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§ 129b StGB: Neue Terroristen braucht das Land

Grundrechte-Report 2012, Seite 165

Wer a sagt, will auch b sagen: § 129a Strafgesetzbuch (StGB), Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, wurde im deutschen Herbst gegen die RAF installiert, im Zuge der Globalisierung kam dann ‚endlich‘ nach dem 11. September auch der § 129b ins Spiel. Er erweitert die Geltung des § 129a (und des § 129) auf ausländische Organisationen, das heißt in Deutschland können nun auch Mitglieder ausländischer terroristischer (und krimineller) Vereinigungen verfolgt werden.

Aber: Wann ist eine ausländische Organisation eine terroristische Vereinigung? Wer legt das fest? Wo findet man die Koordinaten dafür? In Anlehnung an die – in mehrfacher Hinsicht willkürliche – EU-Terrorliste (vgl. Carsten Gericke, Grundrechte-Report 2011, S. 159 ff.)? Ist die Hamas terroristisch und wer bestimmt das? Israel oder die Fatah? Knifflige Beispiele sind leicht zu (er)finden: Sind CIA- Mitarbeiter als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu verfolgen, wenn sie die Taliban in Afghanistan unterstützt haben, als diese zur Zeit der sowjetischen Besatzung noch vom Westen als Speerspitze gegen den Kommunismus gehätschelt und aufgerüstet wurden? (vgl. auch Heiner Busch, Grundrechte-Report 2003, S. 153 ff.).

§ 129b bestimmt in seinem Absatz 1 Satz 3, dass der Bundesminister der Justiz zur Strafverfolgung ausländischer Organisationen vorab eine besondere Ermächtigung erteilen muss. Damit lassen sich die obigen Zweifelsfragen dann nach außenpolitischem Gusto lösen. So nimmt es nicht wunder, dass in den letzten Jahren z. B. die Hamas Gegenstand eines Strafverfahrens war, ebenso natürlich Al Qaida, aber auch die Salafisten (vgl. H.-Eberhard Schultz in diesem Report S. 104 ff.) und die türkische DHKP-C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front).

BGH nimmt Neube­wer­tung der PKK vor

Letztlich muss natürlich das jeweils zuständige Oberlandesgericht (OLG) selbst klären, ob eine Gruppierung eine terroristische Vereinigung ist, aber mit der ministeriellen Ermächtigung sind doch wesentliche Weichen gestellt. Vor allem, wenn sie nicht erteilt wird: Dann findet keine Strafverfolgung statt – denkt man, doch es geht auch anders, wie ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zeigt, das im Januar 2011 vorlag. Der BGH stellt die Weichen gern selbst und ergriff in einem Revisionsverfahren gegen einen kurdischen Angeklagten die Gelegenheit beim Schopf: Der politisch für die PKK bzw. ihre Nachfolgeorganisationen KADEK/KONGRA-GEL tätige Kurde war in erster Instanz vom OLG Frankfurt/Main, wie seit vielen Jahren üblich, wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden, § 129 StGB. Dabei wird üblicherweise unterstellt, dass eine in und für Deutschland hierarchisch organisierte Funktionärskaste innerhalb der PKK eine kriminelle (Teil )Vereinigung darstellt. Der BGH meint nun, dass die PKK an sich (in der Türkei) eine ausländische terroristische Vereinigung ist und damit jede unterstützende Aktivität (auch) in Deutschland eine Strafbarkeit nach § 129b nach sich zieht. Er erklärt auch gleich die bisher geltende Unterscheidung zwischen exponierten Kadern und einfachen Mitgliedern für überholt und nimmt dabei explizit Bezug auf die EU-Terrorliste, die ja auch keinen Unterschied mache, sondern „die PKK“ auf den Index gesetzt habe.

