Themen / Frieden

Protest der Friedens­be­we­gung gegen 2. Peters­ber­g-­Gipfel im Dezember

11. Oktober 2011

Für Verhandlungen und Waffenstillstand statt Fortsetzung des Afghanistan-Krieges. Aus: Mitteilungen Nr. 214 (3/2011), S. 14

Mit der Humanistischen Union unterstützen inzwischen weit über einhundert Organisationen und 500 Einzelpersonen den Protestaufruf der Friedensbewegung gegen die zweite Afghanistan-Konferenz auf dem Bonner Petersberg am 5. Dezember 2011. Dann will die Bundesregierung als Einlader mit den Krieg führenden Staaten und Nichtregierungsorganisationen über Perspektiven für Afghanistan beraten. Dazu gehört u.a. die weitere Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanische Polizei und Armee.
Vertreter der Friedensbewegung befürchten allerdings, dass mit Petersberg II trotz der Ankündigung des Truppenabzugs bis 2014 und verstärktem zivilen Engagement seitens der Bundesregierung und der NATO dennoch die internationale militärische Interventions- und Besatzungspolitik fortgesetzt wird. Aufstandsbekämpfung und gezielte Tötungen durch Drohnen bleiben weiterhin Teil der Strategie zur „Befriedung“ Afghanistans. Es gibt Hinweise darauf, dass die US-Regierung mit der Karsai-Regierung über eine Militärpräsenz bis 2024 verhandelt.

Bereits im ersten „Fortschrittsbericht Afghanistan“ der Bundesregierung vom Dezember 2010 hieß es, der Weg zu einem stabilen und sicheren Staat „erfordert letztlich eine ‚politische Lösung‘, einen Prozess der Verständigung und des politischen Ausgleichs mit der Insurgenz.“ (S. 62) Dann wäre es nur konsequent, auch das Gespräch mit den Aufständischen zu suchen und Vertreter zum Petersberg-II-Gipfel einzuladen – ob dies noch geschieht, ist bislang offen. Verlautbarungen des US-Außenministeriums und Berichte der New York Times lassen auf eine Gesprächsbereitschaft bei Talibanführern schließen. In einem Interview von aixpaix-Herausgeber Otmar Steinbicker mit dem afghanischen Stammesführer Naqibullah Shorish, der sich mit Unterstützung von Taliban zur Vermittlung von Friedensgesprächen im September 2011 in Deutschland aufhielt, hat dieser über Chancen und Probleme seiner Vermittlungsarbeit berichtet. Es wäre fatal, würde der zweite Petersberg-Gipfel den Fehler des ersten Gipfels wiederholen, von dem die Taliban ausgeschlossen waren, bei dem aber sonstige Warlords und Kriegsverbrecher mit am Tisch saßen.

Zu den Forderungen der Friedensbewegung und zahlreicher entwicklungspolitischer Organisationen gehört ein von beiden Seiten zu vereinbarender und einzuhaltender Waffenstillstand als Voraussetzung für Verhandlungen über eine Friedenslösung. Der Waffenstillstand könnte, wenn nicht für ganz Afghanistan, dann doch zumindest regional abgeschlossen werden. Letztlich dürfte erst der Abzug der internationalen Truppen die Voraussetzung für eine Selbstbestimmung der Afghanen über ihre weitere Zukunft sein. Befürchtungen, ein innerafghanischer Bürgerkrieg sei notwendig die Folge des Truppenabzugs, werden von Kennern Afghanistans wie Citha Maaß von der Stiftung Wissenschaft und Politik oder dem Journalisten Thomas Ruttig für nicht wahrscheinlich gehalten. Zum Schutz von Kräften, die in Afghanistan mit internationalen Truppen und anderen westlichen Vertretern kooperiert haben, können eigens Programme entwickelt werden. Dieser Aspekt des Truppenabzugs darf insbesondere von Bürger- und Menschenrechtsgruppen nicht ausgeblendet werden.

Ebenso wenig wie andere hat die Friedensbewegung einen Masterplan zur Friedenslösung für Afghanistan. Ihre Forderungen nach Waffenstillstand und Verhandlungen mit den Aufständischen sowie umfassender Truppenabzug und die Konzentration auf den Wiederaufbau Afghanistans sind aber notwendige Schritte, ohne die es keine Friedenslösung geben wird. Der vermeintlich gerechte Krieg war und ist militärisch nicht zu gewinnen, wie auch der aktuelle „Fortschrittsbericht Afghanistan“ eingestehen muss. Jetzt ist der eigentliche Ernstfall für die internationale Staatengemeinschaft da: Nämlich durch umfassende zivile Hilfe einen gerechten Frieden in Afghanistan zu gewinnen.

Zum Stand der Vorbereitungen des Protestbündnisses gegen Petersberg II gibt es Informationen auf www.afghanistanprotest.de. Der Newsletter des Bündnisses informiert zusätzlich über die geplanten Aktivitäten:

· Samstag, 3. Dezember 2011: Bundesweite Demonstration ab 11.30 Uhr / Bonner Kaiserplatz
· Sonntag, 4. Dezember 2011: Internationale Antikriegskonferenz / Analysen, Strategie und Alternativen zum Krieg
· Montag, 5. Dezember 2011 – dem Tag des Petersberg-Gipfels: Begleitaktionen zur Regierungskonferenz.

Am 15./16. Oktober 2011 fand im Bonner DGB-Haus, Endenicher Str. 127 eine vom Netzwerk Friedenskooperative ausgerichtete Aktionskonferenz zur Vorbereitung der Petersberg-Proteste statt, auf der auch die Humanistische Union vertreten war.

Werner Koep-Kerstin
ist Mitglied im Bundesvorstand der Humanistischen Union und dort für den Bereich Friedenspolitik zuständig

Weitere Informationen zur Bedeutung von Verhandlungen für den Friedensprozess in Afghanistan finden sich unter http://www.aixpaix.de/ – dort u.a. der aktuelle Text von Otmar Steinbicker zum Thema Friedensverhandlungen (Interview mit dem Stammesführer Shorish).
Das aktualisierte Infoblatt des Bundes für Soziale Verteidigung ist zu finden unter: http://www.soziale-verteidigung.de/fileadmin/dokumente/Afghanistan_Juli_2011.pdf
Sehr detailreich informiert Thomas Ruttig in seinem Blog im „Afghanistan Analysts Network“: http://aan-afghanistan.com/index.asp?id=20.

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