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Briefkästen ohne Service

Mitteilungen09/2001Seite 75

Mitteilungen Nr. 175 S. 75

„Wir werden jeden Tag besser“, so lautete vor Jahren der
Werbespruch einer Anzeigenserie der Deutschen Post AG in
Zeitungen und Zeitschriften. Der „Normalkunde“ der Post
merkt es. Postfilialen wurden und werden geschlossen. Die
Briefkästen wurden immer früher geleert und der Postbote
kommt dafür später. In Postfilialen liegen keine Telefonbücher
mehr aus und das Postleitzahlenbuch soll auch nicht
mehr nachgedruckt werden.
Nun geht es den Briefkästen an den Kragen – genauer gesagt,
dem Leerungsanzeiger an den Briefkästen. Neben den
Leerungszeiten – meistens ist es nur noch eine pro Tag –
war dort bisher der Hinweis „Nächste Leerung…“ angebracht.
Für die Kunden war das ein sehr nützlicher Hinweis.
Kam man z.B. an einem Dienstag „auf den letzten
Drücker“ zum Briefkasten gelaufen, dann signalisierte der
Hinweis „Nächste Leerung Dienstag“, daß der Briefkasten
noch nicht geleert war. Der Hinweis „Nächste Leerung
Mittwoch“ besagte, daß man zu einem Briefkasten mit Spätleerung
fahren mußte, wenn ein wichtiger Brief noch am
Dienstag abgehen sollte.
Der Briefkastenleerer benötigte für das Umstellen des sogenannten
Drehkranzes nur einen Handgriff von wenigen
Sekunden. Für die Deutsche Post AG ist das zu viel Kundendienst
– sie schafft den Drehkranz kurzerhand ab.
Die sonst so PR-freudige Deutsche Post AG ging dabei ganz
konspirativ vor. Weder zentral noch regional wurden die
Medien von dem bevorstehenden Service-Abbau informiert.
Dafür sorgte nun die kleine Bürgerinitiative Hannover-Waldheim,
bei der sich HU-Mitglied Gerhard Saborowski um
die Öffentlichkeitsarbeit kümmert. (Siehe u.a. Süddeutsche
Zeitung vom 20. Juni 2001 und Frankfurter Rundschau
vom 30. Juni 2001)
Nachdem die Service-Verschlechterung nicht mehr geheim
zu halten war, verbreiten die Pressestellen der Deutschen

Post AG inzwischen die vorgegebene „Sprachregelung“. Die
Drehkreuzeinrichtung sei infolge von Witterungseinflüssen
sehr störungsanfällig gewesen. Gerhard Saborowski hat
beim Museum für Post und Kommunikation in Berlin angefragt,
seit wann es in Deutschland die Anzeige „Nächste
Leerung…“ an den Briefkästen gibt.Antwort: Etwa seit dem
letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Die „Nächste Leerung“
hat also das Kaiserreich, die Weimarer Republik und die
Nazizeit überdauert, die Nachkriegszeit und 52 Jahre
Bundesrepublik. Im Jahre 2001 kapituliert nun das angehende
Weltunternehmen „Deutsche Post World Net“ vor den Unbilden
der Witterung. Vielleicht sollte der Vorstandsvorsitzende
der Deutschen Post AG, Dr. Klaus Zumwinkel, einmal
das Postmuseum in Berlin besuchen. Möglicherweise findet
er dort Anregungen, wie die Deutsche Reichspost und die
Deutsche Bundespost das Witterungsproblem gelöst hatten.
Gerhard Saborowski ist weiterhin an Zeitungsausschnitten
über örtliche oder regionale Postvorgänge
interessiert. Anschrift: Gerhard Saborowski, Graefenhainweg
18, 30519 Hannover.
To

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