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Themen / Innere Sicherheit / Klagen gegen Polizeigesetze

Polizei­kenn­zeich­nung in Berlin und Brandenburg

11. Oktober 2011

eine HU-Erfolgsgeschichte

Aus: Mitteilungen Nr. 214 (3/2011), S. 10-11

Polizeikennzeichnung in Berlin und Brandenburg

Preußische Polizeiuniform von 1848. Der Berliner Polizeipräsident Karl Ludwig Friedrich von Hinkeldey führte damals eine Kennzeichnung für Polizisten ein, die jedoch kurze Zeit später wieder abgeschafft wurde. (Foto: HU Berlin)

„Polizeivollzugsbeamte tragen an ihrer Uniform deutlich sichtbar ein Namensschild“ heißt es in einem Gesetzentwurf der HU Bremen aus dem Jahr 1968. Diese oder ähnliche Regelungen versuchen die verschiedenen Landesverbände der HU seit Jahrzehnten in ihren Bundesländern durchzusetzen. Eine individuelle Kennzeichnung von PolizistInnen soll im Fall rechtswidrigen polizeilichen Handelns die Identifizierung des handelnden Beamten ermöglichen und damit der Aufklärung dienen. Dadurch sollen PolizistInnen, die außerhalb ihrer Befugnisse handeln, insbesondere unbefugte oder unverhältnismäßige Gewalt gegen BürgerInnen ausüben, zur Verantwortung gezogen werden können. Es geht letztendlich um die Gewährleistung transparenten staatlichen Handelns und rechtsstaatlicher Anforderungen. In Berlin und Brandenburg wurde diese Forderung nun umgesetzt.

Ausgangspunkt in Berlin war ein gewaltsamer Übergriff von Polizisten auf einen Demonstranten bei der „Freiheit statt Angst“-Demonstration im Jahr 2009. Der Fall hatte erneut gezeigt, dass die bisherigen Regelungen nicht ausreichen. Nach der alten Gesetzeslage waren lediglich die Polizeieinheiten mit einer Sollstärke von zehn Polizisten mit einer einheitlichen Nummer gekennzeichnet. Die Individualisierung eines konkreten Polizisten sollte über die sog. Legitimationspflicht gewährleistet werden, wonach jeder Polizist dazu verpflichtet, ist auf Nachfrage seine Dienstkarte mit seiner Dienstnummer auszuhändigen. Der Vorfall auf der Demonstration hatte die Schwachstellen dieser Regelung offenbart. Einer der später gewalttätig gewordenen Polizisten hatte die Herausgabe seiner Dienstkarte nicht nur verweigert, die Frage des späteren Opfers nach seiner Dienstnummer hatte der Polizist vielmehr zum Anlass genommen, Gewalt gegen den Demonstranten auszuüben. Erst später öffentlich gewordene private Videoaufzeichnungen, die von anderen Demonstranten angefertigt worden waren, konnten den Polizisten und die beteiligten Kollegen überführen. Der damalige Berliner Polizeipräsident Glietsch erließ daraufhin eine Geschäftsanweisung, mit der PolizistInnen verpflichtet werden, ihren Namen bzw. ihre Dienstnummer an ihrer Uniform zu tragen. Ob ein Polizist seinen Namen oder seine Dienstnummer trägt, entscheidet jeder einzelne Polizist selbst. Ausgenommen von der namentlichen Kennzeichnung sind die Einsatzeinheiten, die insbesondere auf Demonstrationen eingesetzt werden. Sie tragen eine fünfstellige Buchstaben-/Ziffernkombination, welche die Individualisierung ermöglicht.

Der Polizeipräsident hatte mit dieser Regelung von Anfang an Bedenken der Kennzeichnungsgegner berücksichtigt. Sie befürchten, dass Polizisten und ihre Familien durch die Preisgabe des Namens Opfer von Racheakten werden könnten. Dennoch leisteten die Personalvertreter der Polizisten Widerstand gegen die Geschäftsanweisung. Sie verweigerten ihre für die Umsetzung erforderliche Zustimmung mehrfach. Eine vom Polizeipräsidenten angerufene Einigungsstelle entschied sich letztendlich für die Kennzeichnung. Gegen die seit dem 1. Januar 2011 in Berlin geltende Regelung haben nun mehrere Polizeibeamte Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht. Sie werden von den Polizeigewerkschaften unterstützt. Sie bringen gegen die Kennzeichnung vor, dass auch von der Nummernkennzeichnung eine Gefahr für die Sicherheit der Polizisten und ihrer Familien ausgehe. Ein Argument, das sich kaum begründen lässt. Zudem stelle die Polizeikennzeichnung ein Misstrauensvotum gegenüber der Polizei dar. Dieser Einwand verkennt jedoch, dass die Kontrolle staatlichen Handelns zu den Grundpfeilern eines demokratischen Rechtsstaates gehört und mit einem Misstrauensvotum daher nichts zu tun hat.

