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Humanis­ti­sche Union begrüßt angekün­digten Verzicht auf katholisch sanktio­nierte Wissen­schaft

05. Februar 2013

Nachdem das umstrittene Mitbestimmungsrecht bei der Besetzung wissenschaftlicher Lehrstühle an bayerischen Universitäten bereits mehrere Gerichte beschäftigt, lenkt die katholische Kirchen offenbar ein. Die bayerische Bischofskonferenz verkündete vor wenigen Tagen, auf ihr Vetorecht bei der Besetzung sog. Konkordatslehrstühle künftig zu verzichten. Die Humanistische Union, die gemeinsam mit anderen Verbänden Musterklagen gegen diesen Anachronismus unterstützt, begrüßt diese Entscheidung und fordert die bayerische Staatsregierung auf, nun auch die weiteren Privilegien aus dem Konkordatsvertrag zu streichen.

Konkordatslehrstühle: Die katholische Kirche bewegt sich doch – wenn es gar nicht mehr anders geht!

Gemeinsame Erklärung der Humanistischen Union (HU), des Bundes für Geistesfreiheit Bayern (BfG), der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS) und des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA)

Die katholische Kirche in Bayern will sich offenbar von einem Privileg trennen, das dem weltlichen Verfassungsstaat vollkommen unangemessen ist: von den Konkordatslehrstühlen. Dabei handelt es sich um Lehrstühle in Fakultäten außerhalb der Theologie, bei denen der örtliche Bischof das Recht hat, einen von der Universität vorgeschlagenen Kandidaten abzulehnen, wenn er keinen „katholisch-kirchlichen Standpunkt“ vertritt. Betroffen sind davon insgesamt 21 Lehrstühle an bayerischen Universitäten aus den Fächern Philosophie, Pädagogik und Gesellschaftswissenschaften.

Bei dem Verfahren zur Besetzung eines Konkordatslehrstuhls für Praktische Philosophie an der Universität Erlangen-Nürnberg war es in den letzten Jahren zu zwei Gerichtsverfahren gekommen, bei denen es einmal um die mangelnde Berücksichtigung einer qualifizierten Professorin für die ausgeschriebene Stelle ging, zum anderen um den Text der Ausschreibung selber. Die beiden Gerichtsverfahren, die beide inzwischen zu einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht geführt haben, wurden von mehreren säkularen Verbänden unterstützt: der Humanistischen Union, der Giordano-Bruno-Stiftung, dem Bund für Geistesfreiheit Bayern und dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten, durch Spendenaufrufe und durch Beiträge aus dem Vereinsvermögen.

Die Frühjahrskonferenz der bayerischen Bischöfe hat nun am 30./31. Januar 2013 in Waldsassen beschlossen, auf dieses Recht in Zukunft verzichten zu wollen. Dabei mag auch der Umstand eine Rolle gespielt haben, dass eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe, die den Beschwerdeführern recht gegeben hätte, für die Kirche doch einigermaßen peinlich gewesen wäre. Dass in einem religionsneutralen Staat wie Deutschland, also auch in Bayern, freie Wissenschaft an staatlichen Hochschulen einerseits und kirchliches (Mit-)Bestimmungsrecht bei Forschung und Lehre andererseits unvereinbar sind, dürfte eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit sein, die nun auch kirchlicherseits nicht mehr bestritten wird.

Die unterstützenden Verbände begrüßen diesen überfälligen Verzicht der Kirche auf ein anachronistisches und verfassungswidriges Privileg und sie appellieren an die Bayerische Staatsregierung und an den Bayerischen Landtag, es bei der nunmehr zu erwartenden Änderung des Bayernkonkordats nicht bei der Abschaffung der Konkordatslehrstühle zu belassen, sondern weitere neutralitätswidrige Privilegien der katholischen Kirche zu beseitigen: den staatlichen Kirchensteuereinzug, die obsolet gewordenen Staatsleistungen, die bevorzugte Präsenz der Kirchen in den Gremien von Rundfunk und Fernsehen, die staatliche Finanzierung der Anstaltsseelsorge.

Die unterstützenden Verbände danken den Spendern, ohne deren Unterstützung die Gerichtsverfahren nicht möglich gewesen wären, und sie danken insbesondere den beiden Klägern, ohne die diese Verfahren gar nicht in Gang gekommen wären.

Nachtrag: Wie wir erst nach Veröffentlichung dieser Erklärung erfuhren, hat auch der Verein zur Umwidmung von Kirchensteuern e.V. die Klage finanziell wie ideell unterstützt – worüber wir uns sehr freuen.

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