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"Es gibt kein Recht auf ein gesundes Kind“ - Ein Plädoyer gegen die Freigabe der Präim­plan­ta­ti­ons­dia­gno­stik

Mitteilungen21307/2011Seite 8-11

Mitteilungen Nr. 213 (2/2011)

(Red.) In der letzten Ausgabe der HU-Mitteilungen (Nr. 212, S. 8-11) sprach sich Rosemarie Will für eine liberale Positionierung der HU zur Präimplantationsdiagnostik (PID) aus. Sie begründete ihre Forderung mit dem Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Frauen (und ihrer Partner) sowie den Kriterien einer weitgehend autonomen Familienplanung, wie sie in der Debatte um den Schwangerschaftsabbruch auch von der HU vertreten wurden.
Inzwischen hat der Bundestag am 7. Juli 2011 mit deutlicher Mehrheit die begrenzte Freigabe der PID beschlossen. Die Abgeordneten stimmten mit 326 Ja-Stimmen bei 260 Gegenstimmen und 8 Enthaltungen für den Vorschlag der Abgeordneten Flach, Hintze, Lanfermann, Montag u.a. (BT-Drs. 17/5451). Die Gendiagnostik befruchteter Eizellen ist damit zulässig, sofern eine genetische Vorbelastung der Eltern oder eine ärztliche Prognose für Tot- oder Fehlgeburt vorliegen.
Ob sich eine Bürgerrechtsorganisation bei ihrer Positionierung zur PID vor allem am Selbstbestimmungsrecht der Frauen (Eltern) orientieren soll, und welchen Stellenwert sie dem Schutz des embryonalen Lebens einräumt – diese Frage ist innerhalb der HU nicht unumstritten. Die Debatte um die PID mag vorerst abgeschlossen sein; die Fragen zum Umgang mit den menschlichen Eingriffen in das werdende Leben kommen wieder. Wir setzen deshalb an dieser Stelle die Debatte mit einer gegenläufigen Stellungnahme von Anke Pörksen fort.

Das Recht auf Leben darf aus meiner Sicht nicht geknüpft sein an Bedingungen des Nutzens, der Gesundheit, des entwickelten Selbstbewusstseins oder der Lebensfreude. Wenn bei einer Präimplantationsdiagnostik (PID) Embryonen mit genetischen Auffälligkeiten oder solche mit Chromosomenstörungen aussortiert und nur nach Feststellung einer vermeintlichen Gesundheit oder Nicht-Behindertheit in den Uterus der Mutter eingepflanzt werden, dann geschieht genau das: Wir knüpfen das Fortentwickeln dieser (totipotenten) Zellen an von uns bestimmte Bedingungen. Die meisten kranken und behinderten Menschen leben gerne und kommen auch mit ihren Einschränkungen klar, wenn und solange sie von anderen angenommen und geliebt werden. Für die Mitmenschen ist das Leben eines Menschen immer „zumutbar“. Wenn die Belastungen, die durch einen Menschen für andere entstehen, so groß sind, dass sie deren Kräfte übersteigen, ist die Gesellschaft gefordert, Hilfe zu leisten.

Zu der Rechtsfolgenabschätzung einer etwaigen Legalisierung der PID gehört die Gefahr, dass Menschen mit Behinderungen noch mehr als bislang abgelehnt und ausgegrenzt werden. Die PID ist ein Verfahren mit dem Ziel, die Geburt eines behinderten Menschen zu verhindern. Schon jetzt wird von vielen Eltern das Risiko einer Behinderung des eigenen Kindes als unerträglich empfunden. Von Dritten wird eine nach Pränataldiagnostik bewusst getroffene Entscheidung für ein behindertes Kind immer häufiger mit Unverständnis aufgenommen. Eltern eines behinderten Kindes sehen sich mitunter dem Vorwurf ausgesetzt, ‚so etwas‘ müsse doch heute nicht mehr sein. Die PID könnte die Entsolidarisierungstendenzen in unserer Gesellschaft weiter vorantreiben.

