Themen / Innere Sicherheit

Ein wichtiges Signal

15. Januar 2004

Mitteilungen Nr. 184, S.1

 Am 3. März stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Ermächtigung zum Abhören von Gesprächen in Wohnräumen („Großer Lauschangriff“) in der Strafprozessordnung größtenteils verfassungswidrig ist. Die Änderung des Artikels 13 Grundgesetz (Wohnungsfreiheit) durch den Gesetzgeber wurde vom Gericht leider nicht beanstandet. Trotzdem haben die Kläger im Kampf für die Bürgerrechte einen wichtigen Erfolg erzielt. Nach den Worten der Richter schützt die Garantie der Menschenwürde einen „Kernbereich privater Lebensgestaltung“, in den der Staat auch nicht im Interesse der Strafverfolgung eingreifen darf. Die Wohnung sei ein „letztes Refugium“ und ein „unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung“, heißt es im Urteil. Vertrauliche Kommunikation benötige „einen räumlichen Schutz, auf den die Bürger vertrauen können“. Das Urteil wird Auswirkungen auf andere Gesetze haben. Die Bundesjustizministerin hat bereits angekündigt, dass sie die Regelungen über die Telekommunikationsüberwachung auf den Prüfstand stellen will. Auch die jüngsten Änderungen in den Polizeigesetzen der Länder müssen im Lichte des Urteils zum „Lauschangriff“ kritisch überprüft werden. Die Humanistische Union wird die Bemühungen um verfassungsgemäße Eingriffsbefugnisse auf Bundes- und Länderebene wachsam beobachten. Die Entscheidung eines anderen Bundesgerichtes wurde weniger beachtet, obwohl auch in diesem Urteil wichtige Aussagen zum rechtstaatlichen Strafverfahren gemacht werden. Ich meine die Entscheidung des Bundesgerichtshofes im Revisionsverfahren gegen das erste Urteil in einem „Anti-Terror-Prozess“ nach dem 11. September 2001. Bundesinnenminister Otto Schily kommentierte den Beschluss in einer (auffällig kurzen) Pressemitteilung wie folgt. „Die Entscheidung ist zu bedauern. Allerdings handelt es sich zunächst nur um eine Zurückverweisung an das Oberlandesgericht Hamburg.“ Der Bundesgerichtshof hatte vor einem „wilden und ungeregelten Krieg gegen den Terrorismus“ gewarnt, und die Beachtung rechtstaatlicher Prinzipien im Strafverfahren eingefordert. Muss ein Bundesminister, der dies „bedauert“, sich nicht fragen lassen, ob er die verfassungsrechtlichen Anforderungen an ein Strafverfahren für überflüssig und hinderlich im „Kampf gegen den Terrorismus“ hält?

Beide Entscheidungen signalisieren: Bis hierhin und nicht weiter! Für uns Bürgerrechtler ist das ein wichtiges Signal. Hoffentlich wird es von den politisch Verantwortlichen auch so verstanden.

Reinhard Mokros

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