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01. Juni 2001

Mitteilung Nr. 174, S. 34

PROF. DR. HERTA DÄUBLER-GMELIN MdB 12. März 2001                    An den Bundesvorsitzenden der Humanistischen Union e. V.       Herrn Dr. Till Müller-Heidelberg, Greifswalder Str. 4 in 10405 Berlin

Sehr geehrter Herr Dr. Müller-Heidelberg, lieber Till,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 31. Januar, mit dem Sie mich auf die Position der Humanistischen Union zu einer möglichen Wiederauflage der Kronzeugenregelung hinweisen (Anm. d. Red.: das Schreiben wurde in den Mitteilungen 173, S. 2 abgedruckt). Wie Sie sicher wissen, sind mir die Argumente gegen die alte Kronzeugen-regelung bestens vertraut, und tatsächlich ist es ja kein Zufall, dass wir diese Regelung abgeschafft haben. Ich darf Ihnen darüber hinaus versichern, dass an eine Neuauflage der alten Regelung nicht gedacht ist.

Ich möchte es aber bewusst nicht bei diesem eher formalen Hinweis belassen. Zugleich mit der Abschaffung der alten Kronzeugenregel-ung hat die Koalition eine Prüfung der Frage beschlossen, ob eine Milderungsmöglichkeit bei Präventions- und Aufklärungshilfe im allgemeinen Strafrecht notwendig und möglich ist und selbstver-ständlich wird das Bundesjustizministerium diesen Prüfungsauftrag der Mehrheitsfraktionen im Parlament gewissenhaft erfüllen. Das gleiche gilt für die entsprechende Prüfbitte, die meine Kolleginnen und Kollegen während der letztjährigen Justizministerkonferenz an mich gerichtet haben. In diesen Zusammenhang sind also die Meldungen einzuordnen, die einschlägige Überlegungen des Bundesjustizministeriums zum Gegenstand haben. Eine Entscheidung über “Ob” und ggf. “Wie” entsprechender Regelungen ist noch nicht gefallen. Zur Notwendigkeit einer solchen Regelung wird immer wieder auf die Studie verwiesen, die im KFN von Christian Pfeiffer entstanden ist. Dass Strafrechtspraktiker bei Justiz und Polizei eine entsprechende Regelung überwiegend wünschen, wie die Studie für den dort zu Worte kommenden Personenkreis nachweist, kann ich auch nachvollziehen; die Frage nach einer echten Notwendigkeit ist für mich damit aber noch nicht unbedingt beantwortet.

Der Hinweis, dass die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextrem-ismus bei aller erforderlichen Intensität nicht jedes Mittel rechtfertigen kann, ist völlig richtig. Zum Teil ist es fast schon amüsant zu sehen, welche Uralt-Hüte unter dem Stichwort “Bekämpfung des Rechtsextremismus” wieder hervorgezaubert werden. Der Natur der Anliegen nach und übrigens auch nach der rechtspolitischen Einordnung derjenigen, die sie vorbringen, handelt es sich dabei in der Regel um repressive Maßnahmen, denen eine präventive Wirkung eher angedichtet als tatsächlich zu Eigen ist und die schon früher völlig zu Recht abgelehnt wurden. Ob unser beider generelle Einschätzung, die ja insoweit völlig übereinstimmt, indessen stets und ausnahmslos richtig ist, wenn es um die Unterstützung von Aussteigern aus der rechtsextremistischen Szene, letztlich also um Prävention geht, ich gestehe ganz offen: Da bin ich mir nicht so sicher.

Sollte es tatsächlich zu einer gesetzlich festgeschriebenen Milderungsmöglichkeit bei Präventions- und Aufklärungshilfe kommen – ich betone noch einmal, dass das noch nicht entschieden ist –, muss natürlich der von Ihnen angeführte Aspekt ganz besonders berücksichtigt werden, dass nämlich eine solche Regelung einen Anreiz zu falscher Verdächtigung schaffen könnte. In diesem Zusammenhang und auch darüber hinaus müsste zudem sicherge-stellt sein, dass diese Regelung nur in einem möglichst transparenten Verfahren zur Anwendung kommen darf; für „Hinterzimmerdeals“ bin ich jedenfalls nicht zu haben.

Wie Sie sehen, gibt es noch eine Menge zu erörtern. Ich würde mich freuen, wenn wir darüber in Kontakt bleiben könnten.                    

Mit freundlichen Grüßen

Herta Däubler-Gmelin

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