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Bündnis­a­r­beit im Forum Menschen­rechte

Mitteilungen Nr. 193, S. 12-14

Humanis­ti­sche Union erneuert ihr Engagement im Forum Menschen­rechte

Das Forum Menschenrechte (FMR) beschreibt sich als „ein Netzwerk von mehr als 40 (s. Kasten) deutschen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die sich für einen verbesserten, umfassenden Menschenrechtsschutz einsetzen – weltweit, in bestimmten Weltregionen, Ländern und in der Bundesrepublik Deutschland. Das Forum wurde 1994 im Anschluss an die Wiener Weltmenschenrechtskonferenz gegründet.“ Die HU gehört zu seinen Gründungsmitgliedern.Organisatorisch gliedert sich das FMR in einen Koordinierungskreis genannten Vorstand mit angegliedertem Sekretariat sowie das Plenum und aus seinen Mitgliedern gebildeten Arbeitsgruppen. Bis zum Ende der letzten Amtsperiode vertrat Ingeborg Rürup die HU im FMR und gehörte dort auch dem Koordinierungskreis an. Mit ihrem Rückzug aus der aktiven Mitarbeit beim FMR verlor die HU ihre Vertretung im Vorstand. Seit Januar 2006 gehören die folgenden Personen dem Koordinierungskreis an:

• Günter Burkhardt, Pro Asyl

• Selmin အaliskan, Medica Mondiale

• Henny Engels, Deutscher Frauenrat

• Barbara Lochbihler, amnesty international

• Jochen Motte, Vereinte Evangelische Mission

• Albert Riedelsheimer, Bundesfachverband Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge

• Beate Wagner, Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen

• Dieter Zabel, Missio München

Durch den Rückzug von Ingeborg Rürup ergab sich für den Bundesvorstand die Notwendigkeit, über die zukünftigen Aktivitäten der HU im FMR zu entscheiden. Seit Januar 2005 vertreten Rosemarie Will und Martina Kant die HU im Plenum des Forums. Unterstützt werden sie dabei von Christoph Bruch.Bei der Bearbeitung der inhaltlichen Schwerpunkte des FMR spielt – anders als bei der HU – die internationale Perspektive eine wesentliche Rolle. Die Bedeutung dieser internationalen Ausrichtung wird durch die Überlegung illustriert, wie das FMR seine Präsenz in Genf, dem Sitz des UN- Menschenrechtshochkommissariats, organisieren kann. Im Plenum des FMR wurde auf Anfrage der HU, welche Aufmerksamkeit der nationalen Menschenrechtssituation bei der Arbeit des FMR gewidmet werden solle, geantwortet, dass man ein diesbezügliches weiteres Engagement der HU sehr begrüßen würde. Als organisatorischer Rahmen für diese Engagement bot sich die „AG Innenpolitik“ an.

Zu den wesentlichen Aktivitäten dieser Arbeitsgemeinschaft zählt die Organisation jährlicher Fachgespräche mit dem Innenausschuss des Deutschen Bundestages und in diesem Jahr auch mit dem Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Peter Altmeier, zum Zuwanderungsgesetz. Die Humanistische Union nahm mit Rosemarie Will und Christoph Bruch am Innenausschuss-Gespräch teil und trug dort zu den Themen Vorratsdatenspeicherung, Folterverbot, Geheimdienstkontrolle, Menschenverschleppung durch Geheimdienste (rendition) und Informationsfreiheit vor.Um innenpolitische Themen im Forum weiter voranzubringen, stimmte das Plenum auf der Jahresklausur des Forum Menschenrechte im Januar dieses Jahres der Gründung der Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte“ zu. Martina Kant hat als HU-Vertreterin die Koordination der AG übernommen (Weiteres dazu weiter unten).

Auch zukünftig wird die Intensität des Engagements der HU im Forum Menschenrechte eng damit verknüpft sein, wie sich Themen, die ohnehin von der HU bearbeitet werden, in das Themenspektrum des FMR einbetten lassen, da die Arbeitsbelastung der Bundesgeschäftsstelle und des Bundesvorstandes nicht mehr zulassen.

Für die HU ist das Engagement im FMR attraktiv, weil das breite Spektrum der Mitgliedsorganisationen der HU Kontakte in gesellschaftliche Bereiche eröffnet, in welchen sie traditionell weniger gut vernetzt ist. Die Arbeit der HU wird im FMR mit großer Aufmerksamkeit verfolgt und wirkt sich auch auf die von ihm vertretenen Positionen aus. Aktuellstes Beispiel für diese Rolle der HU ist eine für das kommende Plenum angesetzte Diskussion zu der Frage, ob Regelungen zum Themenfeld Patientenverfügung und humanes Sterben ein Menschenrechtsthema sind. Hierzu bestehen Differenzen in der Auffassung religiös und säkular orientierter Menschen- und Bürgerrechtsorganisationen.

