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Ehe, Party oder Syndikat?

Mitteilungen21707/2012Seite 21

Bericht von einer Klausurtagung der Humanistischen Union. Mitteilungen Nr. 217 (Heft 2/2012), S. 21/22

Veranstaltungen hier, Demonstration da, Musterklagen dort – ab und an braucht eine Organisation wie die Humanistische Union (HU) eine Pause vom tagespolitischen Geschehen, um sich über ihren Zusammenhalt, ihre Ziele und Strategien zu verständigen. Eine Klausurtagung mit den Mitgliedern des aktuellen Bundesvorstands, der Geschäftsführung und Vertretern der Regionalgruppen bot dazu eine gute Gelegenheit. Sie fand vom 15. bis 17. Juni in Berlin statt und beschäftigte sich vor allem mit der Wirksamkeit der HU-Aktivitäten (Stichwort: Kampagnen) und der Öffentlichkeitsarbeit des Verbandes. Auslöser dieser Tagung waren einige seit längerem erkannte Organisationsdefizite der HU, die der Vorstand mehrfach diskutiert hat; aber auch ein mittlerweile fortgeschrittener Antrag bei der Bewegungsstiftung, mit dem die Voraussetzungen für eine Weiterentwicklung der Organisationsstruktur geschaffen werden sollen.

Am Anfang der Klausur stand eine offene Diskussion darüber, ob und wozu es heute noch eine Bürgerrechtsorganisation wie die HU brauche, sowie zur Frage, welche Stärken und Schwächen die TeilnehmerInnen aktuell an der Organisation ausmachen. Die Existenzfrage wurde von fast allen positiv beantwortet: als Plattform für die zersplitterte Bürgerrechtsbewegung und als Gegengewicht zu Parteien, Bürokratie und Spezialistentum sei die HU nach wie vor gefordert. Ihre Stärken wurden vor allem in ihrer hohen Meinungsvielfalt (Pluralität), in ihrer thematischen Bandbreite und ihrer nachhaltigen, langfristigen Bearbeitung von Themen gesehen (historisches Gedächtnis). Die große Themenvielfalt und Bandbreite sahen andere zugleich als große Herausforderung und als Problem. Daneben wurden zahlreiche Kommunikationsdefizite (intern wie extern), nichtfunktionierende Arbeitszusammenhänge (Arbeitskreise; Regionen/Vorstand) sowie Differenzen im Selbstverständnis der HU ausgemacht (Lobbyorganisation, NGO oder soziale Bewegung?).

Den Blick für diese verschiedenen Vorstellungen davon, was die HU ausmacht (bzw. ausmachen sollte), öffnete ein Impulsreferat von Albert Eckart am zweiten Tag. Er stellte verschiedene Kooperationsmodelle vor, die von der (traditionellen) Ehe über Club, Syndikat, Kommune, Party bis zu Forum und Expedition reichten. Anhand der Modelle wurden die Differenzen im Blick auf den Zustand der bzw. die Wünsche an die HU noch einmal deutlich: wie zielorientiert oder aus purer Gesinnungsethik heraus die Mitglieder agieren; welche Verbindlichkeit den Verbandspositionen und gemeinsamen Themenschwerpunkten zukommt; wie weit unser Engagement zentral abgestimmt oder dezentral bleiben soll – all das wurde zum Teil sehr unterschiedlich bewertet. 

Neben den allgemeinen Fragen des Miteinanders waren auch ganz praktische Fragen Thema der Klausur. Als ersten Input gab die Geschäftsführung einen (natürlich subjektiven) Erfahrungsbericht zur Kampagnenarbeit der letzten Jahre. Im Vordergrund standen dabei verschenkte Kampagnenchancen bei Kernthemen des Verbandes (Patientenverfügung, Steuer-ID), fehlende Gelegenheiten zur konkreten Beteiligung für die relativ zahlreichen Neu-Mitglieder des Vereins und die fehlende Abstimmung zu überregionalen Arbeitsschwerpunkten der HU. Ein zweiter Input der Geschäftsführung widmete sich den Medien der HU (Publikationen, Webseite, Werbematerialien), ihrer Bedeutung für die interne/externe Kommunikation, und den vorhandenen Verbesserungsmöglichkeiten.

In der Diskussion wurde der Wunsch nach einer stärker kampagnenorientierten Arbeitsweise der HU teilweise kritisch hinterfragt; zugleich äußerten mehrere Regionalgruppen ihr Interesse an der Festlegung auf einen überregionalen Arbeitsschwerpunkt der HU, unter dem wir kohärent nach Außen auftreten können. Daneben gab es ganz konkrete Vorschläge zur Mitgliederbetreuung, der Neugestaltung von Webseite und Mitteilungen und der Abstimmung zwischen den Regionen.

Am Ende der Klausurtagung war klar: das war erst der Auftakt für einen längeren Diskussions- und Entwicklungsprozess der HU. Die begonnen Diskussionen sollen deshalb auf dem Verbandstag fortgeführt werden (s. Programm auf S. 17). Dabei wird es um konkrete Ideen für die Ausgestaltung einer Musterkampagne zur Polizeikontrolle gehen, aber auch um die Weiterentwicklung der HU-Medien v.a. Mitteilungen und vorgänge). Wir hoffen auf eine rege Beteiligung aller interessierten Mitglieder.

Sven Lüders

Alle auf der Klausurtagung verteilten Materialien sowie ein ausführliches Protokoll der Veranstaltung sind im internen Bereich des HU-Wikis abrufbar unter: https://wiki.humanistische-union.de/ oder können über die Bundesgeschäftsstelle bezogen werden.

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