Beitragsbild Zeit für einen Tapetenwechsel - Ideensammlung für eine Aktualisierung des Online-Auftritts der Humanistischen Union
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Zeit für einen Tapeten­wechsel - Ideen­samm­lung für eine Aktua­li­sie­rung des Online-­Auf­tritts der Humanis­ti­schen Union

Mitteilungen21307/2011Seite 15

Mitteilungen Nr. 213 (2/2011)

Vor fünf Jahren, am 21. August 2006, ging die neue Webseite der Humanistischen Union (HU) an den Start. Diesem Umstieg auf ein völlig neues Redaktionssystem (Typo3) waren eine ausführliche Bestandsaufnahme der bisherigen Onlineerfahrungen, der Vergleich mehrerer Systeme, viele Diskussionen über Ziele und Inhalte eines Onlineauftritts, und nicht zuletzt umfangreiche Digitalisierungsarbeiten vorausgegangen – damals wurden beispielsweise alle Inhaltsverzeichnisse unserer beiden Zeitschriften (vorgänge und HU-Mitteilungen) erfasst. Da das Projekt viel Zeit und – trotz Open Source Software – durch die notwendigen Anpassungsarbeiten auch einiges an Geld kostete, richteten sich alle Erwartungen auf die Frage: Was wird es am Ende bringen? Die Antwort kam ziemlich schnell und überzeugte auch Skeptiker: mit der Freischaltung der neuen Webseite stieg die Zahl der Neueintritte in die Humanistische Union deutlich an, seit 2006 verzeichnen wir eine positive Mitgliederbilanz. Ebenso legten externe Spenden, der Verkauf von HU-Publikationen und die öffentliche Wahrnehmung des Vereins deutlich zu. Die Ausgaben für die neue Webseite hatten sich schnell bezahlt gemacht.

In den vergangenen fünf Jahren ist der Onlineauftritt der HU stetig gewachsen. Aus den ca. 800 Online-Texten, mit denen wir 2006 an den Start gingen, sind mittlerweile über 3000 geworden. Neben den Texten gibt es hin und wieder Bilderserien sowie Audio- und Video-Dokumentationen von größeren HU-Veranstaltungen. Mittlerweile haben sechs Regionalverbände eigene Unterseiten. So weit, so gut.

Infografik Humanistische UnionInfografik: Die Entwicklung der Zugriffszahlen auf die HU-Webseite und der Beitritte zur Humanistischen Union (ohne GHI-Mitglieder in 2009).

Dennoch müssen wir selbstkritisch anmerken, dass sich längst nicht alle Erwartungen an den neuen Onlineauftritt erfüllt haben. Immer noch ist die Darstellung auf unserer Seite recht textlastig, die multimediale Aufbereitung unserer Themen kommt häufig zu kurz. Auch die gewünschte Anreicherung unserer Texte mit Zusatzinformationen gelingt nur selten, und die Suchfunktion ist nach wie vor ein Ärgernis. Für einen stets aktuellen, informativen Onlineauftritt am schwierigsten jedoch: die gewünschte Verbreiterung des Redaktionsteams fand kaum statt. Das lag einerseits an technischen Hürden – in der von uns verwendeten Typo3-Version ist ein Arbeiten mit eingeschränkten Redaktionsrechten kaum zumutbar, immer wieder klagen die Redakteure über fehlende Funktionen, zu denen sie eigentlich Zugang bekommen sollen. Zudem zeigte sich in der Praxis, dass sowohl die Arbeit mit Typo3, als auch das Aufbereiten von Onlinetexten generell keine Tätigkeiten sind, die sich ehrenamtlich nebenher erledigen lassen, wenn man keine entsprechenden Erfahrungen mitbringt. Schließlich hat sich auch die Online-Welt seit 2006 weiter gedreht: inzwischen existiert eine wesentlich erweiterte Version von Typo3, von den Möglichkeiten des Web 2.0 ganz zu schweigen. Höchste Zeit also, sich über eine Aktualisierung des Webauftritts Gedanken zu machen.

