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Ehe = Leben­s­part­ner­schaft ungleich Familie ungleich Geschlech­ter­gleich­heit - Zum Ehegat­ten­split­ting für einge­tra­gene Leben­s­part­ner­schaften

Grundrechte-Report 2014, Seite 53

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Mai 2013 entschieden, dass es verfassungswidrig ist, wenn Ehen das Ehegattensplitting in Anspruch nehmen können, eingetragene Lebenspartnerschaften aber nicht. Das Ergebnis war zu erwarten. In den vergangenen Jahren hat das Gericht die unterschiedliche Behandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft auch bei der Hinterbliebenenversorgung, der Grundstücks-, Erbschafts- und Schenkungsteuer sowie der Beamtenbesoldung als gleichheitswidrig verworfen.

Noch 2007 hieß es in einem Kammerbeschluss zum sogenannten Familienzuschlag für verheiratete Beamte, die sexuelle Orientierung sei vom besonderen Diskriminierungsschutz in Artikel 3 Absatz 3 GG nicht erfasst und die Privilegierung der Ehe über Artikel 6 Absatz 1 GG zu rechtfertigen. Erst seit der Juli 2009 gefallenen Entscheidung zur Hinterbliebenenversorgung vertritt das BVerfG die Auffassung, dass die sexuelle Orientierung mit den in Artikel 3 Absatz 3 GG genannten besonders geschützten Kategorisierungen vergleichbar ist. Für die unterschiedliche Behandlung von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft gilt seitdem ein besonders strenger Rechtfertigungsmaßstab. Wegen Artikel 6 Absatz 1 GG sind zwar weiterhin Regelungen erlaubt, die Ehen gegenüber anderen Lebensformen begünstigen. Soweit derartige Begünstigungen jedoch zu Benachteiligungen anderer Lebensformen führen und diese Lebensformen sich im Hinblick auf den geregelten Lebenssachverhalt und die mit der Regelung verfolgten Ziele nicht von der Ehe unterscheiden, genügt der pauschale Verweis auf den verfassungsrechtlichen Schutz der Ehe allein nicht mehr.

Schlechter­stel­lung beim Ehegat­ten­split­ting

Auch in der aktuellen Entscheidung folgt das BVerfG diesem Maßstab und vergleicht die rechtlichen und realen Lebenssituationen von Ehe und Lebenspartnerschaft im Hinblick auf die Gründe, die das Ehegattensplitting rechtfertigen sollen. Dabei wird zum einen die steuerrechtliche Anknüpfung an die zivilrechtliche Ausgestaltung der Ehe und die Fiktion der Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft diskutiert, zum anderen familienpolitische Intentionen. Der Ausschluss von Lebenspartnerschaften ist demnach zu Recht nicht begründbar. Lebenspartnerschaften sind durch das Lebenspartnerschaftsgesetz zivilrechtlich wie Ehen ausgestaltet und hier wie dort wachsen Kinder in unterschiedlichen Betreuungskonstellationen auf. In der Entscheidung kommt sehr deutlich die Gleichwertigkeit von Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften zum Ausdruck. Nicht nur in Bezug auf rechtliche und gelebte Verhältnisse zwischen den jeweiligen Partner/inne/n, sondern gerade auch als Lebensform, in der selbstverständlich Kinder aufwachsen können.

Nach der im Februar 2013 getroffenen Entscheidung zur Adoption von adoptierten Kindern des Partners oder der Partnerin einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (Sukzessivadoption) steht jetzt noch die Gleichbehandlung bei Adoptionen durch beide Lebenspartner/innen gemeinsam aus. Interessant wird sein, ob Krankenkassen künftig auch die Kosten der künstlichen Befruchtung bei Lebenspartnerschaften übernehmen und wie die steuerliche Absetzbarkeit derartiger Kosten gehandhabt wird. Bislang ist die Übernahme dieser Kosten auf Ehen und die steuerliche Berücksichtigung auf heterosexuelle Paare beschränkt.

Ehegat­ten­split­ting konserviert 50er Jahre Famili­en­mo­dell

So richtig die Entscheidung in Bezug auf die Gleichbehandlung von Ehe und Lebenspartnerschaften ist: Das Ehegattensplitting besteht unverändert weiter. Die Regelung wurde bereits in den 50er-Jahren eingeführt und fördert ein veraltetes und vor allem für Frauen nachteiliges Lebensmodell. Das BVerfG hatte zwar nicht über die Rechtsmäßigkeit des Ehegattensplittings an sich zu entscheiden. Dennoch wäre ein kritischer Blick sowohl auf die Auswirkungen des Splittings als auch die Begründbarkeit zu wünschen gewesen.

