Publikationen / Mitteilungen / Mitteilungen Nr. 217

"Humanis­ti­sche Union" – ein Marken­zei­chen für Bürger­rechts­a­r­beit?

Mitteilungen Nr. 217 (Heft 2/2012), S. 26

Das von der Delegiertenkonferenz 2011 bestimmte Gremium favorisiert als neuen Vereinsnamen „Humanistische Union für Bürgerrechte“ (HU-Mitteilungen Nr. 215/216, S. 34). In der Begründung wird ausgeführt, die Humanistische Union sei ein „als Marke erkennbarer Begriff“. An anderer Stelle heißt es: „Von Belang ist auch die Außenwahrnehmung unseres eingeführten Namens. Der Begriff ‚Humanistische Union‘ ist schließlich nicht nur in der Bürgerrechtsszene bekannt, sondern weit darüber hinaus, gerade auch in den Medien …“.

Nach jahrzehntelanger Mitarbeit in der HU scheint mir diese Einschätzung mehr Wunschdenken zu sein, als der Wirklichkeit zu entsprechen.

Wenn es noch eines Beweises für den Bekanntheits- bzw. Unbekanntheitsgrad der HU bedürfte, dann war es das 50-jährige Jubiläum der HU. Von den überregionalen Tages- und Wochenzeitungen berichtete lediglich das Neue Deutschland vom 26.9.2011 über den Festakt in der Akademie der Künste in Berlin. Ferner erschien in der Zweiwochenschrift Ossietzky in den „Antworten“ eine kurze Würdigung unserer 50-jährigen Bürgerrechtsarbeit (Nr. 18/2011, S. 697f.). Auch Internet-Recherchen der Bundesgeschäftsstelle der HU haben keine weitere Medienresonanz ergeben.

In Meldungen der Nachrichtenagenturen kommt die HU so gut wie nicht vor. Auch die überregionalen Tages- und Wochenzeitungen berücksichtigen bei ihrer Berichterstattung nur selten die Pressemitteilungen, die ihnen von der Bundesgeschäftsstelle unmittelbar zugehen. Als Beispiel sei die von zwei Tagungen begleitete Initiative der HU zur Legalisierung der aktiven Sterbehilfe erwähnt, die – soweit mir bekannt – nirgendwo erwähnt wurde. Auch die Berliner Gespräche über das Verhältnis von Staat, Religion und Weltanschauung fanden nur spärliche Medienresonanz.

Seit Jahren versuche ich, in Teilbereichen die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesgeschäftsstelle zu unterstützen. Durch Telefongespräche mit Journalistinnen und Journalisten, durch Gesprächsangebote mit Bundesvorstandsmitgliedern oder der Geschäftsführung, durch Hinweise auf Tagungen und vorhandene HU-Materialien, durch Aktualisierung des Presseverteilers der HU. Von wenigen Journalistinnen und Journalisten abgesehen, zu denen schon lange ein Kontakt besteht oder aufgebaut wurde, muss ich dabei erst einmal erläutern, was die Organisation mit dem Namen Humanistische Union überhaupt ist – oder manchmal auch, was sie nicht ist, also keine Weltanschauungsgemeinschaft.

Bei meinen Bemühungen, das Verfassungsgebot zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen in den Medien zu thematisieren, sagte mir der Leiter der Berliner Redaktion einer großen Regionalzeitung, die HU sei nicht so bedeutend, als das man darüber unbedingt berichten müsste.

Beim Thema Staat/Kirche kann man auch sonst Bemerkenswertes feststellen. So schrieb der Rheinische Merkur einmal, die HU würde Jugendweihen veranstalten. In einem Bericht über den Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dresden sprach die Frankfurter Rundschau vom  4.6.2011 von einem „Vertreter der HU“, der „bekennender Atheist“ sei. Tatsächlich handelte es sich um einen Vertreter des Humanistischen Verbands Deutschland. Die Monatszeitschrift Herder Korrespondenz brachte einen längeren Beitrag „Klein – aber einflussreich. Anspruch und Wirklichkeit kirchenkritischer Organisationen” (Nr. 2/2011, S. 77ff.). Die HU kam darin nicht vor.

Wenn die HU die strikte Trennung von Staat und Kirche einfordert, wird sie in den Medien vielfach als „atheistische“ Vereinigung bezeichnet, In dem Artikel „Wer hat, dem wird gegeben“ in der Welt am Sonntag vom 4.9.2011 heißt es: „Waren jene Millionen (gemeint sind die Staatsleistungen an die Kirchen) früher ein Steckenpferd atheistischer Gruppen, wie der Humanistischen Union, so wird das Geld nun auch in den Kirchen als Problem erkannt.“ Könnte eine solche Charakterisierung der HU bei Leserinnen und Lesern auch dann unreflektiert durchgehen, wenn die HU statt eines „weltanschauungsnahen“ Namens einen „bürgerrechtlichen“ Vereinsnamen hätte, also zum Beispiel Bürgerrechtsunion statt Humanistische Union?

