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Binationale Ehen unerwünscht: Dokumen­ta­tion (k)eines Einzelfalls

Coletta Manemann

Grundrechte-Report 1998, S. 103-108

Susanne H. und Mohammad A. lernen sich im Winter 1994/95 in Deutschland kennen. Da Mohammad A.’s Aufenthaltsgenehmigung endet (sein Asylantrag ist abgelehnt worden), entschließt sich das Paar zur Heirat. Im Juni 1995 heiraten Susanne H. und Mohammad A. in Pakistan. Anschließend beantragt Mohammad A. in der Deutschen Botschaft in Pakistan ein Visum für die Einreise nach Deutschland. Susanne H., die berufstätig ist, kehrt unterdessen nach Deutschland zurück.

Im November 1995 wird Susanne H. von der zuständigen Kreisverwaltung umfassend zu ihrer persönlichen Situation befragt. Das Protokoll, das von der Kreisverwaltung anschließend erstellt wird, umfaßt acht (!) Seiten. Susanne H. muß unter anderem folgende Fragen beantworten:

„Hatten Sie, bevor Sie Ihren Mann kennenlernten, oder haben Sie zur Zeit noch andere Männerbekanntschaften?“

„Was wissen Sie über den islamischen Glauben? Durch wen haben Sie die Kenntnisse? Kennen Sie das islamische Glaubensbekenntnis? Wie lautet es?“

„Sind Sie überzeugt, daß Ihr Ehemann bei Ihnen bleiben wird, und nicht, wie die Erfahrung mit 99 Prozent aller in Deutschland verheirateten Pakistanis zeigt, sie sich von ihrer Ehefrau trennen, wenn sie das Aufenthaltsrecht erhalten haben?“

„Was spricht dagegen, daß Sie entsprechend den Landessitten des Heimatlandes Ihres Ehemannes zu ihm ziehen, anstatt er zu Ihnen? Wenn es keine Möglichkeit gäbe, daß Ihr Mann nach Deutschland nachzieht, wären Sie dann bereit, zu ihm nach Pakistan zu ziehen? In welchen Staat würden Sie dann ziehen wollen? Die Frage lautet, wenn es keine Möglichkeit gäbe, in Deutschland legal zu leben. Wenn Sie wüßten, daß Ihr Mann keine Möglichkeit hat, jemals zu Ihnen nach Deutschland zu ziehen, würden Sie ihn trotzdem geheiratet haben und bei ihm in Pakistan bleiben?“

Ganz abgesehen davon, daß die gesamte Befragung eine Zumutung ist, sind Fragen zur Intimsphäre unzulässig. Und seit wann muß sich eine Bürgerin gegenüber einer Behörde für die Religion ihres Mannes oder für die eigene rechtfertigen? Gilt die Religionsfreiheit für binationale Paare nicht? Die Kreisverwaltung behauptet zudem, 99 Prozent aller deutsch verheirateten Pakistaner heirateten für eine Aufenthaltserlaubnis. Wie sie zu dieser fragwürdigen These kommt, verrät sie leider nicht. Schließlich muß Susanne H. sich auch noch dafür rechtfertigen, daß sie als deutsche Staatsbürgerin mit ihrem Ehemann in Deutschland leben möchte und nicht in irgendeinem anderen Land.

Der Landesbürgerbeauftragte, bei dem sich der Anwalt von Susanne H. über die Befragung beschwert, sieht sich nicht in der Lage einzuschreiten. Der Fragebogen sei von der Deutschen Botschaft in Pakistan vorgegeben gewesen. Der Petitionsausschuß des Deutschen Bundestages teilt Susanne H. immerhin mit: „… Allerdings müssen dabei Fragen, die die Intimsphäre verletzen, unterbleiben. Das Auswärtige Amt hat aus diesem Grund die Botschaft Islamabad gebeten, Fragen, die diesen Bereich betreffen, zu unterlassen.“ (Das hat das Auswärtige Amt dem Verband binationaler Familien und Partnerschaften im November 1993 auch schon mal zugesagt. Ergebnis: Die Deutsche Botschaft in Pakistan befragt dennoch munter weiter!)

