Themen / Demokratisierung

MAI bringt nur Unternehmen Frühlings­ge­fühle HU kritisiert undemo­kra­ti­sches Abkommen

01. Juni 1998

HU-Pressemitteilung

Mitteilungen Nr. 162, S. 56

„Wenn das MAI unterschrieben wird, rangiert die Wirtschaft vor den Menschen“, sagt Franz-Josef Hanke. Der Vorsitzende des HU-Ortsverbands Marburg warnt vor einer möglichen Einschränkung demokratischer Strukturen durch das „MAI“.
Diese Abkürzung steht für das „Multilaterale Abkommen über Investitionen“. Dabei handelt es sich um eine Übereinkunft, mit der die 29 Mitgliedsstaaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) die Souveränität der Unterzeichnerstaaten begrenzen.
Nutznießer dieses Abkommens sind Investoren, die ihr Geld im Ausland anlegen. Sie sollen vor einer Verstaatlichung ihres Eigentums in Drittstaaten ebenso geschützt werden wie vor einer Benachteiligung gegenüber einheimischen Unternehmen. Einen Benachteiligungsschutz der einheimischen Investoren gegenüber Auslandsinvestitionen gibt es hingegen nicht.
Soziale Standards und Regelungen zum Umweltschutz auf nationaler Ebene werden durch dieses Abkommen eingeschränkt. Letztlich können Regierungen dann in ihren Territorien nicht mehr souverän entscheiden, sondern bewegen sich in den engen Grenzen, die das MAI-Abkommen setzt.
„Es ist zu befürchten, daß durch dieses Abkommen ein Druck gerade auf Entwicklungsländer entsteht, sich dem MAI zu unterwerfen, wenn sie überhaupt eine Chance auf wirtschaftliche Entwicklung erhalten wollen“, meint Swantje Goebel.Die Studentin vertritt die humanistische Union in einer Arbeitsgruppe zur Aufklärung über das MAI, die sich Mitte Mai in Marburg konstituiert hat.
1996 hatten grenzüberschreitende Direktinvestitionen weltweit eine Größenordnung von 350 Milliarden US-Dollar, von denen 85 % auf die OECD-Mitgliedsländer entfielen. Den rechtlichen Rahmen dafür setzen derzeit 1.630 unterschiedliche zwischenstaatliche Investitionsabkommen. Wie das GATT (General Agreement of Tarifs and Trades) seit Jahren den internationalen Warenverkehr regelt, so soll nun das MAI grenzüberschreitende Investitionen schützen.
Seit Mai 1995 wird im exklusiven Club der reichen Industrieländer hinter verschlossenen Türen über das MAI (Multilateral Agreement on Investment) verhandelt. Beteiligt sind neben der OECD auch die EU-Kommission und als Beobachter Argentinien, Brasilien, Chile, die Slowakei und Hongkong.
Von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbeachtet, sollte das MAI ursprünglich im Mai dieses Jahres unterzeichnet werden. Doch demokratischer Widerstand – vor allem in Frankreich – macht diesen Zeitplan nun unmöglich. Der Kritik am MAI schließt sich auch die Humanistische Union an.
Das MAI räumt Investitionen in den UnterzeichnerstaatenVorrang vor den Bürgerrechten ein: Beschränkungen dürfen ausländischen Anlegern demnach nur auferlegt werden, wenn sie „internationalen Gepflogenheiten“ entsprechen. Die im MAI vorgeschriebene Nichtdiskriminierung von ausländischen Investoren gilt auch für jede Form der Privatisierung. Wie selbstverständlich schützt das MAI ausländische Investoren vor Enteignung.
„Eine US-Firma könnte dann vor dem Internationalen Gerichtshof klagen gegen den Grünen Punkt oder gegen die Mitbestimmung des Betriebsrats“, argwöhnt Swantje Goebel.“Regieren würden letztlich die Konzerne und nicht die demokratisch gewählten Volksvertreter!“

Dragan Pavlovic
(HU-Pressesprecher). Für Rückfragen: Tel. 06421/628 16 und Franz-Josef Hanke: 06421/666 16

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