Ad-hoc-­A­r­beits­gruppe „Terro­ris­mus­be­kämp­fung und Menschen­rechte“

Innenpolitische Themen jenseits von Migrations- und Asylrechtspolitik waren in den letzten Jahren im Forum Menschenrechte nach Ansicht vieler Mitgliedsorganisationen zu kurz gekommen. Bereits bei der Jahresklausur im vergangenen Jahr zeigten sich VertreterInnen verschiedener Organisationen sehr interessiert daran, dass wieder verstärkt Menschen-/Grundrechtsprobleme aus dem Bereich innerer Sicherheit, Terrorismusbekämpfung u.a. in den Fokus des FMR rücken sollten. Für die diesjährige Jahresklausur im Januar stand daher in einem Workshop die „Weiterentwicklung der AG Innenpolitik“ auf der Agenda. Martina Kant als HU-Vertreterin und Elena Deipenbrock für die Gustav Heinemann-Initiative nahmen daran teil und stellten ihre gemeinsam erarbeiteten Vorschläge für eine mögliche Neuausrichtung der „AG Innenpolitik“ vor. In der Diskussion wurde deutlich, dass die AG Innenpolitik im Wesentlichen die Aufgabe hat, das jährliche Gespräch mit dem Innenausschuss und gegebenenfalls weitere Gesprächstermine vorzubereiten. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit innenpolitischen Themen, zum Beispiel die Ausarbeitung von Positionspapieren oder Stellungnahmen, findet dort in der Regel nicht statt. Die AG versteht sich vielmehr als Querschnitts-AG, die für alle innenpolitischen Themen des Forums im Rahmen des Innenausschuss-Gesprächs offen steht. Wie oben bereits erwähnt, hat die Humanistische Union den diesjährigen Termin erfolgreich nutzen können, um wichtige bürgerrechtliche Themen im Innenausschuss zu platzieren.Die enge Aufgabenstellung der AG Innenpolitik machte aber deutlich, dass für eine thematische Auseinandersetzung mit menschenrechtlichen/grundrechtlichen Themen, mit denen sich die HU beschäftigt, ein anderer Rahmen gefunden werden muss. Aus dem Workshop heraus wurde schließlich die Idee zu einer Ad-hoc-AG „Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte“ entwickelt, die zunächst ein Positions- und Forderungspapier zur gegenwärtigen Terrorismusbekämpfung in der Bundesrepublik erarbeiten sollte. Diese Ad-hoc-AG wurde anschließend vom Plenum einstimmig beschlossen und eingesetzt. Mitarbeitende Organisationen sind die Humanistische Union, die Gustav Heinemann-Initiative (GHI), Pro Asyl, amnesty international und die Deutsche Kommission Justitia et Pax. Martina Kant (HU) hat die Koordinierung der AG übernommen.

Die Ad-hoc-AG hat sich zunächst auf zwei Teilbereiche der Terrorismusbekämpfung beschränkt, die aufgrund ihrer Aktualität und Menschrechts-/Grundrechtsrelevanz bearbeitet werden sollten: Zum einen betraf dies die Menschenrechtsverletzungen durch Verschleppungen und Folterungen von terrorismusverdächtigen Personen (El Masri, Zammar u.a.), an denen deutsche Behörden beteiligt waren, sowie die Verwendung von Informationen, die durch Folter erlangt wurden. Zum anderen betraf dies die Pläne zur Vorratsspeicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten. Das Europäische Parlament und der Rat der EU hatten im März eine Richtlinie zur verpflichtenden Speicherung sämtlicher Verkehrsdaten aus Telefon-, E-Mail- und Internet-Verbindungen für sechs bis 24 Monate beschlossen (siehe hierzu bereits den Bericht über die HU-Stellungnahme an das Europäische Parlament vom Dezember letzten Jahres in den Mitteilungen Nr. 191, Dezember 2005, S. 7-9).Die jeweiligen Vorlagen der Positionspapiere wurden von amnesty international (zur Folter) und der Humanistischen Union (zur Vorratsdatenspeicherung) geliefert. Auf dem Plenum des FMR am 27. April in Berlin stellte die Ad-hoc-AG die Entwürfe erstmals den Mitgliedsorganisationen vor. Nach einer leichten Überarbeitung wurden beide Papiere im Umlaufverfahren von den Organisationen und dem Koordinierungskreis als Positions- und Forderungspapiere des Forum Menschenrechte angenommen und noch im Juni an die Bundesregierung und die zuständigen Bundestagsausschüsse versandt. Begleitet wurde dies mit einer Pressemitteilung des Forums.