Im Dezember 1995 wird der Einreiseantrag ohne Begründung abgelehnt. Im März 1996 lehnt die Deutsche Botschaft in Pakistan den Antrag erneut ab und schreibt dazu, bei der Ehe zwischen Susanne H. und Mohammad A. handelt es sich um eine „Nichtehe“. Wörtliche Begründung: „Diese Feststellung beruht nicht nur aufgrund von persönlichen Eindrücken, sondern auf der Ermittlung von Umständen, die gemäß des pakistanischen Eherechts hierauf schließen lassen.“ Der Anwalt von Susanne H. erhebt daraufhin im April 1996 Klage beim Verwaltungsgericht Köln.

Im August 1996 begründet das Auswärtige Amt die Ablehnung des Visums u. a. mit folgendem Argument: „Daß die Ehe unter Ausschluß der Öffentlichkeit, ohne einen von den Eltern des Bräutigams ausgerichteten Hochzeitsempfang (Valima) und nicht im Heimatort des pakistanischen Verlobten geschlossen wurde, widerspricht pakistanischen Sitten. So pflegt man in Pakistan Hochzeiten aufwendig und im großen Rahmen zu feiern.“

Darüber hinaus weist das Auswärtige Amt darauf hin, daß der Vater von Mohammad A. gesagt haben soll, es handle sich um eine „Ehe auf Zeit“ bzw. um eine „vorübergehende Ehe“.

Es ist schon erstaunlich, daß die Deutsche Botschaft in Pakistan „besser“ als viele Pakistaner weiß, wie dort Hochzeiten gefeiert werden. Von Pakistanern bekommt man dazu nämlich ähnlich vielfältige Auskünfte, wie man sie wohl von Deutschen über „deutsche Sitten“ erhalten würde. Darüber hinaus zeigt es schon von gehöriger Ignoranz, die Hochzeit einer Deutschen mit einem Pakistaner pauschal einer (angeblichen) „pakistanischen Sitte“ zu unterwerfen. Bisher ist es jedenfalls noch so, daß binationale Paare selbst entscheiden können, wo sie wie und mit wem feiern wollen – und meist feiern sie eben binational!

Das Zitat des Vaters ist möglicherweise ein typisches interkulturelles Mißverständnis. Aber wie dem auch sei: Würden in Deutschland die Kommentare von Vätern solch weitreichende juristische Folgen haben wie in diesem Fall, dann wären vermutlich unzählige Ehen in Deutschland „Nichtehen“ – hier interessiert sich bloß niemand dafür, was ein Vater zur Eheschließung seines Sohnes oder seiner Tochter sagt!

Das Auswärtige Amt wiederholt diese Argumentation jedoch im Januar 1997 und schreibt darüber hinaus: „Die Einbindung der Ehefrau in die Familie des Mannes ist somit nicht eindrucksvoll dokumentiert.“

Bemerkenswert, was für Nachweise binationale Paare erbringen müssen, damit ihre Ehe anerkannt wird. Die verlangte „Einbindung“ ist im Falle von Susanne H. gegeben; es gibt enge und intensive Kontakte. Aber selbst wenn das nicht so wäre, dürfte es keine Rolle spielen. Oder müssen Frauen sich heutzutage von Behörden den Kontakt zur Familie des ausländischen Partners vorschreiben lassen? Das völlig überholte Weltbild und die zutiefst frauenfeindliche Einstellung, die sich hinter dieser Aussage des Auswärtigen Amtes verbergen, sind schon erschreckend.

Im Februar 1997 veranstalten Susanne H. und Mohammad A. in Lahore/Pakistan eine große Hochzeitsfeier, zu der auch die Deutsche Botschaft eingeladen wird. Diese ist dann offiziell nicht anwesend, fertigt jedoch einen Bericht über die Hochzeitsfeier an, in dem es u. a. heißt, die Feier habe in einem „heruntergekommenen Stadtteil“ stattgefunden.