Der BGH forderte die ministerielle Ermächtigung zur Strafverfolgung ein und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung zurück nach Frankfurt. Inzwischen liegt die Ermächtigung vor und das OLG verhandelt erneut und mit neuem Ziel gegen den kurdischen Angeklagten.

Damit wurde eine grundlegende strafrechtliche Neubewertung vorgenommen. Nun laufen alle politisch aktiven kurdischen Menschen Gefahr, über § 129b wieder als Terroristen nach § 129a verfolgt zu werden, weil die Auslandsorganisation als terroristische und nicht nur kriminelle Vereinigung eingestuft wird. Die Strafdrohung ist erheblich und beträgt bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe. Dies gilt sowohl für Mitglieder als auch für Unterstützer.

Ausweisung droht zusätzlich

Aber das ist nur die eine Seite der Medaille, die andere wiegt womöglich schwerer: Nach dem Aufenthaltsgesetz ist der Aufenthalt eines sogenannten Drittausländers in Deutschland zwingend zu beenden, wenn er zu einer Strafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurde. Das wird angesichts der genannten Strafandrohungen in § 129b der Normalfall sein. Aus früheren § 129b-Verfahren ist bekannt, dass dort üblicherweise Strafen zwischen fünf und zehn Jahren verhängt wurden.

Ist der kurdische Mensch in Deutschland bereits ansatzweise verwurzelt, hat er beispielsweise eine Niederlassungserlaubnis oder seit fünf Jahren eine Aufenthaltserlaubnis und eine Familie, wird die sogenannte Ist-Ausweisung zu einer sogenannten Regelausweisung „herabgestuft“, die Ausweisung ist „nur“ aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung möglich. Gleichzeitig legt das Gesetz aber fest, dass die Verurteilung zu mindestens drei Jahren Gefängnis „in der Regel“ bereits ein solcher schwerwiegender Grund ist, ebenso wie die – noch gegenwärtig gefährliche – Unterstützung einer Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt. Bei einer Strafe von fünf Jahren (und mehr) werden diese ‚Modifikationen‘ den betroffenen Ausländer kaum noch ‚retten‘.

Ist der kurdische Mensch ein politischer Flüchtling, kann das Asyl oder der Abschiebungsschutz widerrufen werden, wenn er aus schwerwiegenden Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland bedeutet und ein solcher Grund ist gegeben, wenn – wen wundert’s, das Gesetz ist da konsequent – der Flüchtling zu einer Strafe von mindestens drei Jahren verurteilt wurde. Die Rechtsstellung erlischt und der Flüchtling, der nun ein Terrorist ist, wird abgeschoben und in den Verfolgerstaat zurückgeschickt, es sei denn – einzige Ausnahme – ihm droht dort Folter oder unmenschliche Behandlung. Das lässt sich naturgemäß schwer belegen, aber wenn es gelingt, ist der Terrorist hinfort hier nur noch geduldet, mit den bekannten Nachteilen wie Aufenthaltsbeschränkungen, Reiseverbote, Schlusslicht auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Sönke Hilbrans, Grundrechte-Report 2010, S. 152 ff.).

Einen richtigen Teufelskreis offenbart folgende Überlegung: Hat das OLG gegen den kurdischen Flüchtling wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung verhandelt, wird es die Feststellungen zur ‚Terrorqualität‘, beispielsweise der PKK, natürlich mit beschlagenen Zeugen gefunden haben, vorliegend also mit türkischen Polizei- und Geheimdienstmitarbeitern. So haben es die früheren Verfolger mit in der Hand, nicht nur die strafrechtliche Verurteilung, sondern damit zugleich die Aufhebung des asylrechtlichen Schutzes zu erreichen. Dass solche Zeugen ‚naturgemäß‘ auch gern auf durch Folter erlangtes Wissen zurückgreifen, steht auf einem anderen Blatt, das hier nicht auch noch umgedreht werden soll.

Literatur

Bundesgerichtshof, Urteil vom 28.10.2010, Az. 3 StR 179/10

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