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Gegen das "KOPFTUCH­VERBOT"

31. August 2004

Nina Helm

Mitteilungen Nr. 186 (Heft 3/2004), S. 6

Die Frage der Zulässigkeit um das Tragen eines Kopftuches als Lehrerin kann mit guten Gründen unterschiedlich beantwortet werden, da sie unterschiedliche Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien berührt. In der Abwägung komme ich zu dem Ergebnis dass sich die HU gegen ein generelles Verbot einsetzen sollte. Ein Verbot wäre eine Einschränkung der persönlichen Selbstbestimmung ohne ausreichende Gründe.
Die psychologische Wirkung auf Schulkinder, so eine Lehrerin ein Kopftuch trägt, kann genauso wenig eindeutig vorausgesagt werden, wie die Wirkung auf die längerfristige Position von Frauen und Mädchen in unserer Gesellschaft. Seit vielen Jahren haben schon Frauen mit Kopftuch z.B. in NRW unterrichtet und weder Kinder noch Eltern hatten Anlass zur Klage.

Es geht im Kopftuchstreit nicht um eine persönlich empfundene gute oder schlechte Begründung vom Tragen eines Kopftuches. Es geht vielmehr um die Frage, ob der Staat das Tragen eines Kopftuches als unzulässige religiöse Beeinflussung oder sogar als demokratiegefährdend bewerten und sanktionieren sollte oder ob er dies als einen persönlichen Ausdruck in einer pluralen Gesellschaft hinnehmen muss.

Die Gründe, weshalb eine Muslimin ein Kopftuch trägt, sind vielfältig, mehrdeutig und wandelbar. Für die eine Frau mögen religiöse Motive im Vordergrund stehen, für die andere politische und für die nächste die kulturelle Selbstbehauptung gegenüber der Mehrheitsgesellschaft. Das Kopftuch kann daher nicht allein als Symbol für Frauenunterdrückung oder fundamentalistische Einstellungen angesehen werden. Es kann auch nicht Position der HU sein, dass wir alle kopftuchtragende Frauen als unemanzipiert ansehen, die wir per Zwang emanzipieren müssen.

Die Schule ist ein prädestinierter Ort, um einen aufgeklärten Umgang mit der pluralen Realität von Religionen und Weltanschauungen zu erlernen. Persönliche Attribute wie Kopftuch, Halskreuz, Kippa oder Schläfenlocken unterscheiden sich fundamental vom staatlich angeordneten Kruzifix, gegen das die HU sich völlig zu Recht eingesetzt hat.

Nina Helm
Landesvorsitzende der Humanistischen Union Berlin

Weitere Informationen zum Thema:

Ece Göztepe (2004): Die Kopftuchdebatte in der Türkei. Eine kritische Bestandsaufnahme für die deutsche Diskussion. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament Nr. 33-34/2004, S.32-38

Heiner Bielefeldt (2004): Zur aktuellen Kopftuchdebatte in Deutschland. Anmerkungen aus der Perspektive der Menschenrechte. Deutsches Institut für Menschenrechte (Policy Paper Nr. 3). Berlin (Online unter www.institut-fuer-menschenrechte.de)

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