Wie man zu der Beschreibung des Stadtteils kommt, was diese Aussage überhaupt soll und weshalb sie relevant sein soll, erläutert die Botschaft nicht. Daß deutsche Diplomaten in Pakistan nobler wohnen und daß der Stadtteil vielleicht nicht so gepflegt aussieht wie die Bonner Südstadt, der Sitz des Auswärtigen Amtes, ist aber gut vorstellbar.

Im Mai 1997 reicht der Anwalt von Susanne H. Beschwerde beim Verwaltungsgericht ein und beantragt, Mohammad A. eine Aufenthaltserlaubnis für Deutschland zu erteilen, bis im Hauptverfahren entschieden ist. Dies wird im September 1997 abgelehnt. Im Oktober teilt das Verwaltungsgericht mit, daß erst im Laufe der nächsten zwei Jahre (!) mit einer Verhandlung zu rechnen sei. Am 27. November 1997 reicht der Anwalt von Susanne H. Verfassungsbeschwerde und den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein. Die Verfassungsbeschwerde bezieht sich auf Art. 6 GG: „Schutz von Ehe und Familie“. Am 9. Dezember 1997 beschließt die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts: „Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen. Damit erledigt sich der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung.“

Im Juni 1995 haben Susanne H. und Mohammad A. geheiratet. Seitdem setzen sich die Deutsche Botschaft in Pakistan und das Auswärtige Amt mit einem unglaublichen und völlig unverhältnismäßigen Aufwand dafür ein, daß Mohammad A. kein Einreisevisum bekommt. Susanne H. wird seit zweieinhalb Jahren zugemutet, von ihrem Mann getrennt zu leben und hohe Summen für wiederholte Reisen nach Pakistan auszugeben. Hinzu kommen beträchtliche Kosten für Porto und Telefon sowie für das Gerichtsverfahren. Was eine dreiundzwanzigjährige Deutsche wohl über „ihren“ Staat denken mag, der alles da_für tut, ihr persönliches Glück zu zerstören, kann man sich vorstellen.

Susanne H. wird von ihren Eltern und ihren Geschwistern rundum unterstützt. Mohammad A. ist als Schwiegersohn und Schwager voll akzeptiert.

Die Einbindung des ausländischen Ehemannes in die Familie seiner deutschen Ehefrau hat das Auswärtige Amt allerdings nicht interessiert.

Susanne H. und Mohammad A. sind kein Einzelfall. Deutsche, deren Partner oder Partnerin aus einem Nicht-EU-Land kommt, müssen heiraten – denn nur die Eheschließung führt zu einer Aufenthaltserlaubnis. Heiraten sie also, wird ihnen prompt unterstellt, die Heirat diene ja nur der „Aufenthaltssicherung“. Mit diesem Argument wird dem ausländischen Partner die Aufenthaltserlaubnis verweigert, befristet oder das Paar zu Hause vom Ordnungsamt kontrolliert.

Die Eheschließung in Deutschland ist zudem oft nicht möglich, da der ausländische Partner gar nicht erst einreisen darf oder die verlangten Papiere nicht beschaffen kann. So heiraten immer mehr binationale Paare im Ausland. Das macht ihre Lage aber nicht einfacher. Ein langer, zermürbender und kostspieliger Papierkrieg mit der jeweiligen deutschen Auslandsvertretung beginnt. Ob am Ende die Erlaubnis zur Einreise erteilt wird, ist zunehmend unsicher. Auch schwangere Frauen können nicht damit rechnen, daß der Vater ihres Kindes bis zur Geburt einreisen kann.

Das Recht, sich den Lebenspartner oder die Lebenspartnerin auszusuchen; die Möglichkeit, unverheiratet zusammenzuleben; die Entscheidung für eine gleichgeschlechtliche Beziehung – all dies wird Deutschen zugestanden und mehr und mehr als selbstverständlich empfunden. Für binationale Paare gilt das nicht. Und ganz offensichtlich ist der im Grundgesetz verankerte Schutz von Ehe und Familie nicht für Binationale gedacht.

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