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Zum Tod unseres Beirats­mit­glieds Wolfgang Ullmann

Mitteilungen18608/2004Seite 7

Mitteilungen Nr. 186 (Heft 3/2004), S. 7

Der, wie es heißt, „frühere DDR-Bürgerrechtler“ ist am 31. Juli 2004 unerwartet verstorben. Wir kannten Wolfgang Ullmann seit den Tagen des Zentralen Runden Tisches der DDR, wo er als einer der wichtigen Sprecher der DDR-Opposition dem SED-Regime freie Wahlen abtrotzte und dafür sorgte, dass der Zusammenbruch der DDR und der Übergang zur deutschen Einheit friedlich verlief. Als evangelischer Theologe, Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer und später als Mitglied für die Grünen im ersten gesamtdeutschen Bundestag und im Europäischen Parlament, hat er sich im Unterschied zu anderen „früheren DDR-Bürgerrechtlern“ konsequent für einen gemeinsamen Neuanfang aller Mitglieder der DDR-Gesellschaft eingesetzt. So war er als Vertreter des Runden Tisches Minister der Übergangsregierung unter Modrow und kritisierte die Art und Weise, wie die Bonner Regierung mit dieser Regierung umgegangen ist, als exemplarischen Fehler bei der Schaffung der deutschen Einheit. Das war bei ihm verbunden mit einer konsequenten politischen, juristischen und historischen Aufarbeitung der SED-Diktatur. So gründete er 1992 in Leipzig das Forum zur Aufklärung und Erneuerung e. V. und war dessen langjähriger Vorsitzender.

Am 27. Mai 1993 kam er unserem Wunsch nach und wurde Mitglied des Beirates der Humanistischen Union. Er verband seine Zustimmung mit der Aufforderung, dass wir auch gegenüber der Partei, für die er damals im Deutschen Bundestag saß, kritisch bleiben mögen. Dafür war er uns sogleich ein Vorbild. Als Mitglied der gemeinsamen Kommission für eine neue gesamtdeutsche Verfassung trat er als Theologe dafür ein, Gott aus der Verfassung zu streichen. Für ihn war dies um so wichtiger, je vielfältiger und heterogener die weltanschaulichen und religiösen Grundlagen der deutschen Gesellschaft wurden. Für ihn war die Verfassung der wichtigste gesellschaftliche Konsens, auf dem die Gesellschaft beruhen sollte. Wie er sich moderne Verfassungen vorgestellt hat, wissen wir sehr genau aus seiner Mitarbeit am Verfassungsentwurf des Runden Tisches, aber auch aus seinen vielfältigen Initiativen, eine Europäische Verfassung auszuarbeiten.  Wolfgang Ullmann trat dabei als überzeugter, moderner Bürgerrechtler auf, der auch in ethischen Grundfragen konsequent den einmal gefundenen Konsens verteidigte – auch gegen religiöse Einwendungen seiner eigenen Kirche. So werden wir Wolfgang Ullmann in unserer Erinnerung behalten.

Prof. Dr. Rosemarie Will

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