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„Auf Abstand, Clowns“ - Zum polizei­li­chen Umgang mit der Clowns-Army bei Versamm­lungen

Grundrechte-Report 2010, Seite 109

Seit einigen Jahren sind sie von größeren Demonstrationen kaum noch wegzudenken. Zunächst waren sie im Zusammenhang mit den Castor-Transporten im Wendland aufgetreten, während der Proteste gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm wurden sie einem breiteren Publikum bekannt. Die Mitglieder der „Rebel Clowns Army“ schminken und verkleiden sich, führen Musikinstrumente, Wasserpistolen und Staubwedel mit sich und karikieren mit den „uralten Techniken der Clownerie“ die Polizei.

Zunehmend werden die Rebel Clowns von der Polizei und ihren Einsatzleitern als „störend“ und „lästig“ empfunden. „Zeit für eine Gegentaktik“, so sah es zumindest der Regierungsdirektor und Abteilungsleiter des Polizeipräsidiums Koblenz. Für eine Protestveranstaltung am Fliegerhorst in Büchel im August 2008 erließ er Versammlungsauflagen, die sich gezielt gegen Mitglieder der Rebel Clowns Army richteten. Seine Erfahrungen hat der Polizeibeamte im Dezember Heft 2008 der Zeitschrift „Deutsche Polizei“ unter der Überschrift „Auf Abstand, Clowns“ festgeschrieben und erläutert darin die Möglichkeiten, die Aktionsform „Rebel Clowns Army“ versammlungsrechtlich mit Auflagen zu behindern.

Diese Auflagen zielten vor allem auf drei Bereiche ab. Wasserpistolen und ähnliche Geräte sollten verboten sein, weil es für die „eingesetzten Polizeibeamten nicht erkennbar sei, ob und in welchem Umfang der Kontakt mit freigesetzten Flüssigkeiten zu Gesundheitsgefahren führt“. Zweitens wurde den „Teilnehmern der Aktionsform Rebel Clowns Army“ untersagt, „die Einsatzkräfte zu behindern“, insbesondere dürften sie sich nicht näher als bis auf drei Metern nähern. Begründet wurde diese Einschränkung mit einem angeblichen „Eigensicherungserfordernis“ der Polizeibeamten und mit dem Schutz der Versammlungsteilnehmer. Eigentlich wurden fünf Meter als erforderlich angesehen, aus Gründen der Deeskalation und als Zeichen des guten Willens wurde dieser Abstand im Kooperationsgespräch auf drei Meter verkürzt. Darüber hinaus wurde das Tragen von zur Verschleierung der Identität geeigneten Kleidungsstücken untersagt, soweit sie dem Friedlichkeitsgebot widersprächen. Das gleiche sollte für Verdeckungen oder Verfremdungen der Gesichtspartie durch Maskieren und Schminken gelten.

Faktisches Verbot der Rebel Clowns Army

Diese Auflagen kamen einem faktischen Verbot der Rebel Clowns Army gleich, da mit ihr alle Aktivitäten, für die die Clowns stehen, untersagt wurden. Das hinter den Rebel Clowns stehende Konzept, militärisches Auftreten durch übertriebene Nachahmung lächerlich zu machen und durch das Auftreten als Clowns Konfliktsituationen zwischen der Polizei und Demonstrierenden zu entschärfen, würde damit ins Leere laufen. Für die Techniken aus den Bereichen des Schauspiels, der Clownerie, der rituellen Performance, der Aktionskunst und dem experimentellen Theater, mit dem die Rebel Clowns arbeiten, wäre dann kein Platz mehr. Dabei stellt sich die Frage, worin überhaupt die unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch das Auftreten der Clowns Army besteht. Eine Auflage nach dem Versammlungsgesetz setzt eine solche Gefährdung voraus, deren Prognose sich auf konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte stützen muss. Bloße Möglichkeiten oder Vermutungen reichen nicht aus.