Das Gleichheitsrecht behinderter Menschen in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) wird durch die medizinischen Möglichkeiten und die individuellen Entscheidungen über einen Schwangerschaftsabbruch auch ohne die PID bereits teilweise in Frage gestellt. Diese beunruhigende Tendenz würde durch eine offizielle Legalisierung der Präimplantationsdiagnostik eine konsequente, aber fatale Fortführung erfahren. Letztlich diskriminiert das Instrument der PID auch geborene Menschen mit Behinderung: Würden beispielsweise in Zukunft alle Embryonen mit einem zur Mukoviszidose führenden Gendefekt aussortiert, könnten Träger dieser Erkrankung das als ein Signal des Unerwünschtseins verstehen. Mit Hilfe der Pränataldiagnostik werden bestimmte Krankheiten zu einem großen Teil verhindert: Föten mit Trisomie 21 beispielsweise werden zu über 95 Prozent abgetrieben, wenn die Behinderung rechtzeitig entdeckt wird.

Unsere Gesellschaft würde ärmer werden, wenn es aufgrund der PID einige Behinderungsformen nicht mehr gäbe. Inklusion ist auf dem Vormarsch und wird mehr und mehr nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen ermöglichen, in Kita und Schule wertvolle Erfahrungen im Zusammenleben mit förderbedürftigen MitschülerInnen zu machen. Wir „Gesunden“ können viel lernen von dem Mut, der Phantasie, der Lebensfreude der Menschen mit Behinderung und ihrer Angehörigen.

Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Das klingt pathetisch, ist aber vom Verfassungsgeber nach den grausamen Verbrechen des nationalsozialistischen Staates bewusst an den Anfang des Grundgesetzes gestellt worden. Gemeint ist mit Menschenwürde der soziale Wert- und Achtungsanspruch, der dem Menschen wegen seines Menschseins zukommt. Der Mensch ist Subjekt, nicht Objekt. Geschützt ist die menschliche Identität und Personalstruktur. Die Gewährleistung der Menschenwürde in Art. 1 wird durch die nachfolgenden Grundrechte konkretisiert. Für unser Thema relevant ist insbesondere noch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG: „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ Dieses Grundrecht schützt das Dasein, die biologisch-physische Existenz, jedes menschliche Leben. Das Grundgesetz kennt kein lebensunwertes Leben. Wann aber beginnt das grundgesetzlich geschützte Lebensrecht? Weitgehend unumstritten ist unter Juristinnen und Juristen, dass das werdende Leben im Mutterleib Träger des Grundrechts auf Leben ist. Nach überwiegender Auffassung beginnt die Grundrechtsberechtigung bereits mit der Befruchtung der Eizelle. Grundrechtsschutz kommt auch dem extrakorporal erzeugten Leben zugute. Nicht einig ist man sich in der Juristenschaft darüber, ob die Verletzung werdenden Lebens im Frühstadium der Verletzung geborenen Lebens gleichgesetzt werden kann, ob also eine zeitliche Differenzierung notwendig ist. Für mich ist es selbstverständlich ein großer Unterschied, ob ein lebender Mensch getötet wird oder in vitro befruchtete Eizellen. Dennoch ist auch die Verwerfung der letzteren oder deren Gebrauch zu Forschungszwecken aus meiner Sicht hochproblematisch.

