Themen / Frieden

Ein Statement und ein kleines Plädoyer gegen den Krieg

19. September 2002

Mitteilungen Nr. 179, S.63

Sechzig amerikanische Intellektuelle antworteten in einem weiteren Offenen Brief mit dem Titel „Ist die Anwendung von Gewalt jemals moralisch gerechtfertigt?“ auf den Brief ihrer deutschen Kollegen „Eine Welt der Gerechtigkeit und des Friedens sieht anders aus“  (abgedruckt in MITTEILUNGEN Nr. 178, Juni 2002).

Der Dialog ist vollständig im Internet zu finden unter: http://www.propositionsonline.com.

In ihrem Antwortbrief erheben die Amerikaner den Zeigefinger und fordern von den Deutschen, eindeutig Stellung zu beziehen in Sachen Kriegstheorie. Nach ihrer Beurteilung sei die Theorie vom gerechten Krieg die einzige, die den Deutschen aufgrund ihrer Argumentation als „moralische und intellektuelle Position“ zupass käme.
Doch in diesem Dialog soll nicht darüber gestritten werden, welche politische Theorie zugrunde gelegt werden muss, um die moralische Legitimation für einen Krieg heraufzubeschwören. Hier geht es um die Frage, ob ein Krieg überhaupt und jemals moralisch gerechtfertigt ist.
Die Argumentation der Deutschen entsteht aus einer anderen
politischen Kultur heraus, aus den Erfahrungen der deutschen und europäischen Geschichte und der Überzeugung, dass die 30 Artikel der UN-Menschenrechtserklärung universale Gültigkeit haben müssen, um als moralische Maßstäbe für eine friedliche Welt wirksam sein zu können. Es wird eine pazifistische Position eingenommen, die besagt, dass Gewaltanwendung, vor welchem Hintergrund auch immer, moralisch nicht gerechtfertigt werden kann, dass Gewalt und
Moral nicht vereinbar sind.
Die Verfasser des Briefes aus Amerika akzeptieren diese Haltung
nicht als Antwort auf ihre Stellungnahme, sie bringen ihr auch sonst wenig Verständnis entgegen.
„Bevor Du Dich daran machst, die Welt zu verbessern, gehe dreimal durch dein eigenes Haus.“
Diese chinesische Lebensweisheit beschreibt parabelhaft den Appell der Deutschen an ihre Kollegen in den USA. Aus den Folgen vergangener, nicht selten improvisierter, Strategien in der Außenpolitik lernen! – Eine Forderung, die ins Leere geht.
Der Antwortbrief zeigt ein zweites Mal, dass sich namhafte
amerikanische Intellektuelle einer neoimperialen Politik verschreiben,
die Menschenrechtskonventionen, völkerrechtliche Verpflichtungen sowie den Schutz der eigenen Freiheit zugunsten von vermeintlichen Sicherheitsinteressen unterläuft.
Heißt Loyalität in Amerika neuerdings, den Mächtigen nach dem Mund zu reden? Der Schutz unserer Zivilisation, die Wahrung von Freiheit
und Demokratie, kann nicht auf Gewalt und Unterdrückung bauen, sondern nur auf die Verwirklichung der allgemeinen Menschenrechte – alles andere kommt einer Selbstaufgabe gleich. Gewalt mit Gegengewalt zu beantworten bedeutet eine Abkehr von dem, was unsere Zivilisation ausmacht und zudem noch eine Niederlage, denn auf die Provokation von Rachegelüsten, Intoleranz, und letztlich die Beschneidung freiheitlicher Rechte zielen die Terrorakte vom 11.9.2001 ab. Sie stellen eine Nation, einen Rechtsstaat und somit ein Wertesystem auf die Probe.
Ein Kampf gegen den Terror kann nur ein Kampf für Menschlichkeit sein, mit Mitteln der Gewaltlosigkeit und des Rechts. Denn Krieg zerrüttet alle Normen, auf denen ein Miteinander basiert. Krieg verneint Menschlichkeit und bedeutet so die Zerstörung von Moral.

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