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Kunden zahlen für Überwachung selbst. Folgen des Telekom­mu­ni­ka­ti­ons­-U­ber­wa­chungs­ge­setzes bleiben beim Gesetzgeber außer Acht

09. November 2007

Neues Deutschland, 9.11.2007, S. 2

… Dem Gesetz wird die »größte Verfassungsbeschwerde in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland« folgen, das ist schon versprochen. Der »Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung« hat die Vollmachten von rund 7000 Bürgern in der Tasche, um sich beim Bundesverfassungsgericht gegen das Gesetz zu wenden. Doch zu verhindern ist das Gesetz nun nicht mehr. Dabei sind es geradezu schaurige Aussichten, die erkennbar werden. Und die Sicherheitsbehörden, die der Bevölkerung einen noch besseren Schutz vor den Plänen böser Buben versprechen, nutzen die Kompliziertheit des Themas, um Kritiker – betroffen ist ja die gesamte Bevölkerung – im Ungewissen zu halten.

… Schon die jetzige Gesetzeslage lässt den Behörden nahezu freie Hand unterhalb der Schwelle einer flächendeckenden Datenüberwachung. Im letzten Jahr wurden laut Bundesnetzagentur 35 816 Mobiltelefone und 5099 Festnetzanschlüsse überwacht, zudem lasen die Ermittler 473 E-Mail-Konten mit. Über den rasanten Anstieg gab im August die Telekom auf einer Datenschützerkonferenz in Kiel Auskunft. Danach wurde allein dieses Unternehmen (nur zu Festnetzanrufen, nicht Mobiltelefone) rund 27 000 Mal in Anspruch genommen, davon fast 22 000 zu entgegengenommenen Telefonaten. Letztere werden von der Telekom bisher nur drei Tage gespeichert, selbst gewählte 80 Tage – künftig generell ein halbes Jahr.

… Die Kosten sind bislang unkalkuliert. Bitkom bezifferte die Installationskosten nur für Software auf 75 Millionen Euro, die jährlichen Betriebskosten auf einen zweistelligen Millionen-Betrag. Der Gesetzgeber interessiert sich im Entwurf allein für die eigenen Kosten, die er mit einer Million Euro für Investitionen und 640 000 Euro jährlich veranschlagt – Personalkosten für vier zusätzliche Stellen in der Bundesnetzagentur. Dort werden die Anfragen der Behörden verarbeitet und weitergereicht; der Strom ist von 1,5 Millionen 2001 auf 3,6 Millionen 2006 gestiegen, was im letzten Jahr bereits 18,6 Millionen Anfragen bei Kommunikationsanbietern auslöste (3,2 Mio 2001). Im Gesetzentwurf ist keine Kostenerstattung an die Unternehmen vorgesehen – lapidar wird auf die zu erwartende Weiterleitung an Kunden verwiesen, die damit die eigene Überwachung selbst bezahlen dürfen.

… Die Humanistische Union hat die Abgeordneten deshalb aufgefordert, ihre Entscheidung zu vertagen. Das wird kaum passieren, das Ganze wird wohl wieder in Karlsruhe enden.

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