Publikationen / Mitteilungen

Betriebs­blind?

Mitteilungen03/2001Seite 16-17

Ute Kühling: „Die Landesmedienanstalten für den Privaten Rundfunk“, HU-Mitteilungen 172, Dez. 2000: 94-95:

Mitteilung Nr. 173, S. 16-17

Entweder ist die Situation in Niedersachsen völlig verschieden von der in Bayern oder Frau Kühling ist „betriebsblind“:

  1. In Bayern ist die Zusammensetzung des Medienrates völlig undemokratisch. Durch das Bayerische Mediengesetz wird gewährleistet, dass die parteilichen Vertreter in der überwältigenden Mehrheit sind. Von den über 30 Mitgliedern sind fix 13 Parteimitglieder. In der Bevölkerung ist sicher nicht jede/r dritte Bürger/in Parteimitglied. Die weiteren Medienratsmitglieder sind in der Mehrzahl ebenfalls Parteimitglieder oder von der Partei direkt eingesetzt und abhängig. Diese Parteienmehrheit wiederum wird von der CSU dominiert.

  2. Die Lizenzvergabe erfolgt nach völlig undurchsichtigen Kriterien. Als der Kabelbetrieb probeweise – ich glaube, es war im Raum Ludwigshafen und Rosenheim – lief, wurde die Aufnahme von Bayern IV ins Kabelnetz verweigert. Ich wandte mich an alle möglichen Stellen. Der Medienrat verwies an die Post (damals gab es die Telekom noch nicht), die Post an die noch nicht existente Kabelgesellschaft Südostbayern, usw. Ich wandte mich an die örtliche Presse. Von einem Postpressesprecher wurde ich in einem Gegen-Leserbrief als „Wellenfreak“ bezeichnet, wahrscheinlich, weil er das Wort Bayern Vier noch nie gehört hat.

  3. Die Beschwerde über den Medienrat ist völlig anti-rechtsstaatlich geregelt: man mußte sich beim Präsidenten eben dieses Medienrats beschweren. Der Obergag war dann Satz 2 im Bayrischen Medienerprobungs- und Medienentwicklungsgesetz: „Sofern der Beschwerdeführer gegen die Antwort des Präsidenten Einwendungen geltend macht und der Präsident ihnen nicht Rechnung trägt, ist der Medienrat zu unterrichten“. Ich fasse zusammen: man beschwert sich über den Medienrat in erster Instanz beim Präsidenten desselben (wohlgemerkt: fast alle sind Amigos), dann kann man beim Präsidenten über den Präsidenten Einwendungen machen; wenn der wieder nicht mag, kann man sich beim Medienrat über den Präsidenten beschweren. Ergebnis meines Beschwerdebriefwechsels: die Post hatte höhere Portoeinnahmen. Inzwischen wurde diese Komplexität abgeschafft, die CSU ist da nicht zimperlich.

Artikel 17 BayMG: „Jeder hat das Recht, sich mit einer Beschwerde an die Landeszentrale zu wenden.“ Das spottet jedem Rechtsstaat Hohn: man beschwert sich über jemand bei eben jenem. Habe ich das nicht schon bei Kafka gelesen?

  1. Im Mediengesetz ist kein einziger Satz darüber, welcher Sender ins Kabel muß; es gibt nur Kann-Bestimmungen. Damit sind dem Kabelkunden schon mal viele Beschwerdemöglichkeiten entzogen. Wie auch? Im Gesetz steht nur, dieser Sender kann…, jener Sender ist zulässig…. Beispiel aus den BayMG: Art. 26: „(1) Die Landeszentrale genehmigt die Verbreitung des Angebots nur, wenn…“ jetzt folgen zahlreiche Einschränkungen. Nicht geregelt ist aber, welche Sender die Landeszentrale genehmigen muß. Das ist ihrer Willkür überlassen.

Nachdem Bayern IV endlich ins Kabelangebot aufgenommen wurde, fehlten die inzwischen etablierten Münchner Lokalsender, für mich z.B. einer der wenigen Sender mit Alternativprogramm, die Jazzwelle plus. Sie wurden nicht aufgenommen, weil laut Mediengesetz nur die ortsüblich empfangbaren Sender aufgenommen werden dürfen. Mein Hinweis darauf, dass ich mit dem Autoradio z.B. AFN, Voice of America (die gab es damals alle noch) einwandfrei empfangen kann, mit meiner inzwischen wieder installierten Hausantenne natürlich auch, wurde nicht anerkannt. Aus angeblich demselben Grund wurde der Deutschlandfunk abends für eine Stunde aus dem Kabel genommen: während dieser Zeit war er nicht „ortsüblich“ empfangbar. Meine Vermutung war eher: beim DFL handelte es sich um die Zeit der politischen Kommentare; die Jazzwelle plus, AFN etc. waren unserem damaligen Staatskanzleichef und jetzigen Ministerpräsidenten wohl zu „durchrasst“.