Wandel des Internets und Verheißungen des Web 2.0

Mit ihrem derzeitigen Internetauftritt pflegt die HU eine klassische Außendarstellung, die im Kern in eine Richtung kommuniziert: Wir präsentieren unsere Positionen im Netz – und warten darauf, dass jemand vorbeikommt und unsere Botschaft aufnimmt. Von diesem Kommunikationsmodell, das sich an älteren Medien wie der Zeitung oder dem Fernsehen orientiert, setzten sich die neuen, internetbasierten Medien mehr und mehr ab. Durch Kommentarfunktionen in Weblogs, durch Techniken der individuellen Filterung, Aufbereitung und Weitergabe von Informationen (RSS-Feeds, Trackbacks, Social Bookmarks) und offene Plattformen wie Wikipedia & Co. werden aus bloßen Rezipienten zunehmend aktive MitgestalterInnen im Netz. Diese Entwicklung bildet sich auch in den Trafficdaten des Internets ab: Waren bisher die großen Suchmaschinen (Google, Yahoo etc.) das Fenster zur digitalen Welt, so laufen ihnen die Sozialen Netzwerke (allen voran: Facebook) und die Social Media-Dienste zunehmend den Rang ab. Im vergangenen Jahr überholte Facebook in den USA erstmals Google als meistbesuchte Internetadresse, in Deutschland steht das Netzwerk auf Platz 2. [1] Das weist auf einen Wandel der Informationsflüsse im Netz hin: Wer im Web 2.0 gefunden werden will, darf sich nicht mehr allein auf die Inhalte seiner Seiten und deren gute Platzierung in den Suchmaschinen verlassen. Mehr und mehr Nutzerinnen nehmen vor allem auf, was ihnen durch Freunde empfohlen oder in ihren Netzwerken geteilt wird. Aber: In diesem Teil der digitalen Welt, in der Welt der Blogs und der Social Networks, ist die Humanistische Union bisher selbst nicht präsent.

Soll die HU also mit der Überarbeitung ihres Webauftritts den Schritt ins Web 2.0 wagen? Immerhin versprechen die Social Media neue Perspektiven für die freie Zusammenarbeit politisch Aktiver (Weisheit und Macht der Vielen), versprechen mehr Aufmerksamkeit und die Erreichbarkeit neuer Zielgruppen sowie neue, schnelle Verbreitungswege für Informationen und Kampagnen. Kein Wunder also, dass die Großen der NGO-Szene (Greenpeace, Amnesty International) inzwischen mit diesen Instrumenten arbeiten. Mittlerweile haben die sozialen Medien auch in Deutschland einige beeindruckende Kampagnen geprägt, etwa die Online-Petition zu Netzsperren, die Unterstützungskampagne für Joachim Gauck oder das Guttenplag zur Dekonstruktion einer ministeriellen Promotionsarbeit. Von derartigen Glanzlichtern sollte man sich bei der Planung eines eigenen Auftritts im Web 2.0 nicht blenden lassen – hier ist zunächst einmal Kärnerarbeit angesagt. Und es dürfte kaum Zufall sein, dass die beeindruckendsten Web-Kampagnen (vom Sonderfall Obama einmal abgesehen) nicht von etablierten politischen Akteuren (Organisationen) ausgingen, sondern an der Basis des Netzes entstanden.
Neben der Frage nach den Erfolgsaussichten und der Effektivität  begegnet der Vorschlag einer HU-Präsenz im Web 2.0 aber auch grundsätzlichen Einwänden:

Das Web 2.0 als No-go-Area für Bürgerrechtsorganisationen?

In Sachen Datenschutz herrscht im virtuellen Raum des Web 2.0 weitgehend Fehlanzeige. [2] Die Anbieter des Web 2.0 befördern genau jene exzessive Selbstentblößung (junger) Menschen, vor denen Datenschützer nicht müde werden zu warnen – und die in den Augen der Datenschutz-KritikerInnen als Indizien einer aufziehenden Post-Privacy-Ära gelten, in der die Forderung nach informationeller Selbstbestimmung ein überkommenes Relikt sei. Der Friend-Finder von Facebook, bei dem die einmalige Preisgabe des eigenen Mailpassworts genügt, um dem Netzwerk seinen gesamten Freundeskreis zu offenbaren, ist nur ein Beispiel für die Datengier dieser Unternehmen. Kaum ein Social Media Dienst, der sich im Kleingedruckten nicht den vollen Zugriff auf die Inhalte dessen zusichern lässt, was seine NutzerInnen bei ihm abladen – seien es nun Dokumente, Mails oder Adressdaten. Die freiwillige Einverständniserklärung der NutzerInnen (Wollt Ihr den Dienst nutzen oder nicht?) hebelt hier nahezu alle Schranken der Datenverwertung aus. Da die meisten der Dienste kostenlos angeboten werden, bleiben den Anbietern nur zwei Wege, um Geld zu verdienen: Werbung oder die Vermarktung der bei ihnen anfallenden Kundeninformationen.
Ein HU-Account bei Facebook – wäre das nicht ein Widerspruch in sich, ein Pakt mit dem Teufel? Dagegen ließe sich einwenden, dass bei aller berechtigten Kritik an den datenschützerischen Sünden der Anbieter nicht das offensichtliche Interesse vieler Menschen an solchen Netzwerken ausgeblendet werden darf. Hinweise zum Selbstdatenschutz bei Facebook lassen sich am effektivsten im Netzwerk selbst verbreiten.

