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Nachruf für Gerd Eggers

Mitteilungen21307/2011Seite 8-9

Mitteilungen Nr. 213 (2/2011)

Im März erreichte uns die traurige Nachricht, dass Gerd Eggers, der Koordinator von „Pro Ethik“, gestorben ist. Mit Gerd Eggers verliert auch die Humanistische Union (HU) einen engagierten Mitstreiter, Aktivisten, Experten und Netzwerker, der sich insbesondere um die Religionsfreiheit in der Schule in unschätzbarer Weise verdient gemacht hat.

Gerd Eggers

geboren 21.12.1948 in Oldenburg
gestorben 12.3.2011 in Bad Saarow

Wir trauern um den Koordinator des Bündnisses „Pro Ethik“, unser ehemaliges Mitglied des Bundesvorstandes und des Landesvorstandes Berlin-Brandenburg.

Sein Engagement für die uneingeschränkte Freiwilligkeit des Religionsunterrichts, für die Gleichstellung unterschiedlicher Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und für das neutrale Fach Ethik an Berliner Schulen bleibt uns Verpflichtung.

Humanistische Union e.V.

Zum Berliner Landesverband der HU fand Gerd Eggers 1995, im Zusammenhang mit damaligen Versuchen der Kirchen und des Bildungssenators, das vergleichsweise fortschrittliche „Berliner Modell“ abzuschaffen. Nach diesem Modell war (und ist) der Religionsunterricht an den staatlichen Schulen Berlins ein vollständig freiwilliges Angebot in Trägerschaft der Religions- und Weltanschauungsgemeinschafen. Für Gerd Eggers war es ein zentrales bürgerrechtliches Anliegen, sich für den Erhalt dieser – im Vergleich zu anderen Bundesländern – stärkeren Trennung von Staat und Kirche unter der „Bremer Klausel“ des Grundgesetzes einzusetzen. Gleichzeitig engagierte er sich mit der HU dafür, dass Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften jenseits der etablierten Kirchen nicht benachteiligt werden, ob Aleviten und Buddhisten  in Berlin oder der Humanistische Verband in Brandenburg.

Schon vor seiner HU-Zeit hatte Gerd Eggers an der Entwicklung des Faches „Lebensgestaltung – Ethik – Religionskunde“ (LER) in Brandenburg mitgewirkt. LER als bekenntnisneutrales Fach für alle Schülerinnen und Schüler zu verteidigen und ein ähnliches Fach für Berlin ins Gespräch zu bringen, gab unserer Arbeit neue Impulse. Geduldig erläuterte er immer wieder den Unterschied zwischen bekenntnisgebundenem Religionsunterricht und bekenntnisneutraler Religionskunde, schrieb Positionspapiere, stellte sie zur Diskussion, überarbeitete sie. Schließlich überzeugte er uns, dass ein religionskundliches Fach auch und gerade in einer religiös, weltanschaulich und kulturell so vielfältigen Stadt wie Berlin große Chancen für Verständigung und Integration bietet und gleichzeitig der staatlichen Neutralität in Glaubensdingen sowie der Gleichberechtigung der Religionen und Weltanschauungen Rechnung trägt.

Nicht nur die HU überzeugte Gerd Eggers, sondern auch zahlreiche andere Menschen, Vereinigungen, Parteien, Regierungsmitglieder. Wie kein anderer hat er es verstanden, breite Bündnisse zu schmieden und zu koordinieren, deren zentrale Figur er war und in denen die HU als bürgerrechtliche Facette beteiligt war. Gerd Eggers hatte maßgeblichen Anteil daran, dass in Berlin das bekenntnisfreie Pflichtfach „Ethik“ eingeführt wurde. Der Gestaltung und dem Erhalt dieses Faches galt in den letzten Jahren seine ganze Energie.
Gerd Eggers war ein Experte, dessen fachliches Wissen, Akribie und Fleiß es ihm ermöglichte, es mit Politikern, Kirchenfunktionären und Regierungsbeamten aufzunehmen. Dabei ging es ihm überhaupt nicht darum, in der Auseinandersetzung in erster Reihe zu stehen. Ganz im Gegenteil. Ihm ging es nie um Rampenlicht, Titel oder Posten. Ihm ging es um die Sache. Und diese Sache verfolgte er persönlich, bescheiden, beharrlich, wenn nötig energisch.
Sein vielleicht wichtigster Kampf war die Abwehr des Versuchs von Kirchen und CDU, das gemeinsame Fach Ethik zu einem Wahlpflichtfach herabzustufen und damit de facto zu einem Ersatzfach für religionfreie Schüler und Kinder nichtchristlicher Religionen zu machen. Die Initiative „Pro Reli“ konterte er mit dem Bündnis „Pro Ethik“, das dafür warb, beim Berliner Volksentscheid gegen die Abschaffung von Ethik als gemeinsames Fach für alle Schülerinnen und Schüler zu stimmen. Als scheinbar unermüdlicher Koordinator dieses Bündnisses war er die maßgebliche Kraft, die schließlich zum Erfolg führte: Die Mehrheit der abgegebenen Stimmen sprach sich für den Erhalt des Ethikunterrichts aus. Als das Ergebnis am Abend der Volksabstimmung eintraf, reagierte Gerd Eggers typischerweise nicht mit Triumph, aber mit sichtbarer Genugtuung. Allen Bündnismitgliedern war klar: Dies ist sein Lebenswerk.
Einen anderen großen persönlichen Kampf, den gegen Krebs, hat Gerd Eggers über Jahre geführt. Das war uns bekannt, aber er sprach wenig darüber. Dass es am Schluss so schnell zu Ende ging, traf viele von uns unvorbereitet. Am 12. März verstarb Gerd Eggers in Bad Saarow. Am 7. April wurde er im Waldfriedhof Berlin-Zehlendorf beigesetzt. Zahlreiche Mitstreiterinnen und Mitstreiter aus den unterschiedlichen Zusammenhängen, in denen Gerd sich bewegte und die er gut zusammenzuführen wusste, würdigten sein Wirken und werden ihn in Erinnerung behalten.

Roland Otte

Gerd Eggers: Kulturkampf gegen gemeinsamen „Werteunterricht“ in Berlin, Mitteilungen 189, S. 8-9
G. Eggers & R. Otte: Ungleichbehandlung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in Brandenburg , Mitteilungen 174, S. 47-50
Gerd Eggers, Schule als Tummelplatz von Missionsinteressen? Mitteilungen 158, S. 51-52

Weitere Nachrufe und Erinnerungen an Gerd Eggers unter:
http://www.proethik.info/start/aktuelles/.

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