Auf ihrer Sitzung am 19. Mai hat die Ad-hoc-AG bekräftigt, dass sie am Themenkomplex Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte weiterarbeiten will. Im Laufe der nächsten Monate werden amnesty international und Pro Asyl ein weiteres Positionspapier zu ausländerrechtlichen Verschärfungen im Rahmen der Terrorismusbekämpfung verfassen. Die HU wird zusammen mit der GHI ein Papier zum Bundeswehreinsatz im Innern und dem „neuen Sicherheitsbegriff“ liefern. Anknüpfungspunkt hierbei ist auch das neue „Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“, das Mitte Juli im Kabinett beraten werden soll. Geplant ist, aus den Einzelpapieren am Ende die wichtigsten Positionen und Forderungen zur Achtung der Menschenrechte bei der Terrorismusbekämpfung zusammenzuziehen und als kurzes Positionspapier des Forum Menschenrechte zu veröffentlichen.

Die bisherigen Erfahrungen in der Ad-hoc-AG zeigen, dass HU-Themen und -Positionen eine sehr positive Resonanz im Forum Menschenrechte finden. Mit der Diskussion im Forum über die Vorratsdatenspeicherung ist es der HU darüber hinaus gelungen, ein bislang unbehandeltes Thema ins Forum zu tragen und darüber auch Organisationen, die in ganz anderen menschenrechtlichen Feldern tätig sind, nicht nur zu erreichen und zu sensibilisieren, sondern auch deren Unterstützung für die Forderungen zu gewinnen.

Fachge­spräch zum 7. Bericht der Bundes­re­gie­rung über ihre Menschen­rechts­po­litik in den Auswärtigen Beziehungen und in anderen Politik­be­rei­chen

Am 11. Mai 2006 hat die Bundesvorsitzende der HU, Rosemarie Will, im Auswärtigen Amt an einem vom Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) organisierten Fachgespräch zum 7. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung teilgenommen.Die Teilnahme der Humanistischen Union an diesem Fachgespräch wurde im Rahmen des Forum Menschenrechte organisiert. Nach der Begrüßung durch Günter Nooke, den neuen Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, kam die stellvertretende Direktorin des DIMR, Frauke Seidensticker, zu Wort, die die Struktur und das Anliegen des Gespräches erläuterte.Inhaltliche Schwerpunkte waren die deutsche Menschenrechtspolitik gegenüber der Europäischen Union (EU), die Prävention von Menschenrechtsverletzungen, der nationale Aktionsplan für Menschenrechte und die Behandlung von Ländern im Menschenrechtsbericht sowie bei den innenpolitischen Themen die Entscheidung zum Luftsicherheitsgesetz und schließlich Empfehlungen für den nächsten Menschenrechtsbericht. Bis auf den nationalen Aktionsplan und die Behandlung der Länder wurden alle Themen referierend von Vertretern des DIMR eingeführt. Dabei wurde die stärkste Kritik von Sebastian Müller an der Behandlung innenpolitischer Themen am Beispiel des Luftsicherheitsgesetzes vorgetragen. Der Menschenrechtsbericht selbst hatte das Luftsicherheitsgesetz in keiner Weise problematisiert. Es sprang geradezu ins Auge, dass das Handeln der Bundesregierung in problematischen Bereichen im Menschenrechtsbericht nicht analysiert worden ist. Auch die Vorträge zum Bericht gingen überwiegend behutsam mit seinen Defiziten um. So hätte man – wie zum Luftsicherheitsgesetz – auch Vergleichbares angesichts der Entscheidung zum europäischen Haftbefehl zur deutschen Menschenrechtspolitik gegenüber der EU vortragen können. In diesem Themenkomplex beschränkte man sich aber auf kritische Analysen zum geplanten Aufbau von Menschenrechtsagenturen.

Rudolf Bindig als MdB a.D. hatte den nationalen Aktionsplan für Menschenrechte analysiert und dabei das Ungleichgewicht zwischen außenpolitischen und innenpolitischen Orientierungen kritisiert. Von insgesamt 79 Punkten im Aktionsplan seien nur 13 nach innen gerichtet. Auf die Frage, ob der im Bericht abgedruckte Aktionsplan, der noch von Rot-Grün verabschiedet wurde, auch unter der neuen Koalitionsregierung gelten soll, gaben alle anwesenden Vertreter der Ministerien und auch Günter Nooke keine Antwort. Von daher schien es müßig, die Vollständigkeit des Aktionsplanes bzw. seine Operationalisierbarkeit vertieft zu diskutieren. Allerdings zeigte die Diskussion um den nationalen Aktionsplan sehr klar, dass innenpolitische Themen auch in künftigen Menschenrechtsberichten unterbelichtet bleiben werden. Daran haben die Diskutanten – unter anderem auch amnesty international – deutlich Kritik geübt. Insoweit bleibt als Fazit auch dieser Veranstaltung, dass die Mitwirkung der Humanistischen Union im Forum Menschenrechte, das Einbringen von innenpolitischen Themen, nötig und erforderlich ist.

Christoph Bruch, Martina Kant, Rosemarie Will

Die Positionspapiere zum Folterverbot und gegen die Vorratsdatenspeicherung können in der Bundesgeschäftsstelle der HU oder im Internet abgerufen werden (s.a. Bericht auf Seite 5).

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