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Religi­ons­frei­heit und europäische Identität

29. Oktober 2010

Mitteilungen Nr. 210 (3/2010), S. 19

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages führt am 27. Oktober eine Sachverständigenanhörung zum Thema „Religionsfreiheit und europäische Identität“ durch. Zu dieser Anhörung wurde die Bundesvorsitzende der HU, Prof. Dr. Rosemarie Will, um eine Stellungnahme gebeten. Der von den Abgeordneten vorgelegte Fragenkatalog konzentriert sich auf die Frage, wie sich „der Islam“ in eine als relativ homogen unterstellte säkulare europäische Wertegemeinschaft einfüge und welche Bedeutung der Religionsfreiheit zukomme. Zugleich interessierten sich die (Oppositions-)Fraktionen für einen möglichen Handlungsbedarf zur Umgestaltung des Verhältnisses von Staat und Kirche in Deutschland.
 Rosemarie Will sprach sich in ihrer Stellungnahme für einen offenen Dialog mit islamischen Religionsgemeinschaften wie islamischen Staaten aus. „Weder die europäischen Nationalstaaten noch die europäische Union können sich dauerhaft vom Islam abgrenzen.“ Zugleich müsse sich der Islam den Regeln einer freiheitlichen Verfassungsordnung unterwerfen. Diesbezüglich gelte für ihn das gleiche wie für alle anderen Religionen: „Mit Blick auf den Islam ist deshalb mit Böckenförde zu fragen, ob der Islam bereit ist, eine vergleichbare Entwicklung zu vollziehen, wie sie für die Katholische Kirche im Zweiten Vatikanischen Konzil 1965 beschrieben wird.“ Jener Wandel des katholischen Glaubens und seines Verhältnisses zur säkularen Umwelt sei im Übrigen ein Beleg dafür, „dass Religion nicht einfach als eine dem Staat vorausliegende, innere Antriebs- und Bindungskraft für Menschenrechte begriffen werden kann. Religion muss sich selbst den Erfordernissen des Verfassungsstaates anpassen, will sie als Gemeinschaft der freiheitlich organisierten Gesellschaft nicht dauerhaft fremd gegenüber stehen.“
 In Bezug auf den besonderen strafrechtlichen Schutz der Religionen (§ 166 Strafgesetzbuch) wiederholt die Stellungnahme die HU-Forderung nach einer ersatzlosen Streichung, da der allgemeine Schutz vor Kommunikationsdelikten (Beleidigung, Verleumdung) auch in religiösen Angelegenheiten ausreichend sei. Die Humanistische Union sehe „in einer säkularen Gesellschaft keine besonderen Erfordernisse, religiöse Gefühle in anderer Weise gegen Meinungsäußerungen zu schützen, als dies sonst mit menschlichen Gefühlen in der Rechtsordnung geschieht.“
 Für das deutsche Religionsverfassungsrecht mahnt Rosemarie Will einen Abbau der einseitigen Privilegierung der christlichen Kirchen an und erneuerte die Forderung nach der Umsetzung des Verfassungsauftrages aus Art. 140 Grundgesetz i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Satz 2 der Weimarer Reichsverfassung, wonach der Bund ein Gesetz zur Ablösung der allgemeinen Staatsleistungen zu erlassen habe.

Die vollständige Stellungnahme der Humanistischen Union kann auf der HU-Webseite abgerufen werden oder ist über die Geschäftsstelle zu beziehen: www.humanistische-union.de/themen/srw/.

Der Fragenkatalog und die Stellungnahmen aller Sachverständigen sind auf der Webseite des Ausschusses abrufbar:
www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a17/anhoerungen/.

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