Die Wahrnehmung der aktiven Mitglieder in den Regionalgliederungen der HU über den Bekanntheitsgrad der HU unterscheidet sich wesentlich von der Wahrnehmung durch die Medien und die breite Öffentlichkeit. Ich habe von 1971 bis 1980 im Ortsverband Hannover und im Landesverband Niedersachsen der HU mitgearbeitet. Natürlich freuten wir uns, wenn unsere monatlichen Gesprächskreise auch von Nichtmitgliedern besucht wurden, wenn öffentliche Veranstaltungen im Lokalteil der Tageszeitungen angekündigt wurden. Unsere damaligen Aktionen gegen den Abtreibungsparagrafen 218 Strafgesetzbuch fanden Resonanz in den beiden hannoverschen Tageszeitungen.

Diese auch heute erfolgreiche und wertvolle Arbeit in den Regionalgliederungen sollte jedoch nicht den Blick dafür verstellen, dass die HU überregional als Bürgerrechtsorganisation weitgehend unbekannt ist.

Bei Bahnfahrten, im Urlaub, bei Veranstaltungen anderer Organisationen treffe ich verschiedentlich auf Menschen, die für Themen wie Telekommunikationsüberwachung, Datenschutz, Staat/Kirche-Verhältnis usw. durchaus ansprechbar sind. Wenn ich dann frage, ob sie schon einmal etwas von der Humanistischen Union gehört haben, dann ist die Antwort meistens negativ. Nun ist meine private „Befragung“ sicher nicht repräsentativ. Vor der ersten Urabstimmung über einen neuen Vereinsnamen hatte der Bundesvorstand der HU aber auf eine von Amnesty International 2008 in Auftrag gegebene repräsentative Untersuchung hingewiesen (HU-Mitteilungen Nr. 209, S. 23). Auf die Frage „Können Sie mir Organisationen nennen, die sich für die Menschenrechte einsetzen?“, wurde die HU innerhalb des Bekanntheitsspektrums von 30% (Amnesty International) bis 2% (Kinderhilfsorganisationen) gar nicht genannt. Ob und mit welchem Prozent- oder Promillesatz die HU unter „Sonstige“ genannt wurde, geht aus der Untersuchung von Infratest dimap nicht hervor.

Seit Jahrzehnten versucht die HU vergeblich, in Pressemitteilungen usw. durch Voranstellen des Wortes „Bürgerrechtsorganisation“ („Die Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union fordert … begrüßt … protestiert …“) den Arbeitsbereich der HU zu umschreiben und damit den Bekanntheitsgrad zu erhöhen. Die Medien sprachen – wenn sie die HU überhaupt erwähnten – in der Regel nur von der Humanistischen Union und nicht von der Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union. Bei Leserinnen und Lesern konnte daher eine gedankliche Verbindung ‚Humanistische Union = Bürgerrechte‘ nicht entstehen.

Nachdem das Wort „Bürgerrechtsorganisation“ vor dem Vereinsnamen Humanistische Union nicht den gewünschten Erfolg brachte, ist für mich nicht ersichtlich, warum die Worte „für Bürgerrechte“ hinter Humanistische Union erfolgreicher sein sollten. Die Medien würden weiterhin nur von der Humanistischen Union sprechen und es nicht als ihre Aufgabe ansehen, den erläuternden Zusatz „für Bürgerrechte“ zu erwähnen. Für einen aussagekräftigen Vereinsnamen, der bei Leserinnen und Lesern ankommen soll, müssen wir schon selbst sorgen.

Natürlich weiß ich, dass es auch außerhalb des Beirats der HU Wissenschaftler, Datenschutzbeauftragte, Juristen, Politiker, sogar Verfassungsrichter gibt, die die HU kennen und ihre Arbeit schätzen. Auch langjährigen Mitgliedern der Justizpressekonferenz ist die HU durch die Präsentation des Grundrechte-Reports bekannt. Ein neuer Vereinsname könnte diesem Personenkreis leicht vermittelt werden.

Von einem neuen Vereinsnamen sind keine Wunder zu erwarten. Wenn dadurch aber die Fehldeutungen unserer Arbeit etwas verringert und die Bürgerrechtsarbeit in der Öffentlichkeit etwas sichtbarer würden, wäre schon viel gewonnen. Es läge an uns, einen neuen Vereinsnamen medienwirksam zu präsentieren.

Abschließend möchte ich zu dem Namensvorschlag des Gremiums („Humanistische Union für Bürgerrechte“) noch folgendes bemerken: In der Präambel und im § 5 des Verschmelzungsvertrags zwischen der Humanistischen Union und der Gustav Heinemann-Initiative (HU-Mitteilungen Nr. 205/206, S. 26) ist nicht davon die Rede, dass der bisherige Vereinsname Humanistische Union um einen Zusatz ergänzt werden sollte. Vielmehr sollten sich die Mitglieder von HU und GHI nach dem Zusammenschluss in einer Urabstimmung auf einen neuen Namen verständigen. Da wir uns als Bürgerrechtsorganisation stets für die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien im staatlichen Bereich einsetzen, sollten wir auch verbandsintern den Rechtsgrundsatz „pacta sunt versanda“ beachten – Verträge sind einzuhalten.
                                                              Gerhard Saborowski, Hannover

nach oben