Gegen ein Engagement in bestimmten sozialen Netzwerken (so auch Facebook) spricht noch ein weiterer Einwand: Die NutzerInnen haben in zahlreichen dieser Systeme keine Hoheit über ihre eigenen Daten, es handelt sich um quasi geschlossene Systeme, deren Schnittstellen zum Datenaustausch stark reglementiert sind oder schlimmstenfalls ganz fehlen. Diese Netzwerke lassen keinen regulären Export der eingepflegten Daten zu. Das kann sich vor allem deshalb gravierend bemerkbar machen, weil die Szene der populären Dienste im Web 2.0 immer im Fluss ist: Ständig werden neue Dienste vorgestellt, von denen die meisten kaum über den Testbetrieb hinaus gelangen. Umgekehrt kann ein kürzlich noch florierendes, weltweit aufgestelltes Netzwerk plötzlich an den Rand der Bedeutungslosigkeit gelangen (aktuelles Beispiel: MySpace). Einmal auf das „falsche Pferd“ gesetzt, wird die aufwändig gepflegte Online-Präsenz schnell zum Datengrab.

Was tun?

Die HU steht vor einer – auch aus technischer Sicht gebotenen – Aktualisierung ihres Internetangebots. Aus diesem Anlass sollte sie sich auch mit der Frage beschäftigen, ob sie sich dabei für das Web 2.0 öffnen will – mit welchen Zielen, welchen Angeboten – oder ob sie diesen neuen virtuellen Räumen eher fernbleiben möchte.
Hinzu kommt, dass eine neue Onlinepräsenz der HU in den sozialen Medien auch Ressourcen bindet. Die Medien des Web 2.0 pflegen eine eigene Sprache und eigene Kommunikationsstile. Ein ernsthaftes Engagement in diesen Medien setzt die Bereitschaft voraus, unsere Themen und Inhalte in diese Sprache zu übersetzen und sich auf den Dialog mit neuen Zielgruppen, aber auch neuen KritikerInnen einzulassen. Dafür braucht es nicht zuletzt Ressourcen. Nichts ist schlimmer als ein groß eröffneter Account, der nach wenigen Wochen verwaist und keine neuen Meldungen mehr aufweist.

Sven Lüders
ist Geschäftsführer der Humanistischen Union

### Bildunterschrift: Die Entwicklung der Zugriffszahlen auf die HU-Webseite und der Beitritte zur Humanistischen Union (ohne GHI-Mitglieder in 2009).

[1] Angaben lt. Analysedienst www.alexa.com.

[2] vgl. Martin Kutscha: Facebook, Google und Co.: Die Datenschutzlüge, in: Mitteilungen Nr. 212 (1/2011), S. 15/16.

Zur Entwicklung der HU-Internetangebote siehe:

Sven Lüders: Die HU auf dem Weg ins Web 2.0. Neues HU-Wiki als Plattform für HU-Mitglieder bereit gestellt, in: Mitteilungen Nr. 207 (Heft 4/2009), S. 22-23.

Sven Lüders: Endlich geschafft: Die neue Homepage der HU, in: Mitteilungen Nr. 194, S. 20-21.

Sven Lüders: Bürgerrechte im World Wide Web. Bericht über den geplanten Ausbau des HU-Internetangebotes, in: Mitteilungen Nr. 190, S.22-23 .

Eine Bestandsaufnahme zur bisherigen Webseite und eine Ideensammlung für deren Weiterentwicklung (Was soll verbessert werden? Welche neuen Funktionen und Erweiterungen wären wünschenswert?) findet sich im Wiki der HU: https://www.humanistische-union.de/wiki/ unter dem Wiki-Code O1007 (in die Suchmaske eingeben). Ergänzungen und Kommentare sind herzlich willkommen.

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