Ein Verbot von Wasserpistolen wäre nur dann gerechtfertigt, wenn in der Vergangenheit regelmäßig Rebel Clowns damit gesundheitsgefährdende Stoffe auf Personen verspritzt hätten und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden könnte, dass derart ausgerüstete Personen auch an der jeweiligen Versammlung teilnehmen würden. Bisher gibt es keinen einzigen Fall, in dem Clowns mit gesundheitsgefährdenden Stoffen gespritzt hätten. Zwar wird in diesem Zusammenhang immer wieder auf einen Vorfall bei den Protesten gegen den G8-Gipfel zurückgegriffen, bei dem Clowns Polizeibeamte mit Säure bespritzt haben sollen. Diese „Säure“ stellte sich aber als ungefährliche Seifenlauge heraus und war nur ein Beispiel für die Desinformationspolitik der BAO (Besondere Aufbau-Organisation) Kavala während des G8-Gipfels. Für die Koblenzer Polizei blieb trotzdem „unklar, ob von dieser Flüssigkeit eine Gefahr ausging. Zumindest war eine solche Gefahr nicht auszuschließen.“ Damit handelt es sich maximal um einen Verdacht auf einen Gefahrenverdacht, nicht aber um eine unmittelbare Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, so dass eine Auflage auf dieser „Tatsachengrundlage“ rechtswidrig ist.

Ebenso verhält es sich mit dem „Näherungsverbot“. Tatsächlich wird von den Rebel Clowns ein unrealistisches Verhalten verlangt. Bei vielen Demonstrationen dürfte es sich als unmöglich herausstellen, einen drei oder fünf Meter weiten Abstand zu Polizeibeamten einzuhalten, beispielsweise bei Vorkontrollen, Polizeiabsperrungen, dem Vollzug von polizeilichen Maßnahmen oder auch beim Begleiten der Demonstration im Spalier. Auch ist nicht ersichtlich, warum die Eigensicherung der Polizeibeamten dann lediglich durch Clowns und nicht durch sonstige Versammlungsteilnehmer gefährdet sein soll.

Wider­sprüch­liche Recht­spre­chung

Folgerichtig hat das Verwaltungsgericht Dresden die von der Dresdner Versammlungsbehörde wortgleich übernommenen Auflagen anlässlich einer Gegendemonstration gegen den alljährlich aus Anlass der Bombardierung Dresdens stattfindenden Naziaufmarsch in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren gekippt (Az.: 6 L 40/09, Beschluss vom 12. Februar 2009). Mit deutlichen Worten haben die Richter entschieden, dass die Auflage auf keiner hinreichenden Gefahrenprognose beruhe, da weder die Versammlungsbehörde aus eigenen Erkenntnissen eine unmittelbare Gefährdung belegen könne, noch dem Gericht solche Anhaltspunkte bekannt seien.

Mittlerweile sind aber auch Entscheidungen bekannt geworden, die die polizeiliche Einschränkung des Aktionsradius der Clowns Army bestätigen. So hat das VG Karlsruhe (Az.: 3 K 776/09, Beschluss vom 1. April 2009) eine Auflage für die Versammlung gegen den NATO-Gipfel in Baden-Baden am 3. April 2009 bestätigt, nach der das – für Clowns typische – Schminken und Maskieren untersagt worden war. In Hannover wurde für die Proteste gegen das Sommer-Biwak der Bundeswehr durch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Az.:11 ME 429/09, Beschluss vom 28. August 2009) eine Auflage bestätigt, nach der „pantomimisch-spielerische Aktionen kostümierter Personen einen Abstand von mindestens 2 Metern zu den eingesetzten Polizeikräften einzuhalten“ hätten. Dabei kommt es laut Gericht nicht darauf an, ob überhaupt „Störaktionen“ beabsichtigt seien oder zu erwarten wären. Schon der „Schutz des persönlichen Nah- und Intimbereiches“ der Polizeibeamten mache die Auflage eines Sicherheitsabstandes erforderlich. Damit entfernt sich das Gericht völlig von dem Erfordernis einer konkreten Gefahr. Die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist nicht schon aus dem Grunde gefährdet, weil die „übliche Distanz“ im persönlichen Umgang miteinander nicht eingehalten wird, eine Distanz, die auch viel zu selten von Polizeibeamten gegenüber Demonstrierenden beachtet wird.

Ob in Zukunft kreativer Straßenprotest mit Instrumenten des Versammlungsrechts eingedämmt werden kann, bleibt damit noch offen. Diese Auflagen reihen sich aber ein in eine Vielzahl von Auflagen, mit denen Versammlungsbehörden quer durch die Republik versuchen, das Selbstbestimmungsrecht der Demonstrierenden zu beschneiden und eine obrigkeitsstaatliche Vorstellung von Versammlungen durchzusetzen (vgl. auch Elke Steven, Grundrechte-Report 2009, S. 119 ff.).

Literatur

RAV/Legal Team (Hrsg.): Feindbild Demonstrant. Polizeigewalt, Militäreinsatz, Medienmanipulation. Der G8-Gipfel aus Sicht des Anwaltlichen Notdienstes

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