Das Bundesverfassungsgericht hat in den Entscheidungen zum Abtreibungsrecht aus den Jahren 1975 und 1993 den Zeitpunkt des Beginns des Lebens nicht ausdrücklich thematisiert. Im Zusammenhang mit der Problematik des § 218 Strafgesetzbuch bestand kein Anlass, dies zu tun. Der ehemalige Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde stellt ab auf den Ursprung des Menschen, also den Zeitpunkt der Verschmelzung von Ei und Samenzelle. Sobald sich aus einer totipotenten Zelle ein ganzer Mensch entwickeln kann, wird diese Zelle unter Schutz gestellt, nicht weil sie einem fertigen Menschen gleich ist, sondern weil sie am Anfang eines natürlichen Entwicklungsprozesses steht, der in der Geburt eines Menschen münden kann. Diese Position des vollen Lebens- und Würdeschutzes von Anfang an wird von Mitgliedern der Enquetekommission des deutschen Bundestages überzeugend begründet durch das Kontinuitätsargument (Kontinuität zwischen Ursprungszelle und dem geborenen Menschen), das Potentialitätsargument (mit der abgeschlossenen Befruchtung besteht das reale Vermögen, sich zu einem geborenen Menschen zu entwickeln) und das Identitätsargument (menschliches Lebewesen und Subjekt sind identisch). Ich persönlich bin mir in der Frage der Menschenwürde im 8-Zell-Stadium nicht sicher. Es fällt mir schwer, hier von Menschenwürde im eigentlichen Sinn auszugehen, aber ich sehe eine totipotente Zelle als eine schützenswerte Vorstufe menschlichen Lebens an. Und letztlich haben alle Versuche, für den Beginn des Lebensrechts spätere Zeitpunkte festzusetzen, den Touch des Willkürlichen.

Wir lassen sie aber doch schon zu, diese Entscheidung über lebenswertes und lebensunwertes Leben, wird denjenigen, die wie ich eine PID vollständig ablehnen, entgegenhalten. In der Tat ist die Abtreibung behinderter Föten sogar noch in einer späten Phase der Schwangerschaft zulässig. Auch damit sprechen wir Lebensrecht ab und schränken es ein, und das ist ganz und gar nicht unproblematisch. Dennoch ist das Lebensrecht des Embryos kein grenzenlos garantiertes Recht. Es findet seine Grenzen im gleichen Lebensrecht anderer, etwa dem der Mutter. In der Schwangerschaft haben wir eine ganz spezielle Konfliktlage. Wir können die durch das Abtreibungsrecht geregelte Situation nicht mit der Konfliktlage von Eltern vor der Implantierung eines in vitro gezeugten Embryos vergleichen. Die Straflosigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs ist allein begründet mit der besonderen sozialen, seelischen und medizinischen Konfliktlage, in der sich die Frau aufgrund der Schwangerschaft bereits befindet bzw. durch das Austragen des Kindes gebracht würde. § 218a Abs. 2 StGB, die sogenannte medizinisch-soziale Indikation, in der seit 1995 die frühere embryopatische Indikation aufgegangen ist, stellt nicht primär auf die Behinderung oder Erkrankung des Ungeborenen ab, sondern auf die gegenwärtigen oder zukünftigen Lebensverhältnisse der Schwangeren. Der Schwangerschaftsabbruch muss angezeigt sein, um die Gefahr für das Leben oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes der Schwangeren abzuwenden und diese Gefahr nicht auf eine andere, für die Schwangere zumutbare Weise abgewendet werden kann.

Eine entsprechende Konfliktlage besteht bei einer Frau, die die In-vitro-Fertilisation gerade wegen der Möglichkeit einer PID wählt, nicht. Die direkte körperliche Verbundenheit, die für die Schwangere eine große Belastung, für den Embryo aber auch ein großer Schutz sein kann, ist noch nicht vorhanden. Keine schwangere Frau macht sich die Entscheidung für eine Abtreibung leicht. So gut wie nie aber werden sich die Eltern im Anschluss an eine fatale PID für die Implantation des Embryos entscheiden. Ich halte es insofern mit Regina Kollek, Mitglied des Deutschen Ethikrates, für konsequent, dem in vitro entstandenen Embryo einen stärkeren Schutz angedeihen zu lassen, als dem in vivo gezeugten. Dennoch bleibt es schwer zu erklären, dass ein 8-Zellen-Mensch in vitro gesetzlich besser geschützt ist als ein 20 oder 24 Wochen alter lebensfähiger Fötus in der Gebärmutter. Ob das zum 1.1.2010 in Kraft getretene Schwangerschaftskonfliktgesetz Spätabtreibungen wirklich in hinreichender Weise eingrenzt, bezweifle ich sehr.

