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Ressort­pla­nung: Innere Sicherheit

Mitteilungen215/21606/2012Seite 26

Mitteilungen Nr. 215/216 (Heft 1/2012), S. 26f.

Ressortplanung: Innere Sicherheit

Kampagne Abschaffung des Verfas­sungs­schutzes

Das Verhalten der Sicherheitsbehörden bei der Beobachtung der NSU-Mitglieder und ihres rechtsextremen Umfeldes stellt eine neue Qualität im Versagen dieser Behörden dar – vor allem hinsichtlich des Ausmaßes der dadurch möglichen Gewalttaten. Die Symptome dieses Versagens (umfassende Infiltration und Überwachung der rechtsextremen Szene durch den Verfassungsschutz, zugleich aber Duldung strafrechtlich relevanten Verhaltens von beobachteten Personen/V-Leuten; parallele Überwachungen/Ermittlungen durch Polizei und Geheimdienste; Versagen der Ermittlungsbehörden bei der Erkennung der rechtsextremistischen Tatmotive) sind jedoch nicht neu. Sie finden sich in zahlreichen Geheimdienstaffären der Bundesrepublik wieder – ob beim „Celler Loch“ oder der Ermordung Ulrich Schmückers – aber auch in der alltäglichen Spitzelpraxis des Dienstes, von der Überwachung Gustav Heinemanns bis zu Rolf Gössner. Deshalb muss die Aufarbeitung der NSU-Verbrechen auch die wiederkehrenden, systematischen Probleme geheimdienstlicher Ermittlungen und die Defizite der bisherigen Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Gefahren in den Blick nehmen. Die Humanistische Union sollte dabei vor allem auf folgende Aspekte achten: strukturelle Gründe für das Versagen der Sicherheitsbehörden und Erneuerung unserer Kritik des behördlichen „Verfassungsschutzes“; Problem des Mainstreaming rechtsextremer Einstellungen in breiten Teilen der Bevölkerung; kritische Evaluation der Projektarbeit gegen Rechtsextremismus. Dabei haben wir konkret folgende Aktivitäten geplant:

  • Die HU wird eine Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Rechtsextremismus-Datei verfassen und bemüht sich um eine Teilnahme an der Sachverständigenanhörung des Bundestages (bereits erfolgt – s. Bericht auf Seite 1 ff. dieser Ausgabe).
  • Wir diskutieren und ggf. aktualisieren unsere Positionen zur Gewährleistung des Parteienprivilegs in Bezug auf ein mögliches NPD-Verbotsverfahren (siehe Pro & Contra Seite 6-8 dieser Ausgabe) und der Versammlungsfreiheit für Rechtsextreme auf dem diesjährigen Verbandstag der HU.
  • Die Humanistische Union wird die Arbeit der Untersuchungskommissionen in Bund und Ländern, die sich mit dem Versagen der Sicherheitsbehörden in der NSU-Mordserie befassen, aktiv begleiten. Wir wollen die parlamentarischen Aktivitäten zur Aufklärung mit einem Weblog dokumentieren und kommentieren, für das wir auch externe AutorInnen suchen. Vorbehaltlich der dabei zutage tretenden Verfehlungen und einer Finanzierung möchten wir daraus eine breitere Kampagne zur Auflösung des Verfassungsschutzes entwickeln, die konkrete Perspektiven für den Umbau bzw. die Ablösung der Verfassungsschutzämter enthält.
Tagung „Die neuere Recht­spre­chung zu Überwa­chungs­be­fug­nissen durch staatliche Stellen“

Es ist bewährte Tradition der HU, dass sie die Entwicklung der grundrechtlichen Schutzstandards, die sich aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben, kritisch begleitet und reflektiert. In den letzten Jahren wurden zahlreiche Sicherheitsgesetze in Karlsruhe überprüft und mit unterschiedlichen Einschränkungen versehen – z.B. Kfz-Kennzeichenscan, Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung. Dabei schufen die VerfassungsrichterInnen teilweise neue Schutznormen (so das „Computer-Grundrecht“), schränkten manche Schutzbereiche aber auch ein (etwa das Fernmeldegeheimnis). Wir wollen die sich daraus abzeichnenden Trends für den Grundrechtsschutz in Deutschland sowie die Aufgaben und Befugnissen von Polizei- und Geheimdiensten reflektieren. Dabei wird uns auch die Frage beschäftigen, in welchem Verhältnis unsere grundrechtlichen Standards zu den europäischen Rechtsnormen stehen und welchen Einfluss die europäische Rechtsentwicklung auf die Grundrechte hier in Deutschland hat.

Stopp der Vorrats­da­ten­spei­che­rung

Wir werden die Kampagne des AK Vorrat und anderer Gruppen gegen die Einführung einer neuen gesetzlichen Regelung der Vorratsdatenspeicherung weiterhin aktiv begleiten.

Diskussion der EG-Da­ten­schutz­richt­linie

Die Europäische Kommission hat zu Beginn des Jahres ihre Entwürfe für eine Reform des Europäischen Datenschutzrechts vorgelegt. Mit einer neuen Datenschutzverordnung sollen u.a. ein Recht auf Datenmitnahme (Protabilität) sowie ein Recht auf Datenlöschung (Vergessen) der Kunden / Endanwender im privaten Bereich eingeführt werden. Daneben sieht der Entwurf einer neuen EU-Datenschutzrichtlinie einheitliche Mindeststandards für den Datenschutz im Verhältnis Staat/Bürger vor.
Welche Auswirkungen dieser neue Rechtsrahmen auf die in Deutschland entwickelten Datenschutzstandards hat, welche Forderungen an ein zeitgemäßes Datenschutzrecht zu stellen sind – all das wollen wir diskutieren und den europäischen Reformprozess kritisch begleiten.

Für seine Arbeit im Bereich Datenschutz  hat der Bundesvorstand noch keinen Arbeitsplan diskutiert. Er wird sich dazu mit sachverständigen Mitgliedern beraten, die die Arbeit des Bundesvorstands in diesem Bereich unterstützen sollen.

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