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Zukunft der Bundeswehr. 14 Gründe für die Aussetzung der Wehrpflicht in Friedens­zeiten

15. Dezember 1996

Thesen der Veranstaltung der HUMANISTISCHEN UNION, Ortsverband München und des Münchner Friedensforums, am 9.11.1996. Aus: Mitteilungen Nr. 156 (Heft 4/1996), S. 109

1. Nachdem die Bundesrepublik nur noch von Freunden umgeben ist, ist eine völlig neue Sicherheitslage entstanden.

2. Die allgemeine Wehrpflicht ist de facto bereits nicht mehr gegeben. Nur noch ein Drittel der jungen Männer eines Geburtsjahrgangs leistet Grundwehrdienst als Wehrpflichtige. Ein weiteres Drittel leistet Zivildienst oder andere Dienste außerhalb der Bundeswehr. Ein Sechstel leistet bezahlte Dienste, die von der Wehrpflicht befreien. Ein Sechstel fällt ganz aus.

3. Damit entpuppt sich das System von Wehr- und Zivildienst als eine verschleierte Form von Zwangsdienst, der nach Art. 12 der Verfassung und internationalen Verträgen verboten ist und so nicht aufrecht erhalten werden kann, wenn wir unsere Verfassung ernst nehmen.

4. Finanziell können wir uns die Wehrpflichtarmee gar nicht mehr leisten. Militärisches Gerät ist wegen fehlender Ersatzteile in einigen Bereichen nur noch zu 50% einsatzfähig.

5. Ein Massenheer ist durch die technische Entwicklung überholt.

6. Die UNO braucht nicht Soldaten für den Krieg, sondern hochqualifizierte Leute für Friedens- und internationale Polizeieinsätze.

7. Schon 1990 wurden vom leitenden wissenschaftlichen Direktor der Führungsakademie der Bundeswehr, Dr. Wolfgang Vogt, beachtenswerte Vorschläge zur „Transformation militarisierte Friedenssicherung in zivilisierte Friedensgestaltung“ erarbeitet. Die längst fällige Umsetzung dieser Gedanken wird erschwert oder gar unmöglich gemacht, solange wir an der Wehrpflicht festhalten.

8. Die Wehrpflicht ist keineswegs demokratische Norm, sondern nur eine von verschiedenen Möglichkeiten. Dies hat das Bundesverfassungsgericht 1978 ausdr@¼cklich festgestellt, als es um die Neuordnung des Kriegsdienstverweigerungsgesetzes ging.

9. Die Annäherung der Europäischen Staaten erfordert auch für uns neue Entscheidungen, wenn nach Großbritannien, Belgien und den Niederlanden nun auch Frankreich die Wehrpflicht abschafft oder aussetzt.

10. Ohne Wehrpflicht fallen Zivildienst und andere Pflichtdienste weg. Volks- und betriebswirtschaftliche Fachleute haben längst nachgewiesen, daß die volkswirtschaftlichen Kosten für die weit über 100.000 Zivis so hoch sind, daß dafür 90.000 Menschen fest angestellt werden könnten, wenn die dafür aufgewendeten Gelder den entsprechenden Kostenträgern zur Verfügung stünden.

11. Unsere Wirtschaft klagt über zu alte Berufseinsteiger. Der Wegfall der allgemeinen Wehrpflicht würde hier Entlastung um ein ganzes Jahr bringen.

12. Wegfall der allgemeinen Wehrpflicht würde mit einem Schlag die Probleme mit Wehrgerechtigkeit und Totalverweigerung lösen.

13. Die Aufteilung in normale Wehrpflichtige und Wehrpflichtige de luxe in den KRK wäre überholt.

14. Die Sonderopfer der jungen Männer an Zeit, Einkommen und Freiheit wären beseitigt. In einer modernen zivilen Gesellschaft wird Solidarität nur auf dem Boden der Freiheit wachsen. Zwangsdienste können kaum Schule für eine funktionierende demokratische Zivilgesellschaft sein.

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