Publikationen / Mitteilungen

Der Feisten reiche Kleider

Mitteilungen09/1999Seite 67

Mitteilung nr. 167, S. 67

Christian Andersens Märchen-Kaiser war nackt, ließ sich aber und dem Volk weismachen, er trüge prächtige Kleidung.
Unsere Oligarchen, also die, die bei uns das Geld und das Sagen haben, machen dem Volk weis, sie seien arm, mager und ausgehungert und – wenn überhaupt – dann schäbig gekleidet; derweil sie doch dick und fett und feist und satt und wohlgenährt und in teuerster Gewandung einherkutschieren und einherfliegen. Man möchte glauben das Volk würds sehen und merken. Aber nein: andersen-gemäß glauben die weniger Bemittelten und weniger Mogelnden ihren eigenen Augen weniger glauben zu dürfen als dem krokodils-tränigen Gerede der dreisten Feisten und lassen sich von denen auch noch als Sozialneidhammel beschimpfen. Dabei beneiden sie keineswegs die wohlgenährten, wohlgekleideten und wohlfliegenden mitleidheischenden Nacktmogler, sondern die die um ein wenig weniger wenig haben als sie selbst, denen ein wenig weniger genommen wird als ihnen selbst, und sie lassen sich von den schmarotzierenden Feistdreisten noch mehr aus den immer leerer werdenden Taschen klauben, ja gebens sogar freiwillig, nur darauf schielend, daß ihren Mitkaumbemittelten nur ja auch tüchtig in die Taschen gegriffen werde.

Wo bleibt Andersens Aufklärer-Märchenkind?

Johannes Glötzner

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