Als nicht pauschal von der Hand zu weisendes Argument wird hingegen vorgebracht, dass die Geschäftsanweisung keine ausreichende Rechtsgrundlage für den mit der Kennzeichnung verbundenen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Polizisten darstellt. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist eine Abwägungsfrage. Auch die HU Berlin-Brandenburg fordert die Einführung einer gesetzlichen Regelung. Damit würde die Polizeikennzeichnung nicht nur auf eine ausreichende gesetzliche Grundlage gestellt, es würden zudem auch PolizistInnen von der Kennzeichnung erfasst, die aus anderen Bundesländern kommen und im Wege der Amtshilfe in Berlin tätig werden. Aufgrund der vielen Großeinsätze in Berlin kommt das häufig vor. Solange es in anderen Bundesländern keine Polizeikennzeichnung gibt, ist es wichtig, diese Polizisten in die Regelung einzubeziehen.

Einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus (Drs. 16/0225) gab es bereits. Er wurde Ende August jedoch leider wieder zurückgezogen.

In Brandenburg hat hingegen der Landtag im Mai eine gesetzliche Regelung verabschiedet (GVBl I 2011 Nr. 10 v. 10.6.2011, S. 1 f.). Das Gesetz, welches eine namentliche Kennzeichnung vorsieht, tritt am 1. Januar 2013 in Kraft. Es geht auf einen Gesetzentwurf (Drs. 5/1442) zurück, den die CDU-Fraktion im Juli 2010 in den Landtag eingebracht hatte. Der Entwurf wurde am 18. Mai 2011 mit einigen Änderungen vom Landtag angenommen. Der Antrag der Fraktion zur Verabschiedung des Gesetzes stieß durchaus auf einige Verwunderung, da die CDU in anderen Bundesländern stets als Gegnerin der Polizeikennzeichnung aufgetreten ist. In Brandenburg setzt sich die CDU hingegen nicht nur für die Kennzeichnung ein, ihr kommt es insbesondere darauf an, dass die PolizistInnen ihren Namen an der Uniform tragen. Dies stärke das Vertrauensverhältnis zwischen BürgerIn und Polizei. Zu einer bürgernahen und bürgerorientierten Polizei gehöre die Möglichkeit, den einzelnen Polizeivollzugsbeamten im täglichen Dienstgeschehen persönlich anzusprechen, heißt es in der Begründung. Ein Argument, das tatsächlich für eine namentliche Kennzeichnung spricht. Aus Sicht der HU erhöht die Möglichkeit der namentlichen Ansprache die Dialogbereitschaft zwischen den Bürgern und den Polizeivollzugsbediensteten und kann dadurch auch deeskalierend wirken. Anonymität wirkt bedrohlich. Ein Namensschild kann dagegen den durch die besondere Situation erschwerten Kontakt entkrampfen. Zudem lenkt ein Namensschild die Aufmerksamkeit des Bürgers auf die Person hinter der Uniform und ruft auch den/die BürgerIn zu den üblichen Formen des Anstands auf. Tritt man daher für eine namentliche Kennzeichnung ein, ist es nur konsequent, diese auch für die geschlossenen Einheiten zu fordern. Denn gerade bei Großeinsätzen tritt die Polizei den BürgerInnen als anonyme Masse gegenüber. Daher sollte auch hier die präventive und deeskalierende Wirkung, die von Namensschildern ausgehen kann, zum Tragen kommen. Dieses Argument hatte die HU auch dem brandenburgischen Innenausschuss vorgetragen, in den sie im Januar als Sachverständige geladen worden war. In das später verabschiedete Gesetz wurde der Änderungsvorschlag jedoch nicht aufgenommen. Berücksichtigt wurde hingegen der Hinweis, dass das Gesetz, im Sinne der Verhältnismäßigkeit des mit der Kennzeichnung verbundenen Eingriffs in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Polizisten, eine Ausnahme von der namentliche Kennzeichnung für den Fall vorsehen sollte, dass einzelne Polizisten durch die Kennzeichnung gefährdet sind. Der in das Gesetz nun aufgenommene Ausnahmetatbestand ist in seiner Formulierung zwar sehr weit geraten, er sieht aber – und darauf kommt es an – lediglich eine Ausnahme von der namentlichen Kennzeichnung vor. Eine Ausnahme von jeglicher Kennzeichnung gibt es hingegen nicht. Die Identifizierung rechtswidrig handelnder PolizeibeamtInnen bleibt damit stets möglich. Maßnahmen brandenburgischer PolizistInnen werden somit ab dem Jahr 2013 deutlich transparenter werden.

Ein Erfolg, den sich die Humanistische Union trotz seines eher überraschenden Eintritts durchaus auf ihre Fahnen schreiben kann. Die HU ist an dem Thema über Jahrzehnte dran geblieben und hat ihre Forderung nach der Einführung einer Polizeikennzeichnung stets erneuert. Ohne das ausdauernde Engagement würde es ab dem Jahr 2013 womöglich nicht im Brandenburgischen Polizeigesetz heißen: „Polizeivollzugsbedienstete tragen bei Amtshandlungen an ihrer Dienstkleidung ein Namensschild.“
Anja Heinrich
Geschäftsführerin des HU-Landesverbandes Berlin-Brandenburg

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