bestimmten Punkten, zum Beispiel beim Adoptionsrecht, nicht weit genug; es ist jedoch ein erster Schritt, der gegen die Angriffe reaktionärer Eiferer mit Nachdruck und Entschiedenheit zu verteidigen ist.

Auf der Grundlage des nun durchgesetzten Entwurfs kann dann auch über weitere Verbesserungen wie auch über notwendige Veränderungen des überkommenen Familienrechts diskutiert werden. Kritik gegen die eingetragene Partnerschaft wegen angeblicher Verfassungswidrigkeit offenbart ein bedenkliches Unvermögen, gesellschaftliche Entwicklungen zu begreifen und dem grundgesetzlichen Auftrag zum Abbau von Diskriminierungen Rechnung zu tragen. Die Eingetragene Partnerschaft benachteiligt keine Ehe und keine Familie. Edmund Stoiber und Johannes Dyba verwechseln das Förderungsgebot für Ehe und Familie in Artikel 6 des Grundgesetzes mit einem Diskriminierungsgebot gegen andere Lebensformen.

Die verfassungsrechtlichen Einwände von Union, Katholischer Kirche und Teilen der Evangelischen Kirchen gegen die Eingetragene Partnerschaft sind nach Auffassung der HU juristisch abwegig. Mit Recht verweisen die beiden rechtspolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen Alfred Hartenbach und Volker Beck auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1993. Das Gericht hatte seinerzeit darauf hingewiesen, dass aus der fehlenden rechtlichen Absicherung „vielfältige Behinderungen“ der „privaten Lebensgestaltung“ resultieren. Dies werfe die Frage auf nach Vereinbarkeit des derzeitigen Rechtszustandes mit den Grundgesetzartikeln 2 I (Freie Entfaltung der Persönlichkeit) in Verbindung mit Artikel 1 I (Schutz der Menschenwürde) und Artikel 3 I (Gleichheit vor dem Gesetz).

Die Eingetragene Partnerschaft vermindert Benachteiligungen homosexueller Paare bei der privaten Lebensgestaltung und erfüllt insofern einen Auftrag der Verfassung. Der grundgesetzliche Schutz von Ehe und Familie wird durch die Eingetragene Partnerschaft nicht berührt. Die Chancen einer Normenkontrollklage durch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion oder die bayerische Staatsregierung bewertet die HU als „sehr gering“. Unverständlich sei es, wenn der Bundesinnenminister dennoch entsprechende verfassungsrechtliche Bedenken öffentlich äußert.

Empört ist die HU über den jüngsten Ausfall von Bischof Dyba im SPIEGEL, das Gesetz sei „ein weiterer Schritt in die Degeneration“. Mit solchen Äußerungen offenbare Dyba eine verkrampfte Abwehr selbst vorsichtiger Schritte einer Anerkennung der realen gesellschaftlichen Vielfalt und damit auch die Unhaltbarkeit eines Militärbischofs Dyba. Die Forderung von Guido Westerwelle, Dyba von diesem öffentlichen Amt zu entbinden, wird von der HU schon lange nachdrücklich unterstützt.

„Die konservativen Widerstände gegen eine Gleichstellung Homosexueller dürfen ihr Ziel nicht erreichen“ erklärt die HUMANISTISCHE UNION. „Scheitert dieses Gesetz, droht ein Stillstand beim Abbau der Diskriminierung von Schwulen und Lesben. Weit über seinen unmittelbaren Regelungsgegenstand hinaus ist dieses Vorhaben ein Gradmesser für die Reformfähigkeit dieser Gesellschaft.“

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