Ein Paar, das seine Disposition für genetisch bedingte Erkrankungen kennt oder vielleicht gar schon ein oder mehrere kranke oder behinderte Kinder bekommen und unter Umständen wieder verloren hat, steht in einem furchtbaren Konflikt. Diese Menschen haben mein ganzes Mitgefühl. Wir brauchen aber aus meiner Sicht als Politiker/innen dennoch den Mut, solchen Menschen offen zu sagen, dass wir sie aus übergeordneten ethischen Erwägungen bitten, entweder das Risiko eines kranken Kindes einzugehen oder auf ein eigenes Kind zu verzichten und ein Kind zu adoptieren oder ein Pflegekind anzunehmen. Das ist für viele schwer, sehr schwer, aber sie/wir müssen es in Kauf nehmen, angesichts des durch die PID bedrohten Lebensrechts unzähliger Embryonen. Es gibt kein Recht auf ein gesundes Kind, lediglich das berechtigte Streben danach. Es gibt ein Recht der Kinder auf liebende Eltern und ihr unbedingtes Recht, um ihrer selbst willen zur Welt zu kommen und angenommen zu werden. Man darf nicht zugunsten des vermeintlichen ‚Glücks‘ von Eltern Embryonen schädigen, die mit bestimmten Genen behaftet sind. Gute Absichten, wie hier der Wunsch, diesen Paaren zu helfen, zählen zu den moralisch am stärksten korrumpierbaren Kräften überhaupt.

Ärztinnen und Ärzte haben sich seit Jahrhunderten in ihrem (hippokratischen) Berufseid verpflichtet zu helfen und zu heilen und „niemandem zu schaden“. Die PID ist ein Selektionsverfahren, das aus Sicht vieler Mediziner mit der Aufgabe des Arztes unvereinbar ist. Die PID stellt sich nicht in den helfenden Dienst; sie folgt nicht dem hippokratischen Eid, das menschliche Leben in all seinen Formen und seiner Vielfalt zu würdigen und ihm zu helfen. Vor dem Hintergrund der Schuldverstrickung des deutschen Volkes, der Medizin und der aktiven und passiven Mittäterschaft von Medizinern im „Dritten Reich“ bei Verbrechen wider die Menschlichkeit haben die Deutschen eine besondere Verantwortung im Umgang mit selektiven Mechanismen in der Medizin. „Bei den Nationalsozialisten ging es um staatlichen Zwang, um – wenn man so will – ‚Eugenik von oben'“, so der Medizinhistoriker Axel W. Bauer. „Die heutige Eugenik ist eher eine ‚Eugenik von unten‘: Es geht um den Wunsch des Einzelnen. Es sind ja die Bürgerinnen, die zum Humangenetiker oder zum Frauenarzt gehen und im Rahmen einer künstlichen Befruchtung solch eine Analyse machen lassen mit dem Ziel, ‚unerwünschte‘ Embryonen auszusortieren. Das ist sozusagen die liberale, ‚fortschrittliche‘ Variante der Eugenik. Aber das grundsätzliche Ziel bleibt: Krankheit oder Behinderung zu eliminieren, indem man die Geburt entsprechend betroffener Kinder verhindert.“
Ohne diesem Aspekt hier einen zu großen Stellenwert geben zu wollen, spielt für mich persönlich der christliche Glaube durchaus eine erhebliche Rolle im Umgang mit der PID. Gott hat die Menschen geschaffen nach seinem Ebenbild, auch die kranken, schwachen und behinderten Menschen. Und es ist nicht Sache des Menschen, ihm dergestalt ins Handwerk zu pfuschen. Aus diesem Grund bin ich übrigens auch – anders als einige andere in der HU – gegen jedwede Legalisierung von Sterbehilfe!

Jan Ross hat es vor Jahren einmal in der Zeit geschrieben: „Es war das Grundübel aller Utopien, dass sie um ihrer großen Ziele willen auch großzügig in der Wahl ihrer Mittel verfuhren, dass sie den Sinn für das unbedingt Verwerfliche verloren, weil sie das unbedingt Erstrebenswerte um jeden Preis erreichen wollten.“ Ähnlich verhält es sich für mich mit der PID. Das Ziel, Eltern die Geburt eines gesunden Kindes zu ermöglichen, rechtfertigt nicht das Aussortieren zahlreicher kranker Embryonen.

