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Für eine echte Trennung von Staat und Kirche

01. Januar 1999

Leserbrief

Mitteilungen Nr. 165, S. 18

Zur Selbstdarstellung des HVD in den Mitteilungen, Nr.164 vom Dezember 1998, Seite 105-107 (online-Ausgabe Seite 108 ) schreibt Gerhard Rampp, Augsburg

Es ist bemerkenswert, daß die HU-Mitteilungen neuerdings anderen Organisationen breiten Raum bietet. Leider haben Selbstdarstellungen wie die des Humanistischen Verbands (HVD) oft die Eigenschaft, dem eigenen Wohl zuliebe die Sachlage einseitig oder in Einzelfällen sogar unrichtig darzustellen.

1. Der HVD ist keineswegs die „einzige“ Organisation, die das Gedankengut der Freidenker und Freireligiösen weiterführt, und schon gar nicht „das“ Sammelbecken der Konfessionsfreien. Es gibt vielmehr eine ganze Reihe ähnlicher Vereinigungen, deren weitaus größte der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften (DFW) ist, dem die Freireligiösen, ein Teil der Freidenker, der Bund für Geistesfreiheit, die Unitarier, der Fachverband für weltliche Trauerkultur und eine Reihe kleinerer weltanschaulicher oder sozial engagierter Verbände angehören. Mit insgesamt über 30.000 Mitgliedern ist dieser Dachverband weit größer als der HVD, der zwar seine Mitgliederzahl öffentlich mit 10.000 angibt, nach Angaben von mir persönlich bekannten Mitgliedern faktisch aber nur rund 3.000 hat. Daneben gibt es noch einige kleinere Verbände wie den Deutschen Freidenker Verband (DFV) und den internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA).

2. All diese Verbände geben an, für die Trennung von Staat und Kirche einzutreten, doch zeigt gerade die Position des HVD, daß in der heutigen säkularisierten Gesellschaft kaum jemand in eine weltlich-humanistische Organisation eintritt, um dort ein Gedankengut zu pflegen, das er ohne Verband auch vertreten kann. Ob die Resonanz durch das Angebot einer weltlichen „Feierkultur“ größer wird, bleibt allerdings fraglich, denn im Westen finden nur Trauerfeiern nennenswerten Zuspruch, und im Osten erfreut sich die „Jugendweihe“ vorläufig zwar einer gewissen Beliebtheit, aber nicht aus weltanschaulichen Gründen, sondern aus dem Bestreben heraus, dem Westen gegenüber eine kulturelle Eigenständigkeit zu bewahren. Der HVD hofft, die große Masse der inzwischen 25 Millionen Konfessionslosen durch „humanistische“ Serviceleistungen an sich zu binden. Damit wird ein eigentlich lobenswertes soziales Engagement – genau wie bei Caritas und Diakonie – für verbandsegoistische Zwecke instrumentalisiert. Und worin unterscheiden sich solche Sozialangebote von denen der bereits existierenden weltlichen, konfessionsneutralen Wohlfahrtsverbände? So überflüssig spezifisch christliche Sozialorganisationen sind, weil Christen auch in öffentlichen Einrichtungen ihre Überzeugung in die Tat umsetzen können, so wenig braucht es eine spezifisch humanistische Variante. Sozialarbeit sollte nicht nach Konfessionen aufgespalten werden.

3. Überdies finanziert der HVD seine Sozialarbeit praktisch ausschließlich aus Steuermitteln oder aus den Entgeldern der Nutzer. Damit reduziert sich die Forderung nach Trennung von Staat und Kirche zwangsläufig auf den eigennützigen Anspruch, „daß bestimmte gesellschaftliche Aufgaben von den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften eigenverantwortlich und im wesentlichen ohne staatliche Einmischung wahrgenommen werden, zum Beispiel in der Schule oder auf dem weiten Feld der sozialen Arbeit.“ Dieser Orginalton HVD könnte wörtlich von den Kirchen stammen. Kein Wunder, daß er über den (in Berlin freiwilligen) Religions- und Lebenskunde-Unterricht feststellt: „Ein großer Vorteil ist, daß der Staat 90 Prozent der Personalkosten trägt.“ Bei dieser mit den Kirchen identischen Interessenlage wird der HVD naturgemäß darauf hinarbeiten, daß der Staatszuschuß auf 100 Prozent erhöht wird. Mit dem laizistischen HU-Grundsatz „Entkirchlichung des Staates und Entstaatlichung der Kirche“ hat dieses Staat-Kirche-Verständnis nichts mehr zu tun. Der Humanistischen Union geht es um den Abbau von Privilegien der Kirchen gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen, HDV strebt hingegen die Gleichstellung mit den Kirchen an, also die Erweiterung des Kreises der Priviligierten um einen Verband – natürlich den eigenen. Am deutlichsten zeigt sich dies bei der Militärseelsorge: während die HU zusammen mit den zahlreichen anderen (auch kirchlichen!) Gruppen für die Rückführung von staatlicher in kirchliche Trägerschaft eintritt, will der HDV das Gegenteil: Auch die konfessionsfreien Soldaten sollen auf Staatskosten moralische Aufrüstung erfahren von – na, von wem wohl?

4. Wenn ein Verband von Konfessionsfreien wirklich eine Aufgabe wahrzunehmen hat, dann ist es die politische Interessenvertretung der Kirchenfreien, die zwar fast ein Drittel der Bevölkerung stellen, aber im öffentlichen Leben weitgehend ignoriert werden. Um dies im rechtlichen und finanziellen Bereich zu ändern, ist die HU die weit bessere Organisation, ganz davon abgesehen, daß es oft engagierte Einzelpersonen sind, die Zeichen setzen – so das Ehepaar Seler beim Streit ums Schulkreuz oder die Familie Neumann beim Eintreten gegen ein Religions-Ersatzfach. In beiden Fällen hat der Bund für Geistesfreiheit die Verfahren unterstützt, im zweiten auch die Humanistische Union. Andere hielten sich leider vornehm zurück.
Um nicht mißverstanden zu werden: Auch der Humanistische Verband hat seine positiven Seiten, nicht zuletzt seine Zeitschriften diesseits und humanismus aktuell und den Autor Christian John schätze ich als integren und fähigen Menschen. Doch darf nicht unterschlagen werden, daß sich diese Vereinigung in ihrer Zielsetzung viel stärker von der Humanistischen Union unterscheidet, als dies angesichts des ähnlichen Namens zu vermuten ist.

Gerhard Rampp, Augsburg

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