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Bericht aus Frankfurt

Mitteilungen22107/2013Seite 1-2

Mitteilungen Nr. 221 (2/2013), S. 1-2

Rund 60 Mitglieder nahmen an der 23. Delegiertenkonferenz (DK) teil, die am  1./2. Juni in Frankfurt stattfand. Die Stadt war an diesem Wochenende von den Bloccupy-Protesten geprägt – dem konnte und wollte sich die HU nicht entziehen. Zum Auftakt bewertete Klaus Hahnzog die Auflagen der Frankfurter Versammlungsbehörde. Trotz intensiver Bemühungen stellte sich leider kein Vertreter der Behörde bzw. der Politik der Diskussion. So blieb es beim Austausch über die verschiedenen Erfahrungen in den einzelnen Bundesländern. Als sich am Samstag die Situation in Frankfurt zuspitzte, wechselten einige HU-Mitglieder zur Demobeobachtung; die Versammlung verabschiedete eine Resolution zur Kritik am Vorgehen der Polizei (s.S. 9).

Die DK eröffnete am Samstag traditionell mit den Berichten aus den Regionen, vom Bundesvorstand und der Geschäftsführung. Dabei standen im Vordergrund: die Kontroversen des vergangenen Jahres (Beschneidungsdebatte und interne Konflikte) sowie die strategischen Entscheidungen (Verlags- und Konzeptwechsel der vorgänge; der inzwischen erfolgreiche Förderantrag bei der Bewegungsstiftung) sowie der de facto bereits vollzogene Wechsel im Bundesvorsitz.

Die Antrags­de­batten

Für manche ein déjà vu: die Debatte um den ersten satzungsändernden Antrag zur Ersetzung der Delegierten- durch eine offene Mitgliederversammlung. Dagegen wurde eingewandt: die Gefahr lokaler Majorisierung (aber: Welche Regionalgruppe kann noch so viele Mitglieder aufbieten?); die höhere Verbindlichkeit der Delegiertenwahl als Garant für die Teilnahme (aber: von 40 gewählten Delegierten fehlten 5); der angebliche Demokratiegewinn der DK (aber: Wie repräsentativ ist eine Wahl zumeist unbekannter Kandidaten? In welchem Verhältnis stehen direkte/repräsentative Demokratie?). Am Ende gab es zwar eine deutliche Mehrheit für den Wechsel – das nötige Quorum von 3/4 der anwesenden (35) bzw. 2/3 der gewählten Delegierten (40) wurde jedoch knapp verfehlt – es bleibt also vorerst beim Delegiertenwahlverfahren.

Der Antrag zur Absenkung des satzungsändernden Quorums auf der Delegiertenversammlung auf 2/3 der anwesenden Delegierten erhielt dagegen die nötige Mehrheit. Für die DK gilt damit künftig das gleiche Quorum wie bei Urabstimmungen. Keine Mehrheit fand dagegen der Antrag, beim Delegiertenprinzip wenigstens die aufgrund mangelnder KandidatInnen ausfallenden Stimmen übertragen zu können. Zu groß waren die Befürchtungen, dass damit Delegierte erster und zweiter Klasse geschaffen würden.

Ein Initiativantrag von Helgrid Hinze, der zum Widerstand gegen die neuen Rundfunkgebühren aufrief, fand ebenfalls keine Mehrheit. Im Antrag fanden sich mehrere Zielkonflikte, die sich in der Kürze der Zeit nicht auflösen ließen. So war eine sozialverträgliche Gebührenregelung gefordert, zugleich wurde der Umfang der Datenerhebung bei den Gebührenpflichtigen kritisiert und ein strikter Datenschutz eingefordert. Ebenso kritisierte der Antrag die Mitfinanzierung durch Nicht-NutzerInnen; wie eine alternative Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Medienangebotes aussehen könnte (dessen Erhaltungswert nicht in Abrede gestellt werden sollte) blieb jedoch offen.

Ausführlich diskutiert wurde schließlich der Antrag zum weitgehenden Verbot von Waffenexporten (s. S. 7). Am Ende verabschiedete die DK eine erste Standortbestimmung; Fragen nach den Konsequenzen von EU- und NATO-Mitgliedschaft blieben vorerst ausgeklammert.

Nachbe­rei­tung Beschnei­dungs­de­batte

Die Frage, was die HU als Organisation aus dem Streit über die Beschneidungsfrage lernen kann, bildete den Abschluss des Samstags. Florian Beger stellte einleitend einige Überlegungen zur Skepsis gegenüber strafrechtsfixierten Forderungen sowie dem gelassenen Umgang mit gegensätzlichen Positionen vor (s. seinen Beitrag in vorgänge Nr. 201/202, S. 157 ff.). In der Diskussion wurde mehrfach daran erinnert, dass die Positionsfindung in religionspolitischen Fragen (z. B. Kopftuch, Religionsunterricht) und die Abgrenzung von weltanschaulichen Verbänden immer wieder zu Konflikten in der HU geführt hat. Rosemarie Will wies darauf hin, dass sich die HU bisher durch ihre Kompromissfähigkeit ausgezeichnet habe.

Bei der verbandsinternen Beschneidungsdebatte wurden im letzten Jahr jedoch die Grenzen der gegenseitigen Toleranz und des Respekts bisweilen überschritten. Ein Grund dafür war die fehlende verbandsinterne Abstimmung der geplanten Stellungnahme des Bundesvorstands. Der Verbandstag hatte den Eckpunkten dieser Position zwar zugestimmt, darüber hinaus fand aber keine weitere verbandsweite Rückkopplung statt. Auf der DK wurde angeregt, die Abstimmungsverfahren für die Erstellung und Freigabe solcher Stellungnahmen (insbes. bei strittigen Themen) zu diskutieren und neu zu vereinbaren. Eine Rücksichtnahme auf moralische/politische Befindlichkeiten Einzelner derart, dass mit Rücksicht auf (angedrohte) Mitgliederaustritte auf solche Stellungnahmen verzichtet würde, fand dagegen keine Unterstützung – die HU würde damit ihre politische Handlungsfähigkeit und ihre bürgerrechtliche Innovationskraft verlieren. Zudem wurden klare Regeln für die Kommunikation auf den HU-Mailinglisten vorgeschlagen: Bei privaten Konflikten soll künftig stärker darauf geachtet werden, diese nicht über die Listen zu kommunizieren. Der Austausch auf den Listen soll vertraulich bleiben und nicht ohne vorherige Rücksprache gegenüber Dritten öffentlich gemacht werden. Bei größeren Konflikten wurden vorübergehende Diskussionsstopps auf der Liste und reale Treffen der Protagonisten vorgeschlagen.

Sven Lüders
Geschäftsführer

Die Beschlüsse der DK sind ab S. 5 dokumentiert. Das Protokoll der 23. Delegiertenversammlung kann ab Ende August in der Bundesgeschäftsstelle oder im internen Bereich des HU-Wikis abgerufen werden.

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