Eine klar begrenzte Zulassung der PID, wie die Bundesärztekammer sie vorschlägt, ist nicht realistisch. Die aktuelle Debatte um die Möglichkeiten der PID sowie die Erfahrungen mit der bisherigen Pränataldiagnostik machen deutlich, dass sich ein derartiges Verfahren nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand auf längere Sicht nicht auf bestimmte Diagnosen und Risikogruppen und durch Verfahrensvorschriften eingrenzen lässt. Mit einer Erweiterung der diagnostischen Möglichkeiten wird auch die Nachfrage von Eltern, Medizinern und Interessengruppen nach der Zulassung solcher Diagnosemethoden steigen. Woher nehmen wir die Hoffnung und das Vertrauen darauf, dass es uns gelingen wird, dann nein zu sagen, wo wir uns heute zu einem solchen Nein nicht in der Lage sehen? Kaum ein/e Befürworter/in der PID hält einen Katalog kasuistisch aufgezählter genetisch indizierter Krankheiten für eine realistische Eingrenzung dieser Methode. Trisomie 21, das Down-Syndrom beispielsweise gilt unter Fachleuten als die Betroffenen und ihre Familien nicht übermäßig belastende Chromosomenstörung. Eine PID, bei der entgegen dem ausdrücklichen Wunsch der Eltern Embryonen mit dieser Behinderung nicht aussortiert werden, können wir uns kaum vorstellen.

Die Rechtsprechung zum „Kind als Schaden“ mit kaum absehbaren Regressfolgen für Ärzte wird auch bei der PID ihre Wirkung zeitigen. Auch eine Begrenzung nur auf bestimmte Personenkreise – wie sie jetzt der Rat der Evangelischen Kirche vorgeschlagen hat – wird bei entsprechender Nachfrage nicht durchzuhalten sein. Wen wollen wir wegschicken, wenn die Methode erst einmal etabliert ist, wen wollen wir zulassen: Die auf eine In-vitro-Fertilisation angewiesenen unfruchtbaren Paare, diejenigen mit Erbkrankheiten oder Chromosomenanomalien in der Familie, diejenigen, die ein bestimmtes Alter überschritten haben? Wie sollen wir umgehen mit sich spät manifestierenden Krankheiten mit erblicher Ursache (z. B. Chorea Huntington, Alzheimer/Parkinson-Disposition), die erst viel später zu Erkrankungen führen (z. B. Chorea Huntington im 35. bis 40. Lebensjahr!)? Sollen auch Veranlagungen für Erkrankungen (z. B. Diabetes), die vielleicht gar nicht ausbrechen, als Grund für eine Selektion anerkannt werden? Der Nationale Ethikrat hat dies 2003 als eine Option bezeichnet, die man betroffenen Eltern „nicht verweigern“ dürfe.

Das sogenannte „Dammbruch-Syndrom“ (engl. slippery slope) hat sich in Teilen bereits bei der Pränataldiagnostik gezeigt. Ich halte es auch im Hinblick auf die PID für wahrscheinlich, dass wir auf eine schiefe Ebene geraten würden. Die moralische Hemmschwelle abzutreiben liegt bei vielen Menschen niedriger als vermutet: Umfragen kommen zu dem Ergebnis, dass beispielsweise eine Anlage zu Fettleibigkeit oder eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte von vielen als Abtreibungsgrund gewertet werden. Die Entscheidung für ein Aussortieren eines Embryos im Reagenzglas aber fällt bedeutend leichter als die Entscheidung für die Abtreibung eines Fötus.

Dies sind nur einige Gründe von vielen. Ich wünsche mir eine intensive und ernsthafte Auseinandersetzung mit den Fragen um die PID auch in der HU und bin gerne bereit, diese Diskussion aktiv mit Euch und den Mitgliedern zu führen.

Anke Pörksen
ist Vorsitzende des HU-Landesverbandes Hamburg und 
Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen (ASJ)

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