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Kampf den Geheimen - Der Rechtsstaat muß transparent sein

Grundrechte-Report 2009, Seite 184

Seit 2000 lebt A. B. rechtmäßig in Deutschland, er hat eine Aufenthaltserlaubnis. Bevor er nach Deutschland kam, war er in der Türkei wegen Unterstützung der PKK mehrfach verhaftet und verurteilt worden. Im Jahr 2007 beantragt er eine Niederlassungserlaubnis. Im ablehnenden Bescheid bescheinigt ihm der zuständige Landkreis ausdrücklich, dass alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Niederlassungserlaubnis nach dem Aufenthaltsgesetz vorliegen. Dennoch erhalte er die Niederlassungserlaubnis nicht, weil er nach § 54 Nr. 5 Aufenthaltsgesetz eigentlich ausgewiesen werden müsse, denn er unterstütze eine Vereinigung, die den internationalen Terrorismus unterstütze. Dazu gehörten nämlich nach einer Entscheidung des Rates der EG (die unangreifbar ist) die PKK und deren Nachfolgeorganisationen KADEK und KONGRA-GEL. Er habe im Jahr 2006 (Erkenntnisse aus den Jahren 2000 bis 2005 liegen nicht vor) an drei Veranstaltungen teilgenommen, am 27. Mai an einer Gedenkveranstaltung im KONGRA-GEL-nahen Kurdischen Kulturzentrum Bonn, am 8. Juli am 9. Mazlum-Dogan-Jugend-, Kultur- und Sportfestival der KONGRA-GEL-Jugendorganisation im Kölner Südstadion und am 24. November wieder im KONGRA-GEL-nahen Kurdistan-Kulturzentrum Bonn an einer Feier anlässlich der PKK-Gründung im Jahre 1978. An der ersten Veranstaltung nahmen ca. 200 Personen teil, an der zweiten Veranstaltung mehrere tausend und an der dritten Veranstaltung ca. 1.000.

Die Teilnahme am Mazlum-Dogan-Jugend-Kultur- und Sportfestival hat A. B. zugegeben, die Teilnahme an den anderen beiden Veranstaltungen bestritten.

Da A. B. sich mit der Beschuldigung, eine terroristische Vereinigung zu unterstützen, nicht abfinden und die Versagung der Niederlassungserlaubnis nicht hinnehmen will, landet der Streit vor dem Verwaltungsgericht Koblenz. Dieses geht der Sache gründlich nach und vernimmt zur Frage, ob A. B. gemäß der Vorschrift des Aufenthaltsgesetzes eine terroristische Vereinigung unterstütze, den Zeugen L., Mitarbeiter des Verfassungsschutzes im rheinland-pfälzischen Innenministerium.

Der Verfas­sungs­schutz behauptet nur – er beweist nichts

L. bestätigt, dass A. B. an den Veranstaltungen teilgenommen habe. Er hat zwar selbst an diesen Veranstaltungen nicht teilgenommen, kann also aus eigener Kenntnis nichts dazu sagen, aber schon auf die gerichtliche Frage, ob er die Informationen von einer Gewährsperson erhalten habe, verweigert L. die Aussage. Hierfür habe er keine Aussagegenehmigung. Er kann lediglich sagen, dass die „Erkenntnisse“ des Verfassungsschutzes durch den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gewonnen worden sein sollen. Selbst auf die Frage, ob es sich dabei um V-Leute oder sonstige Observanten oder z.B. um Film- oder Tonaufnahmen handele, antwortet er nicht. Die gerichtliche Frage, wie zuverlässig die Quelle sei, wie hoch er selbst die Irrtumswahrscheinlichkeit einschätze, darf nicht beantwortet werden wegen Verweigerung der Aussagegenehmigung. Auch ob er selbst die erhaltenen Informationen ausgewertet habe, wollte L. nicht beantworten. Die einzige Antwort war und blieb, der Verfassungsschutz habe diese Erkenntnisse und halte die Angaben für zutreffend.

Die Beweislast liegt beim Verfas­sungs­schutz

Im Gegensatz zum 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Sönke Hilbrans, Im Zweifel gegen die Freiheit, Grundrechte-Report 2008, Seite 138 ff.) war dies für das Verwaltungsgericht Koblenz nicht ausreichend, um A.B. seine Rechte zu verweigern (Urteil vom 21. Juli 2008 Az. 3 K 1895/07.KO). Die Teilnahme an dem Mazlum-Dogan-Jugend-, Kultur- und Sportfestival am 8. Juli 2006 im Kölner Südstadion könne nicht als Unterstützung einer terroristischen Vereinigung angesehen werden. Die Veranstaltung war genehmigt, sie findet im jährlichen Turnus in Köln statt, und es nahmen an ihr 3.000 bis 6.000 Personen teil. Der Schwerpunkt des Festivals lag bei den kulturellen und sportlichen Veranstaltungen.

Die Teilnahme von A.B. an den anderen beiden Veranstaltungen konnte nicht nachgewiesen werden. Die Erhebung, Speicherung und Verwendung von Daten ist ein Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Der Staat, der sich das Recht herausnimmt, in dieses Grundrecht einzugreifen, muss auch beweisen, dass er ein Recht dazu hat. Er darf sich nicht nur auf die Behauptung zurückziehen, er habe „Erkenntnisse“, die er nicht offenlegt und gegen die der Bürger sich folglich nicht wehren, gegen die er keinen Gegenbeweis führen kann. Der demokratische Rechtsstaat ist aufgebaut auf Transparenz, gegen seine Eingriffe muss der Bürger das nicht nur theoretische 

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