  1. Die Zensur greift aber nicht nur im Vorfeld. Bekanntlich wurde ja auch einmal der ARD-„Scheibenwischer“ für die bayrischen Kabelteilnehmer zensiert, das heißt schlicht im Kabel nicht gesendet. Der inzwischen verstorbene Zensor Rudolf Mühlfenzl griff sogar zur stundenweisen Störung von Münchner Lokalsendern im Kabel. Jeder Sender muß auch den Rundfunkstaatsvertrag einhalten. In diesem wird ihm das Programm bis auf kleinste Einzelheiten und die Minute vorgeschrieben.

  2. Die Landesmedienanstalten sind nicht zuständig für guten Geschmack, meint Frau Kühling. Bei dem ganzen Wulst von Organisationen, Räten und Anstalten zur Gewährleistung möglichst vieler gutbezahlter Parteiposten, weiß ich nicht, welche Rolle der Vorsitzende der Direktorenkonferenz Norbert Schneider spielt. Er jedenfalls hat vor wenigen Tagen in Aussicht gestellt, den Privatsendern die Zulassung als Vollprogramme zu entziehen, falls sie ihre Nachrichten und Magazine weiter mit Beiträgen bestücken, die seinem Geschmack widersprechen. Zensurandrohung in Reinform!

Ich habe vor vielen Jahren die Konsequenzen gezogen und das Kabel gekündigt. Zuvor bot ich der Kabelgesellschaft Südostbayern eine Verzehnfachung des damaligen Kabelbeitrags an (er war, denke ich, so ca. 2,80 DM/Monat), wenn alle mit dem Autoradio in München empfangbaren Sender ins Kabel eingespeist würden. Mein Angebot wurde abgelehnt. Jetzt höre ich seit Jahren über Antenne alle „Auslandssender“, wie z.B. den Deutschlandfunk, die dem bayrischen Staat ein Dorn im Ohr sind, wann immer es mir gefällt.

Die Landesmedienanstalten sind ganz offensichtlich dazu da, schon im Vorfeld unbequeme Sender nicht zuzulassen. Von Meinungsvielfalt kann keine Rede sein. Der Kabarettist Sigi Zimmerschied bezeichnete die bayerische Vielfalt zutreffend als die Mehrzahl von Einfalt.

Das Argument von Frau Kühling „Programmaufsicht bedeutet nun aber nicht, dass die Landesmedienanstalten ihnen problematisch erscheinende Sendungen bereits im Vorfeld verbieten zu können“ mag auf den ersten Blick stimmen. Das ist auch nicht nötig, da

  1. die Zensur bereits eine Stufe höher greift: problematisch erscheinende Sender gehen nicht in den Äther oder ins Kabel, ja, wahrscheinlich getrauen sich diese erst gar nicht, einen Antrag zu stellen; da braucht sich die Landesmedienanstalt dann um einzelne Sendungen tatsächlich nicht mehr zu kümmern.

  2. die Wiederholung einer als unzulässig erkannten Sendung untersagt wird, und dies ist ja auch wieder vor der (Wiederholungs)Sendung und erzeugt gleichzeitig die Schere im Kopf der Redakteure, die in vielfältiger Weise schon an der Nachrichtenauswahl und Wortwahl selbst in den Nachrichtensendungen des Bayerischen Rundfunks nachzuweisen ist.

  3. Zusätzlich sorgt die CSU dafür, daß die höheren Positionen der Medien nur mit Amigos besetzt werden. Letzteres Beispiel: Frau Sabine Scharnagl, eng verbandelt mit der CSU-Zeitung Bayernkurier, wurde Kulturchefin beim Bayrischen Fernsehen.

Ich weiß nicht, ob die Aussage von Frau Kühling, große Teile der Bevölkerung erwarten eine Vorkontrolle, stimmt. Wenn ja, dann lebe ich wohl im falschen Land. Andrerseits wird diese Haltung (hier ist es ähnlich wie bei der Ausländerfeindlichkeit und dem Neorassismus) durch Verlautbarungen der Politiker geschürt. Während sie selbst in immer größerem Umfang die Videokameras auf die Bevölkerung richten, sei es auf öffentlichen Plätzen oder zuhause in der Wohnung, so daß man ständig unfreiwillig mit Beobachtung rechnen muß, geifern sie gegen Big Brother, wo es sich sowohl um freiwillige Teilnehmer als auch freiwillige Zuschauer handelt. Das erinnert mich an den Spruch: Don´t steal – the government hates competition“. Wo „1984“ zur Realität geworden ist, braucht man sich nicht zu wundern, wenn große Teile der Bevölkerung eine Zensur geradezu erwarten. Irgendwie muß ja schließlich die Verbreitung der deutschen Leitkultur sichergestellt werden.

Die Heile-Welt-Haltung des Beitrags über die Landesmedienan-stalten kann ich nicht teilen.

                                                                 Herbert Huber, Wasserburg

nach oben