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Demokra­ti­sierte Wissen­schaft: Philosophie für alle

Mitteilungen Nr. 184, S.8

 Als nicht zur „Kaste der (akademisch) Gebildeten“ gehörend, begrüsste ich die philosophischen Beiträge von Konrad Schmidt (HU-Mitteilungen Nr. 181) und Herbert Huber (Mitteilungen Nr. 183), den ersteren mit Verwunderung, den letzteren mit Zustimmung. Mir ist schon während meiner Arbeit als Exportkaufmann das Licht aufgegangen, dass hinter allem – Politik und Wirtschaft- die Philosophie steht. Auch hinter Alltäglichem steht sie nur allzu oft. Im Ruhestand entdeckte ich dann die Schätze, z.B. „Vor aller Wissenschaft tritt sie auf, wo Menschen wach werden“ (Carl Jaspers). Im Mittelalter trat die Philosophie in den Gegensatz zur Theologie. Sie ist die „Weltweisheit“, deren Organ das natürliche Licht der Vernunft ist. „Die Philosophie ist die denkende Betrachtung der Gegenstände überhaupt“ (Friedrich Hegel). Aus denkender Betrachtung erwächst Einsicht, Verständnis und der Wille zum Handeln gemäß den moralischen und geistigen Fähigkeiten der Menschen und Völker. In unserer modernen Welt können die Religionen mit ihren frühzeitlichen Gefühls- und Verstandesstrukturen dies nicht mehr leisten. Hier ist das menschliche Vermögen moralisch verantwortlich Denkender gefordert. Der Übergang vom Mythos zum Logos ist noch immer nicht vollendet! Noch haben nicht alle Menschen „den Ausgang aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit“ (Immanuel Kant) bewerkstelligt. Die Gegen-Aufklärung jedoch ist aktiv und versucht Gelände zu gewinnen. Dem muss ein humanistisches Ethos entgegengesetzt werden. Statt sich in Analysen von Denkrichtungen oder auch nur Theoremen zu ergehen, sollten Kritiker sich an die produktive Arbeit der Übersetzung philosophischer Denkergebnisse in „die Sprache des Volkes“ machen. Die verstärkte Verbreitung immer noch gültiger Erkenntnisse selbst aus frühester Zeit sowie die Vermittlung von „Vorschlägen“ -Philosophen unterbreiten ja immer nur solche- aus unserer Zeit müssen im Interesse fortgesetzter Aufklärung und Förderung politischer Mündigkeit dringend geleistet werden. Die Verwurzelung unproduktiven religiösen Denkens in allerlei Schattierungen sitzt zu tief, als dass diese Aufgaben ignoriert werden dürften. Während für die Jugend das Schulfach „Lebenskunde, Ethik, Religionskunde“ (LER) überall in Deutschland einzuführen ist, müssen die Erwachsenen mit den geistig-seelischen Grundlagen einer säkularen Gesellschaft vertraut gemacht werden. Die Humanistische Union sollte sich als Plattform für die Entfaltung einer solchen Geisteshaltung sehen. Angebote liegen vor, man braucht nur zuzugreifen. Holt die Philosophie vom Katheder und bringt sie den Menschen!

Johann-Georg Gleiniger, Boffze

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