Themen / Rechtspolitik

HU-Stel­lung­nahme zur Neuregelung der Gefan­ge­nen­ent­loh­nung

01. September 2000

Mitteilung Nr. 171, S. 62

 Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Däubler-Gmelin,

wir bedanken uns für die Gelegenheit, einige Gedanken zu dem von Ihnen vorgelegten Entwurf äußern zu können, wenn auch die Frist für eine ehrenamtlich tätige Organisation wie uns, außerordentlich kurz war. (…) Die nachfolgende Stellungnahme basiert im wesentlichen auf Vorarbeiten unseres Beiratsmitglieds Prof. Ulrich Vultejus (Richter a.D.).
Grundsätzlich wird der Entwurf begrüßt, insbesondere insofern, als er wenigstens versucht, den Vorgaben des Verfassungsgerichtes nachzukommen, während die Vorstellungen der Landesjustizminister den verfassungsrechtlichen Notwendigkeiten nicht gerecht werden, mit der Begründung fehlender finanzieller Mittel; ein solches Argument kann aber die Verfassung nicht aushebeln.
Im einzelnen möchten wir wie folgt Stellung nehmen:

1. Die Beschränkung des Gesetzentwurfs auf die Entlohnung und den Arbeitsurlaub wird begrüßt, weil sonst die Gefahr besteht, daß die Gesichtspunkte des Arbeitsentgelts und Vollzugserleichterungen miteinander verrechnet werden.

2. Die Gleichstellung aller Gefangenen wird lebhaft begrüßt. Ebenso entschieden werden die Differenzierungsbemühungen der Landesjustizminister abgelehnt.

3. Die Erhöhung der Entlohnung ist zwar ein erster Schritt, erscheint verfahrensrechtlich allerdings weiterhin unzureichend. Noch schlimmer: Die Regelungen über die Verwendung der Entlohnung machen die geringfügige Erhöhung wieder zunichte. Das Hausgeld, also das Geld, über das der Gefangene frei verfügen kann, wird praktisch nicht erhöht und um weniger als den Inflationsausgleich. Dabei ist es gerade der Anreiz jedes Arbeitsentgelts, über das Geld frei verfügen zu können, sinnvoll oder auch weniger sinnvoll. Die mit dem Strafvollzugsgesetz erstrebte und vom Bundesverfassungs-gericht geforderte Angleichung an das Leben in Freiheit wird gerade nicht erreicht. Gerade die weniger sinnvolle Geldausgabe beinhaltet ein nicht zu unterschätzendes Lehrgeld! Nach dem Entwurf fließt das erhöhte Arbeitsentgelt mittelbar wieder in die Staatskasse, indem Unterhaltszahlungen an die Angehörigen geleistet werden und deren Sozialhilfe gekürzt werden kann und indem Gerichtskosten bezahlt werden können.

4. Unsere Vorstellung über die Verwendung des Arbeitsentgelts: A) Unpfändbarkeit des Arbeitsentgelts. B) Erhöhung des frei verfügbaren Hausgeldes. C) Verzicht auf Gerichtskosten bei in Haft befindlichen Strafgefangenen. D) Keine Anrechnung von Unterhaltszahlungen an Angehörige auf deren Sozialhilfe und vergleichbare Zahlungen. E) Zahlungen nach Absprache mit dem Gefangenen. Bei keiner Einigung Entscheidung durch den Strafvoll-streckungsrichter. Hierbei sind gleichrangig zu berücksichtigen, Altschulden des Gefangenen (etwa rückständige Miete), Unterhalts-zahlungen an Angehörige und Schadensersatzansprüche der Geschädigten je nach Fall.
Das Arbeitsentgelt dient nicht der Entlastung von Versicherungen, seien es private oder soziale! Dies kann erst dann in Betracht kommen, wenn das Arbeitsentgelt von Strafgefangenen dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt von Nichtstrafgefangenen in vollem Umfang entspricht. Es muß erreicht werden, daß der Gefangene – Angleichung an das Leben in Freiheit – über sein Geld „frei“ verfügen kann. Wer will behaupten, daß eine durchnormierte gesetzliche Regelung besser ist als die Entscheidung des Gefangenen? Es kann im Sinne der Resozialisierung im Einzelfall durchaus sinnvoller sein, bei kurzfristiger Haft durch die Bezahlung der Miete die Wohnung zu erhalten, als Schadensersatz zu leisten. Die Notwendigkeit, mit dem Gefangenen auf gleicher Ebene zu verhandeln, ist auch für das Personal der Anstalten lehrreich.

5. Das Überbrückungsgeld ist ein Kapitel für sich. So, wie es ist, sollte es besser gestrichen werden, da es nur der Entlastung öffentlicher Kassen dient! Was soll ein Überbrückungsgeld etwa bei einem zu lebenslänglicher Haft Verurteilten; es wäre ein Hohn! Statt dessen Anlage eines verzinslichen Sparguthabens, über das auch während der Haft verfügt werden kann, auch zugunsten von „Luxusausgaben“. Soll eine Gefangene oder ein Gefangener nicht auf einen schönen Seidenschal sparen dürfen, wenn er ihr / sein ohnehin bescheidenes Glück mehrt? Oder als Geschenk an die Freundin?

Zu einer detaillierten, ins Einzelne gehenden Stellungnahme fehlt mir die Zeit. Diese kurzen Bemerkungen mögen dennoch für das Gesetzgebungsverfahren von Nutzen sein.

Dr.Till Müller-Heidelberg,
Bundesvorsitzender Humanistische Union e.V.

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