Bei der Debatte um das Ehegattensplitting dominiert rhetorisch der Bezug auf die formale Gleichheit, die auch in der Entscheidung des BVerfG zum Ausdruck kommt. Immer wieder wird beispielsweise die Gleichwertigkeit von Erwerbs- und Hausarbeit betont, ohne die Risiken unbezahlter Haus- und Sorgearbeit zu thematisieren, die künftig auch Lebenspartner/innen betreffen können. Zudem wird bei dem Vergleich von Ehen mit gleichem Haushaltseinkommen das durch Hausarbeit erwirtschaftete Schatteneinkommen vernachlässigt. Das aus Artikel 3 Absatz 2 und 3 GG hergeleitete und inzwischen vom BVerfG selbst anerkannte Verbot mittelbarer Diskriminierung wird in der Entscheidung zwar genannt. Die Ausführungen beschränken sich jedoch auf das Problem von Typisierungen bei Ehe und Lebenspartnerschaften. Die faktischen Nachteile des Splittings zulasten von Frauen werden nicht thematisiert.

Auf die immer wieder geäußerte Kritik an der Begründung des Ehegattensplittings wird ebenfalls nicht eingegangen. Die zivilrechtliche Ausgestaltung von Ehe und Lebenspartnerschaft kann die Fiktion der Erwerbs- und Verbrauchsgemeinschaft nicht begründen. Es ist zwar richtig, dass Rechte und Pflichten in Ehe und Lebenspartnerschaften im Steuerrecht berücksichtigt werden müssen – allerdings nur insoweit, als damit tatsächliche Aufwendungen und Einschränkungen der Leistungsfähigkeit einhergehen. Diesen Anforderungen entspricht aber bereits die Individualbesteuerung unter Berücksichtigung sozialrechtlich bedingter Unterhaltsaufwendungen.

Famili­en­po­li­tisch verfehlt

Nicht zuletzt sind die Erörterungen zu den familienpolitischen Intentionen bzw. zum Splitting als typisierter Familienförderung problematisch. Damit wird leicht der Eindruck erweckt, das Ehegattensplitting sei als Familienförderung zu rechtfertigen. Das Splitting knüpft aber an die Ehe und gerade nicht die Familie an. Außerdem kommen die familiären Spielräume und finanziellen Entlastungen, die das Ehegattensplitting verspricht, nur scheinbar allen Ehen, Lebenspartnerschaften und Familien zugute. Familien, die kaum oder gar keine Einkommensteuer zahlen, Alleinerziehende oder Eltern, die gleich viel verdienen, profitieren wenig oder überhaupt nicht. Eine Familienförderung sieht anders aus.

Rechtliche Vorgaben können unterschiedlich interpretiert werden. Eine sachliche, an Rechtsgrundsätzen orientierte Auseinandersetzung setzt aber zumindest voraus, sich mit rechtlicher Kritik auseinanderzusetzen: in Bezug auf die systematische Begründbarkeit des Ehegattensplittings, die unterschiedlichen Entlastungswirkungen und die vor allem Frauen treffenden Risiken. Aufgrund der schon im Juli 2013 in Kraft getretenen Gesetzesänderung kann das Ehegattensplitting nun – rückwirkend seit 2001 – auch von eingetragenen Lebenspartnerschaften in Anspruch genommen werden. Damit hat sich wieder ein Reformfenster geschlossen. Es bleibt zu hoffen, dass das Verbot mittelbarer Diskriminierung künftig mehr Beachtung findet, ebenso wie die in Artikel 3 Absatz 2 Satz 2 GG formulierte Staatszielbestimmung: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Literatur

BVerfG v. 07.05.2013 – 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06 , 2 BvR 288/07

BVerfG v. 7.7.2009 – 1 BvR 1164/07

BVerfG v. 19. 2. 2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09

Spangenberg, Ulrike, Die Tücken rechtlicher Gleichbehandlung. Die Entscheidung des BVerfG zum Ehegattensplitting für eingetragene Lebenspartnerschaften, in: Streit – Feministische Rechtszeitschrift 3/2013.

Vollmer, Franziska, Das Ehegattensplitting. Eine verfassungsrechtliche Untersuchung der Einkommensbesteuerung von Eheleuten, Nomos 1998.

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