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Kriegs­re­le­vante Forschung an deutschen Univer­si­täten - Zum Streit um die Zivil­klausel

Grundrechte-Report 2014, Seite 74

Im November 2013 wurde bekannt, dass das US-amerikanische Pentagon Forschung an verschiedenen Hochschulen in Deutschland finanziert hat. Darunter auch an Universitäten, die eine sogenannte Zivilklausel haben.

Zivil­klausel an Hochschulen

Eine Zivilklausel ist eine Selbstverpflichtung einer Hochschule, mit der sie sich zu friedlicher und ziviler Forschung verpflichtet. So haben sich in den vergangenen Jahren 14 Universitäten eine solche Zivilklausel gegeben. Die Uni Bremen hat z.B. bereits seit 1986 eine solche Selbstverpflichtung, die besagt: „der Akademische Senat lehnt jede Beteiligung von Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung ab und fordert die Mitglieder der Universität auf, Forschungsthemen und -mittel abzulehnen, die Rüstungszwecken dienen können.“ (Akademischer Senat Universität Bremen, Beschluss Nr. 5113)

Eine solche Selbstverpflichtung ist jedoch nicht rechtsverbindlich, sondern lediglich eine Absichtserklärung der Hochschulen. Ein Brechen dieser hat keinerlei rechtliche Folgen. Von daher stellt sich immer wieder die Frage, wie eine Zivilklausel umgesetzt werden kann. Die Ideen reichen dabei von einer Anzeigepflicht, damit die Forschung von den Einrichtungen bzw. der Hochschule selbst begleitet werden könnte, bis zu einer Ethikkommission, wie es sie bereits u.a. für den humanmedizinischen Forschungsbereich an viele Universitäten gibt. Wichtig bei all den Ansätzen zur Umsetzung einer solchen Klausel ist jedoch stets eine transparente Forschung, die öffentlich diskutiert und gegebenenfalls kritisiert werden soll. Eine solche Diskussion kann auch zu einer besseren Selbstreflexion der Forschung führen, hin zu einer Forschung in gesellschaftlicher Verantwortung.

Anders sähe es aus, wenn die Zivilklausel in den jeweiligen Hochschulgesetzen verankert wäre. Eine Zivilklausel stand bis 1998 im Niedersächsischen Hochschulgesetz. Derzeit wird in einigen Bundesländern diskutiert, eine solche Klausel aufzunehmen, wobei Bremen dies bereits für die nächste Novellierung seines Hochschulgesetzes plant.

Die Zivilklauseln sind dabei immer wieder in der Diskussion um die verfassungsrechtliche Vereinbarkeit mit der Forschungsfreiheit aus Artikel 5 Absatz 3 GG. Diese Debatte wird kontrovers geführt und ist noch nicht abgeschlossen.

Eine Zivilklausel ist jedoch insbesondere eine Möglichkeit, die Friedenspflicht der Artikel 1 und 26 GG zum Ausdruck zu bringen. Dem Friedensauftrag des Grundgesetzes in dieser Form nachzukommen, ist keine Beschränkung der Wissenschaftsfreiheit, wie manche Gegner der Zivilklausel behaupten, sondern befolgt im Gegenteil den Verfassungsauftrag, für eine „freie und unabhängige“ Wissenschaft zu sorgen.

Streitpunkt (poten­ti­eller) Verwen­dungs­zweck

Kritisch bei der Frage der Bewertung von Forschung ist die sogenannte „dual-use“- Problematik. „Dual use“ bedeutet, dass Forschung nicht nur für den militärischen Bereich, sondern auch für den zivilen Bereich genutzt werden kann. Dies führt dazu, dass aus Sicht der Kritiker die Forschung im Hinblick auf den Verwendungszweck nicht klar zuzuordnen ist und mithin einer willkürlichen Kritik und (politischen) Skandalisierung offenstehe, die die Freiheit von Forschung und Lehre gefährden würde. Dieses Argument verkennt jedoch die Wichtigkeit des offenen (politischen) Diskurses, der nötig ist, um Wissenschaft und Forschung kritisch zu hinterfragen. Dass ein willkürlich geführter Diskurs nicht produktiv ist, sollte sich hierbei von selbst verstehen. Kriterien für einen sinnvollen Diskurs können Geldgeber, Thema, Forschungsziel, Methoden, Veröffentlichungsbereitschaft und Informationen von Beteiligten umfassen. Um diesen zu erreichen, ist es besonders wichtig, Transparenz an den Hochschulen zu schaffen. Hochschulen, die sich mit Intransparenz und Geheimhaltungsklauseln in Verträgen der öffentlichen Diskussion zu entziehen versuchen, können nicht gleichzeitig mit der Forschungsfreiheit argumentieren, da die Forschung ein öffentliches Gut ist und dementsprechend in den öffentlichen Diskurs eingebettet sein sollte.

Problematisch sind insbesondere Forschungsaufträge, die von Rüstungsunternehmen unterstützt werden. Zum einem gibt es bei diesen Unternehmen stets ein hohes Interesse an Geheimhaltung, zum anderen besteht hier auch durchweg das Ziel der Unternehmen, die Forschung im weiteren Verlauf für ihre Produktion nutzbar zu machen, selbst wenn es sich bei der unterstützten Forschung um reine Grundlagenforschung handelt.

Zivile Grund­la­gen­for­schung des Pentagon?

Besonders problematisch erweist sich in diesem Kontext die Finanzierung von Forschung an deutschen Hochschulen durch das US-Militär. Durch Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des Norddeutschen Rundfunks wurde am 25. November 2013 bekannt, dass seit dem Jahr 2000 mindestens 22 deutsche Hochschulen und Forschungsinstitute Geld aus dem Haushalt des Pentagon erhalten haben. Die Summe liegt bei mehr als zehn Millionen Dollar.
Hier von einer „rein zivilen Grundlagenforschung“ zu sprechen, wie die Universität Bremen in einer Stellungnahme, erscheint gerade angesichts des Geldgebers als abwegig.

Es ist, nach den oben aufgestellten Kriterien, vielmehr von einer nicht zivilen Forschung auszugehen, die an den finanzierten Hochschulen stattgefunden hat, auch wenn die Hochschulen dies bestreiten und den zivilen Charakter ihrer Forschungen betonen. Es erscheint äußerst fraglich, welche zivilen Interessen das US-amerikanische Militär an zivilen Ergebnissen von Forschung haben sollte, auch wenn diese zivil genutzt werden können.

Während bei den meisten Hochschulen die Finanzierung durch das Pentagon zumindest rein rechtlich unproblematisch erscheint, stellt sich insbesondere bei Universitäten, die sich selbst eine Zivilklausel gegeben haben, die Frage, wie dies mit Ihrem Selbstbild und ihren sich selbst gegebenen Regeln vereinbar sein soll. Hier sind neben der Aufarbeitung auch Konsequenzen für den zukünftigen Umgang mit Geldern von mehr als fragwürdigen Geldgebern angesagt.

Ende der Dritt­mit­tel­fi­nan­zie­rung

Diese Art der Drittmittelvergabe ist aber auch problematisch, weil die Hochschulen in eine Abhängigkeit von den Geldgebern geraten. So kämpfen Hochschulen im sog. „Exzellenz-Wettbewerb“ und anderen Wettbewerben um knappe Mittel, während auf der anderen Seite die Grundfinanzierung knapper und knapper kalkuliert wird. Dies führt dazu, dass drittmittelstrategische Erwägungen im modernen Wissenschaftsbusiness regelmäßig im Vordergrund stehen. Die Universitäten müssen staatlich ausfinanziert werden, andernfalls führt dieser Kampf um Drittmittel zu einer Beschränkung der Freiheit von Wissenschaft und Forschung. Eine Zivilklausel und die damit einhergehende Ablehnung von Forschungsmitteln von Militär und Rüstungsindustrie ist ein erster Schritt in diese Richtung, muss jedoch in vielen Bereichen fortgeführt werden, um eine freie Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung, auch im Sinne des Grundgesetzes, zu erreichen.

Literatur

Denninger, Erhard, „Zur Zulässigkeit einer so genannten „Zivilklausel“ im Errichtungsgesetz für das geplante Karlsruher Institut für Technologie (KIT)“ Gutachten für die Hans- Böckler-Stiftung, 2009

Süddeutsche Zeitung vom 25.11.2013 „US-Militär finanziert deutsche Forscher“

NDR vom 25.11.2013 „Deutsche Unis forschen für das Pentagon“

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